Hamburg. Obst- und Gemüseverkauf soll es dort aber auch weiterhin geben. Das Aus für den Höfeladen hat mehrere Ursachen.
Im Bio Höfeladen auf Hof Timmermann am Sülldorfer Kirchenweg herrscht Tristesse. Die Regale sind nur noch zur Hälfte gefüllt, manche Waren längst ausverkauft. Eine ältere Dame schiebt ihren prall gefüllten Einkaufswagen zur Kasse – nicht ohne ein ausgiebiges Gespräch in gedämpftem Ton mit dem Personal. Kehrausstimmung.
Auf der Homepage war der Räumungsverkauf mit Beginn 17. Februar bereits angekündigt worden, verbunden mit einer wehmütigen Botschaft: „Wir möchten uns für Ihre lange Treue bedanken und würden uns freuen, wenn Sie in anderen Einkaufsstätten weiterhin beherzt hochwertige Bio-Lebensmittel einkaufen, um den weltweiten und vor allem den regionalen ökologischen Anbau zu fördern“, heißt es dort.
Das Aus vor Ort hat gleich mehrere Ursachen
„Man fühlt sich abgewickelt“, sagt Verkaufsleiter Marc Lambeck, und: „Jetzt kann ich nachempfinden, wie es den Menschen in manchen Ost-Betrieben nach 1989 erging.“ Doch Lambeck will nicht jammern, auch wenn ihm das Herz in diesen Tagen immer wieder schwer wird. Fünf Jahre war er im Laden, zweieinhalb davon als Chef. Immerhin: Eine neue leitende Funktion im Großhandel hat er bereits sicher.
Das Aus für den Höfeladen hat mehrere Ursachen. Dass aktuell hohe Investitionen in neue Kassen- und Kühlsysteme nötig wären, gehört dazu, ist aber letztlich eher der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Auch die lange anhaltenden Probleme mit der Schranke am Bahnübergang an der Ecke hatten sich negativ auf die Kundenströme ausgewirkt, konnten echte Ladenfans aber nicht wirklich vom Einkauf abhalten. Viel gewichtiger ist, dass die vielen neuen Supermärkte im Hamburger Westen längst selbst das Geschäft mit der Bioware entdeckt haben und mittlerweile ein großes Angebot vorhalten.
Vielen Kunden haben dem Höfeladen jahrelang die Treue gehalten
Marc Lambeck spricht voll Hochachtung von den vielen Kunden, die dem Höfeladen jahrelang die Treue gehalten hatten. Für diejenigen, die aus Kostengründen ausblieben, hat er dagegen kein Verständnis. Es sei eben doch ein Unterschied, ob auf in Plastik verpackten Massenprodukten „bio“ draufstehe, oder ob tatsächlich zertifizierte Bioware – noch dazu aus der unmittelbaren Umgebung – angeboten werde. Diese Geiz-ist-geil-Haltung finde ich bei Lebensmitteln völlig unverständlich“, sagt Lambeck.
„Manche Leute investieren hohe Summen in Schnickschnack und sparen dann beim Einkauf ihres Essens.“ Beim Höfeladen sei dagegen alles immer zertifiziert gewesen – „da gab es kein einziges Produkt, das nicht wirklich durch und durch bio war.“ Lambeck will nicht nörgeln – und schon gar keinen Abgesang auf das Projekt Höfeladen anstimmen. Er ist zuversichtlich, dass seine Nachfolger am Sülldorfer Kirchenweg „das schon packen werden“.
Auftritt Gudrun Minners und Sohn Jan-Hinrich. Sie übernehmen einen Teil der Verkaufsfläche und bieten ab sofort Obst- und Gemüsehandel vor Ort. Los geht es mit (zunächst) zwei Tagen pro Woche: sonnabends von 7–13 und donnerstags von 9–17 Uhr. „Auf diese Weise wird aus dem Aus für den Höfeladen auch ein Neuanfang“, sagt Minners.
Häuslicher Alltag hat sich verändert
Agnes und Wilhelm Timmermann schauen im halb leeren Verkaufsraum nach dem Rechten. In neunter Generation bewirtschaften sie den angrenzenden Hof, der zwischen 1984 uns ’89 nach Bioland-Richtlinien umgestaltet wurde und seit 1992 anerkannter Bioland-Betrieb ist. 1994 wurde der ehemalige Kälberstall zum 120 Quadratmeter großen Hofladen. 2001 folgte die Erweiterung auf 280 Quadratmeter Fläche, wo seit 2012 der Bio Höfeladen betrieben wurde.
Ihr namensgebender Hofladen machte den Biohandel in den Elbvororten damit einst buchstäblich hoffähig – zu einer Zeit, als viele das Wort höchstens mit dem schulischen Biounterricht in Verbindung brachten. „Mit einem Küchentisch vor der Milchkammer haben wir mal angefangen“, erzählt Wilhelm Timmermann. „Das war 1984.“ Agnes Timmermann berichtet, wie sich die Essgewohnheiten und damit auch das Verkaufsverhalten im Laufe der Jahrzehnte immer weiter veränderten. „Erst haben wir Rinder Viertel-weise verkauft, dann Achtel-weise. Zuletzt waren die abgepackten Portionen noch kleiner.“ Die Gründe liegen auf der Hand. Mancher mag den günstigeren Supermärkten den Vorzug geben, aber auch der häusliche Alltag hat sich verändert. Fanden sich noch in den 1980er-Jahren Familien am Mittagstisch zusammen, wird heute viel häufiger auswärts gegessen – oder ein abgepacktes Fertiggericht in die Mikrowelle geschoben.
Es gibt Pläne für einen neuen Markt beim Biohof
Dass die Familie Minners, aus der Gegend stammt und vielen bekannt ist, empfindet Agnes Timmermann als vielversprechend für die Zukunft – genau wie die Tatsache, dass demnächst eine Tierarztpraxis in die großen Räume mit einzieht. „Man muss das so sehen“, sagt Agnes Timmermann, „das Dorf rückt zusammen und macht mit vereinten Kräften weiter. Timmermann wirbt auch für einen neuen Markt rund um den Biohof, quasi als Ergänzung zu dem Angebot der Familie Minners. (Interessenten können sich melden bei: hof.timmermann@t-online.de).
Agnes Timmermann ist zuversichtlich, dass es klappt: „Zusammengehalten haben hier schon immer alle.“