Vier Hamburger Polizisten schildern ihre Eindrücke der Gipfeltage. Sie sind frustriert. Aber es gibt auch etwas, das Hoffnung macht.

Es ist dieser eine Moment, der ein bisschen entschädigt für die höllischen Stunden zuvor im Schanzenviertel – als es Pflastersteine, zerhackte Gehwegplatten, Flaschen und Böller hagelte. Als Gaffer Spalier standen und angetrunkene Passanten dem 31 Jahre alten Polizeimeister aus Lurup und seinen Kollegen mit offenem Hass begegneten. Ein Wasserwerfer steht noch in Bereitschaft, da tritt ein Ladeninhaber aus seinem Geschäft auf die Lerchenstraße und fängt an zu fegen. Mitten in der Nacht. In der Nachbarschaft tobt der Stadtteilkampf unverändert weiter.

„Und dann hat er uns gefragt, ob er etwas Gutes für uns tun könne“, erinnert sich dieser Polizeimeister. Andere Anwohner, denen er es auf den ersten, äußerlichen Eindruck ebenfalls nicht zugetraut hätte, boten Cola, Pizza und Gummibärchen an. „Das tat gut“, berichtet der Beamte. Er gehört zu vier Polizisten, die das Abendblatt am Sonntag nach ihren Eindrücken der Gipfeltage fragte. Ihren Namen möchte keiner von ihnen veröffentlicht sehen. Sie sind schließlich Beamte.

"Wir sind nur eine Nummer für Dudde"

Mancher fühlt sich verheizt – von der Polizeiführung, mehr noch von der Politik. „Manchmal hatten wir das Gefühl, die einzigen Kräfte zu sein, die in Hamburg unterwegs waren“, kritisiert ein Polizei-Hauptkommissar. „Wir sind nur eine Nummer für Dudde“, sagt ein anderer. Gemeint ist Einsatzleiter Hartmut Dudde. Vorherrschende Meinung in der Hundertschaft: „Es ist schwer zu verstehen, warum nicht ausreichend Kollegen verfügbar waren.“

Unabhängig voneinander schildert das befragte Quartett schlimme Zustände. So gibt der 31-jährige Polizeimeister an, von Beginn seines Einsatzes am Donnerstagmittag bis Sonntagfrüh knapp drei Stunden Zeit zum Schlafen gehabt zu haben: „Meine Kameraden und ich waren zeitweise dermaßen platt, dass wir beinahe umgefallen wären.“ Bei den kurzen Transporten im Mannschaftswagen seien viele sofort in Schlaf versunken. Und den gesamten Sonnabend habe es kein warmes Essen gegeben. Umso angenehmer sei der Service der Gewerkschaft der Polizei (GdP) angekommen, Kaffee und Energiegetränke zu liefern. Allerdings mussten diese Fahrten am Freitag zwischenzeitlich eingestellt werden, weil die Sicherheit der Helfer und ihrer Dienstautos nicht mehr gewährleistet war.

„Aus meiner Sicht sind wir in der Tat von der Politik verheizt worden“, meint der Polizei-Hauptkommissar. „Offensichtlich wurde die Situation vor dem Gipfel komplett falsch eingeschätzt.“ Anders sei es nicht zu erklären, warum er am Morgen des Freitags mit seinem Zug in Altona auf verlorenem Posten stand. Verstärkung kam erst, als es zu spät war.

Ein Viertel des Zuges fiel aus – erschöpft oder verletzt

Ein 42 Jahre alter Gruppenführer beschreibt die Lage in seiner Einheit am Sonnabend so: „Ein Viertel unseres Zuges war nicht einsatzfähig.“ Gründe: Übermüdung, Unterzuckerung, totale Erschöpfung. Einige seien in Krankenhäuser eingeliefert, andere nach Hause geschickt worden. „Wer irgendwie konnte, kam so rasch es ging zurück.“

Er sagt auch: „Ich bin besonders enttäuscht, weil einige wenige Gewalttäter es schafften, so schlimme Bilder aus meiner Heimatstadt Hamburg hinaus in die Welt zu transportieren.“ Und, ja, man wäre erfreut gewesen, wenn sich der Bürgermeister oder ein Senator blicken gelassen hätte: „Viele von uns haben sich allein gelassen gefühlt.“ Rückendeckung von ganz oben habe gefehlt.

Warum meinen die Beamten, teilweise verheizt worden zu sein? „Die Hauptverantwortung trägt die Politik“, entgegnet einer, „weil es schlicht und ergreifend nicht genug Personal gibt.“ Der Stellenabbau der letzten Jahre habe sich gerächt. „Die Polizeiführung muss letztlich mit dem arbeiten, was da ist“, befindet der Kollege. Ergebnis: „Wir wurden rastlos von einem Auftrag zum nächsten gescheucht.“

Solidarität auf St. Pauli

Eine Polizei-Obermeisterin aus dem Norden Hamburgs betrachtet die Situation ähnlich – nur aus der Distanz. Seit 22. Juni mussten sie und ihre Kollegen vom Revier im Zwölf-Stunden-Rhythmus ran. Weil ein Teil der Belegschaft zur Alarm-Hundertschaft abkommandiert wurde, musste in drei statt wie bisher vier Schichten gearbeitet werden. Die Nacht zu Sonnabend schildert sie im Bereich ihrer Wache als „chaotisch und nervenaufreibend“. Per WhatsApp habe sie Kontakt zu Kollegen und Freunden gehalten, die an den Brennpunkten im Einsatz waren.

Allerdings habe die Lage letztlich eine unerwartete Wendung genommen. „Sonnabend kippte die Stimmung“, berichtet einer wie der andere. Es habe plötzlich viel Dank gegeben, Zuspruch, Lob und Schulterklopfen – gerade auch auf St. Pauli und im Schanzenviertel. „Uns haben Leute zugewinkt und den hochgestreckten Daumen gezeigt, von denen ich es niemals erwartet hätte“, sagt der Polizeimeister. „Wenn diese Solidarität anhält, hat das ganze Desaster zumindest eine gute Seite.“