Nach massiven Diskussionen hat die Bayerische Hausbau jetzt garantiert, dass die Mieter ein Rückzugsrecht in den Neubau bekommen. Auf 19.500 Quadratmetern sollen Miet- und Eigentumswohnungen entstehen.
St. Pauli Die Bayerische Hausbau macht ernst: Das Münchner Unternehmen hat einen Abrissantrag für die maroden Esso-Häuser am Spielbudenplatz beim Bezirksamt Mitte gestellt. Das bestätigte Bernhard Taubenberger, Geschäftsführer der Projektgesellschaft Spielbudenplatz, dem Abendblatt.
„Das war die zwangsläufige Reaktion auf das letzte Gutachten. Eine Sanierung wäre wirtschaftlich nicht vertretbar und macht bei der schlechten Substanz der Gebäude auch gar keinen Sinn“, sagt Taubenberger.
Politik und Bezirk unterstützen den Abrissantrag. Grund dafür ist das Gutachten, das Taubenberger anführt und das der Bezirk in Auftrag gegeben hatte. Aus diesem ging hervor, dass die Immobilie einsturzgefährdet ist. Die Experten hatten festgestellt, dass die Gebäude durch eine geschädigte Stahlbetonkonstruktion nicht mehr standfest sind. Die Balkone wurden ebenso gesperrt wie die Tiefgarage. Die Bayerische Hausbau, die das Gebäude 2009 erworben hatte, musste viele Sicherungsmaßnahmen vornehmen. Seit dem Verkauf an den Investor aus München wird auf dem Kiez über einen möglichen Abriss diskutiert. Die Initiative Esso-Häuser, der Mieter und St. Paulianer angehören, hatte sich vehement für eine Sanierung eingesetzt und erhielt dabei Unterstützung von Künstlern wie Udo Lindenberg. Auch nach dem Gutachten, stimmt die Initiative einem Abriss nicht zu: „Wir sehen das Gutachten als Diskussionsgrundlage und nicht als Legitimation für einen Abriss. Der Gebäudezustand ist zwar schlecht, schließt aber eine Sanierung nicht aus“, sagte Steffen Jörg von der Initiative.
Dem Abriss der in den 60er-Jahren erbauten Esso-Häuser, muss der Bezirk zustimmen. Für den Neubau ist ein Bebauungsplanverfahren erforderlich, für den dann die Bezirkspolitik grünes Licht geben muss. Doch zunächst wird es einen Architekturwettbewerb für das Areal am Spielbudenplatz geben.
Die Bayerische Hausbau plant in großen Dimensionen: So sollen etwa 19.500 Quadratmeter Geschossfläche für Wohnen entstehen. Die 107 alten Wohnungen haben eine Gesamtfläche von 4600 Quadratmetern. In dem Neubau sollen etwa 240 Wohnungen entstehen: jeweils ein Drittel öffentlich geförderter Wohnungsbau sowie normale Miet- und Eigentumswohnungen.
Die Politik hat zunächst einmal keine Vorbehalte: „Es ist auf jeden Fall auf dem Areal Platz für mehr Wohnraum. Entscheidend ist nun der Architekturwettbewerb und dass der Neubau zum Kiez passt“, sagte SPD-Bauexpertin Henriette von Enckevort dem Abendblatt. Ein Abriss wegen der maroden Gebäudesubstanz müsse nun als Chance für das Quartier verstanden werden, so Enckevort weiter. Das sieht CDU-Fraktionschef Jörn Frommann ähnlich: „Nun sind Politik und Verwaltung gefordert und müssen zusammen mit dem Investor für eine zügige Umsetzung des Projekts und eine städtebaulich optimale Lösung eintreten.“
Die Grünen haben zwar keine Einwände gegen den Abriss, stellen aber konkrete Forderungen: „Die Prämisse ist und bleibt der größtmögliche sozial geförderte Wohnungsbau und vor allem wollen wir hier keine Eigentumswohnungen entstehen sehen“, sagte Fraktionschef Michael Osterburg.
Auch Bezirksamtsleiter Andy Grote (SPD) stellt Bedingungen: „Der Investor muss hier mindestens 107 Sozialwohnungen und damit vollwertigen Ersatz für den jetzt bestehenden Wohnraum schaffen. Wie viel weitere Wohnfläche hier entstehen kann, wird der städtebauliche Wettbewerb und der Diskussionsprozess mit den Bürgern vor Ort entscheiden.“ Grote ist wichtig: „Der Neubau muss ein Stück echtes St. Pauli sein und sich in die Kiezstrukturen einfügen.“ Aber wann soll der Neubau am Spielbudenplatz stehen? Wenn alles ohne Verzögerungen läuft, dann könnte laut Grote 2015 der Baubeginn sein und eine Fertigstellung wäre bis 2017 möglich. Die 90 Mieter hatte die Bayerische Hausbau bereits am Montag zu einer Informationsveranstaltung in die Handwerkskammer eingeladen und dabei weitere Zugeständnisse gemacht.
So sollen nicht nur die Bewohner mit einem unbefristeten Mietvertrag ein Rückkehrrecht in ihre Wohnungen zu der aktuellen Bruttoquadratmetermiete haben, sondern auch die mit einem befristeten Mietvertrag. Darüber hinaus sagt die Bayrische Hausbau den Mietern ihre Unterstützung bei der Suche nach einer Ersatzwohnung während der Bauzeit und Umzugshilfe zu.
Allerdings knüpft die Bayerische Hausbau ihre Zugeständnisse an die Mieter auch an klare Bedingungen: „Unser Angebot gilt nur dann, wenn der Neubau mit den von uns anvisierten Eckdaten verwirklicht werden kann“, sagte Taubenberger. Heißt im Klartext: Nur, wenn die Bayerische Hausbau den Neubau in ihren Dimensionen genehmigt bekommt, dann können die Mieter zu den gleichen Konditionen zurückkehren. Auch die Gewerbefläche soll von bislang 2400 Quadratmeter auf 5000 Quadratmeter erweitert werden: „Wir werden Gespräche mit den Gewerbemietern führen, um uns auf das weitere Vorgehen zu verständigen. Zunächst werden wir keine Kündigungen aussprechen“, sagte Taubenberger. Einige Konzepte würden wir gerne in den Neubau integrieren, zum Beispiel das Molotow, so Taubenberger weiter. Die Gebäude sollen laut Bayerische Hausbau bis zum Juni 2014 entmietet sein.
Mit dem Abriss ist auch das Ende der Esso-Tankstelle, die Kultcharakter hat, besiegelt: „Wir wollen hier eine Art Kiez-Dorfplatz schaffen. Die vom Angebot her die Nachtschwärmer anspricht“, sagte Taubenberger.
Die Esso-Häuser waren gestern auch Thema einer Informationsveranstaltung des Bezirks Mitte im Ballsaal des Millerntorstadions. Vor 239 Besuchern sagte Bezirksamtsleiter Andy Grote: „Ich wünsche mir eine kontroverse, aber auch faire Diskussion.“ Georg Möller, Aufsichtsrat der Gängeviertel-Genossenschaft, erntete Applaus für den Antrag, die Veranstaltung sofort zu beenden: „Ich glaube, es ist eine reine PR-Veranstaltung.“ Es solle nur suggeriert werden, dass ernsthaft über die Zukunft der Esso-Häuser diskutiert werde. Grote entgegnete, es lasse sich nicht über die Zukunft von Gebäuden diskutieren, die nicht standsicher sind.