Hamburg. Der Ungar behauptet, sich nicht an die Tat zu erinnern. An G20 habe er gar kein Interesse gehabt. Die Richterin glaubt ihm nicht.
Diese Wucht, die Energie. Als der Zeuge beschreiben soll, wie damals, am Rande von G20, am Millerntor eine Flasche in Richtung von Polizeibeamten geworfen wurde, zieht er den Vergleich zum „Schleuderball, den man richtig weit werfen will“. Später sagt der Beobachter, die Flasche sei „wie eine Stabhandgranate geworfen worden“.
Es war eindeutig Kraft dahinter, als ein Mann den gläsernen Gegenstand schmiss. Wegen dieser Tat vom 8. Juli muss sich Tamas K. vor dem Amtsgericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 31-Jährigen versuchte gefährliche Körperverletzung und tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte vor. Laut Anklage verfehlte die Flasche die Beamten und zerschellte.
Tamas K. sitzt seit dem Vorfall in Untersuchungshaft. Es ist dies nicht seine erste Zeit im Gefängnis: In seiner Heimat Ungarn hat der Mann bereits sechs Jahre Freiheitsstrafe wegen Totschlags verbüßt und wurde wegen Körperverletzung zu einer weiteren Gefängnisstrafe verurteilt. Er habe an jenem Tag reichlich Bier und Wodka getrunken, lässt der groß gewachsene Angeklagte mit dem Zottelbart über seinen Verteidiger erklären. Er habe mit Freunden einem Bühnenaufbau zugesehen und sich auf ein Konzert gefreut. „Das Nächste, was ich weiß, ist, dass ich festgenommen wurde.“ Sollte er tatsächlich eine Glasflasche in Richtung von Polizeibeamten geworfen haben, „tut mir das leid“, so Tamas K. „Ich hatte kein Interesse an G20. Ich kann mir nicht erklären, warum ich das getan haben soll.“ Zwar habe er bisher auf der Straße gelebt, sagt der 31-Jährige, er wolle aber jetzt seinem Leben „Struktur geben“ und eine Ausbildung machen.
Richterin sieht Rechtsfrieden "besonders gestört"
Ein Arzt, der im Rahmen von G20 Dienst hatte und den Vorfall beobachtete, schildert vor Gericht, wie ein Mann mit „auffallendem grünem Haar und orangeroter Hose“ auf einer Treppe gesessen habe. „Dann guckte er zur Polizeistreife und warf die Flasche. Dann setzte er sich total ruhig und gechillt wieder hin.“ Ein Polizist erinnert sich an den „schaukelnden Gang“ des Mannes und seine schwammige Aussprache. Ein Alkoholtest ergab bei dem Ungarn einen Wert von fast drei Promille.
Ein Jahr und vier Monate Haft ohne Bewährung lautet das Urteil der Amtsrichterin. Der Angeklagte habe mit seinem Flaschenwurf „zumindest billigend in Kauf genommen“, dass Polizeibeamte verletzt wurden, begründet die Vorsitzende ihre Entscheidung. Dass die Tat in der Öffentlichkeit stattgefunden habe, habe „den Rechtsfrieden besonders gestört“. Auch wenn Tamas K. behauptete, er sei nicht wegen G20 unterwegs gewesen: „Sie wussten genau, was in den Tagen in der Stadt abgegangen ist.“
Es war der sechste Prozess im Zusammenhang mit den G20-Krawallen. Bislang endeten alle mit Verurteilungen zu Haftstrafen.