Hamburg. Moderne Technik und ausgewählte Spezialisten: Im Falle von Terrorangriffen aus der Luft stehen 20 Hubschrauber und Kampfjets bereit.
Wenn für die Staats- und Regierungschefs beim G20-Gipfel in Hamburg Gefahr aus der Luft droht, geht es um Sekunden. Dann wird der Leiter des Unterabschnitts Luft, Polizeidirektor Michael Bantle, zu einem roten Telefon greifen, um von G20-Einsatzleiter Hartmut Dudde eine Entscheidung zu bekommen. Bantle selbst wird in einer Einsatzzentrale im Polizeipräsidium sein, in der moderne Technik und vor allem ausgewählte Spezialisten sitzen. Darunter sind auch besonders geschulte Verhandlungsführer und Ermittler der Polizei.
Maximal 20 Minuten – das ist der längste denkbare Zeitraum, den die Polizei zur Verfügung hat, wenn beim G20-Gipfel ein Flieger in die Sperrzone eindringt, bevor er den Tagungsort erreichen würde. Bis dahin muss der Flieger abgefangen oder das mögliche Ziel evakuiert sein.
Der Mann, der dafür verantwortlich ist, kommt aus Baden-Württemberg. Michael Bantle ist dort Chef der Hubschrauberstaffel, der zweitgrößten Einheit dieser Art der Länderpolizeien in Deutschland. Bantle ist ein gefragter Experte. Er hat die meiste Erfahrung mit „Luftraumschutzeinsätzen“, war schon beim Obama-Besuch in Hannover, beim OSZE-Treffen in Hamburg und beim G7 auf Schloss Elmau verantwortlich.
Relativ „junges Geschäft“
Es ist ein relativ „junges Geschäft“, in dem Bantle arbeitet: Luftraumschutz ist für die Polizei erst mit den Anschlägen vom 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York und durch den Irrflug eines 31-Jährigen, der 2003 mehrere Stunden mit einem entführten Sportflugzeug über Frankfurt kreiste, zum Thema geworden. „Wir hatten bis dahin keine Möglichkeiten auf solche Situationen einzuwirken“, so Bantle. Es wurde ein Konzept entwickelt, eine Taktik, die auch in einer Polizeidienstvorschrift festgehalten ist.
Während des G20-Gipfels wird über Hamburg und dem Umland eine Flugverbotszone eingerichtet. „Sie hat einen Radius von 56,9 Kilometern“, sagt Bantle. Sie reicht bis Bispingen, schließt Lüneburg und Lauenburg, Stade, Bad Segeberg und Ratzeburg mit ein. Überwacht wird dieser Luftraum in Amtshilfe durch das Nationale Lage- und Führungszentrum für Sicherheit im Luftraum der Bundeswehr im niederrheinischen Uedem.
Keine normalen Fluglotsen
Die dortigen Radaranlagen decken die Sperrzone und einen Radius von weiteren 56,9 Kilometern um die Sperrzone ab (insgesamt also rund 114 Kilometer). Die Radarbilder werden ins Polizeipräsidium überspielt, wo Bantle und seine Mitarbeiter sitzen. Darunter sind Spezialisten der Bundeswehr, die beispielsweise Polizeihubschrauber an Sportflugzeuge heranbringen. „Wir brauchen dafür diese Experten“, sagt Bantle. „Normale Fluglotsen sind darauf trainiert, Flugzeuge voneinander fernzuhalten. Genau das wollen wir im Notfall nicht.“
Das Gleiche gilt für Verhandlungsführer, die sofort versuchen, mit dem Piloten einer in die Sperrzone eingedrungenen Maschine Kontakt aufzunehmen. „Normale Verhandlungsführer der Polizei spielen auf Zeit“, sagt Bantle. „Die haben wir nicht.“ Deshalb spricht ein Verhandlungsführer und nicht der Pilot einer des eingesetzten Hubschraubers den Piloten an. „Der hat schon fliegerisch genug zu tun, wenn er dicht neben einem Flugzeug herfliegt, dessen Pilot möglicherweise schlechte Absichten hat.“
Die Sperrzone selbst ist wie ein Kuchen in vier Stücke aufgeteilt. In jedem Bereich ist immer ein Hubschrauber am Himmel. Sie haben in großen Zahlen die Nummer einer Funkfrequenz außen aufgeklebt und setzen sich kurz neben eine in den Luftraum.eingedrungene Maschine. So soll der Pilot sehen, wen er anfunken soll. Dann wird die Maschine aus der Sperrzone geleitet – in besonderen Fällen bis zu einem der ausgesuchten Flughäfen, an denen bereits Polizisten warten, die den Flieger in Empfang nehmen.
Das Eindringen in eine Sperrzone, so Bantle, ist eine Straftat. Sollten schnellere Flugzeuge in den Luftraum eindringen, müsste die Polizei die Bundeswehr um Amtshilfe bitten. Dafür steht eine sogenannte Alarmrotte bereit. Diese muss nicht unbedingt am Boden sein, die Kampfjets können sich auch schon in der Luft bewegen.
Scharfschützen in Polizeihubschraubern
Es sitzen außerdem Scharfschützen in einigen Polizeihubschraubern. Fliegen dürfen während des G20-Gipfels lediglich die Linienflieger der großen Fluggesellschaften. „Sie kommen von einem gesicherten Flughafen, bei dem die Fluggäste kontrolliert wurden“, sagt Bantle. Auch Rettungshubschrauber dürfen fliegen – allerdings unter ständiger Kontrolle.
Auch das hat einen Grund. Über Hamburg wird es während des Gipfels eng. Insgesamt sind 17 Polizeihubschrauber und ein zweimotoriges Flugzeug der Polizei Hessen – Deutschlands einziges Polizeiflugzeug – im Einsatz. Auch für eventuell nötige Evakuierungen. Zusätzlich können noch drei Bundeswehrhubschrauber – ebenfalls im Zuge einer Amtshilfe – von der Polizei angefordert werden, sodass insgesamt sogar bis zu 20 Hubschrauber zur Verfügung stünden.
Der Unterabschnitt Luft ist auch für ihre Koordination zuständig. Die Maschinen werden Spezialeinheiten der Polizei fliegen, Bilder in den Führungsstab übertragen oder Einheiten der Bereitschaftspolizei verlegen.
G20-Gipfel kurz erklärt: