Nienstedten. Der einstige Kfz-Meister Andreas Bätjer besitzt Schiffe, Kräne, Anleger – und reichlich Hamburger Charme.

Einen Jollenkreuzer zum Segeln kann man sein Eigen nennen, auch eine Schute oder eine Barkasse. Wenn allerdings noch ein Zolldampfer, ein Kranponton und sogar ein Eisbrecher hinzukommen, wird ein besonderes Kapitel daraus – das so nur in Hamburg möglich ist. Es ist eine Geschichte von Unternehmensgeist, Wagemut, Fleiß und geschäftlicher Unabhängigkeit. Andreas Bätjer, die Hauptperson, ist seit Generationen als Hafenunternehmer in Altona und in den Elbvororten verankert.

Dieser Tausendsassa, ursprünglich als Kfz-Meister an den Berufsstart gegangen, ist Hafenunternehmer im besten Sinn des Wortes. Er unternimmt eine Menge. In der Regel trägt er einen grünen Arbeitsoverall, packt kräftig mit an, hat ein exzellentes Gespür für Nischen im Hafen, gilt als Macher für alle Fälle und ist sich für Mini-Aufträge nicht zu schade. Ganz im Gegenteil.

Eine Schiffsflotte und ein Ponton

Als Besitzer und Betreiber der „Pontonanlage Nor­derelbe“ auf Entenwerder formte der gebürtige Hamburger aus mehreren kleinen Unternehmungen ein größeres Geschäft. Zehn Mitarbeiter stehen ihm und seiner handverlesenen Schiffsflotte zur Seite. Motto: Wer auf vielen Beinen steht, kann zwar wirtschaftlich ins Schwanken kommen, fällt jedoch nicht um.

Dass Andreas Bätjer alles andere als ein Mensch von der Stange ist, zeigt sich beim persönlichen Treffen im Backhus am Nienstedtener Marktplatz. „Klappern gehört zum Handwerk“, dieses Geschäftsprinzip versteht zwischen Kais und Kränen, Pontons und Schuppen nun wirklich jedermann. Dennoch betrachtet der 54-Jährige seine Tätigkeiten anders. „Er favorisiert die geräuschlose Vorgehensweise“, sagt ein Freund, „und ist damit bisher prima gefahren.“ Dröhnen überlässt er anderen. Er selbst schätzt es piano.

Ein Flügel im "schwimmdenen Büro"

Übrigens tatsächlich. Schon als Neunjähriger erlernte Andreas, von Familie und Freunden seit damals „Herzi“ genannt, das Klavierspiel. Heutzutage übt er regelmäßig mit einer Musiklehrerin. Und in seinem „schwimmenden Büro“ auf Entenwerder steht ein Flügel, anno 1877 von der Traditionsfirma C. Bechstein hergestellt.

Mithin gibt es gute Gründe, einer faszinierenden Lebensgeschichte auf den Grund zu gehen. Die Wurzeln legte sein verstorbener Vater Günter Bätjer, in der Hafenwelt besser unter dem Spitznamen „Schnalle“ bekannt. Dieses hanseatische Original mit Anker in den Elbvororten übernahm als selbstständiger Baggerfahrer Abbruch- und Erdarbeiten. Die siebenköpfige Familie, neben Sohn An­dreas noch drei Töchter und einen weiteren Sohn, konnte er gut ernähren. Der Bezug zum Wasser hat bei den Bätjers Tradition. Der Name des nach wie vor intakten und bestens erhaltenen Jollenkreuzers mit Baujahr 1936 sagt alles: „Schnalle sien“. Übersetzt heißt das in etwa: „Gehört Schnalle“.

"Schnalles Hafen" liegt mittlerweile brach

Günter Bätjer nutzte 1985 die Gunst der Stunde – und übernahm von Olympiasegler Ullrich Libor eine Hafenanlage in Wedel. Als „Schnalles Hafen“, so die offizielle Hinweistafel, gedieh ein Dorado mit einer Werft, Bootsbauern und Schlossern. Liegeplätze wurden vermietet, im Winter auch in einer Halle. Als junger Mann war Andreas Bätjer mittenmang. Zwei Jahrzehnte später indes brach die Existenzgrundlage weg: Der Mietvertrag wurde gekündigt. Seitdem liegt das Areal brach. Angeblich soll dort mit dem „Elbepark“ bald ein neues Industrieviertel entstehen.

„Zum zweiten Mal begannen wir bei null“, bringt Andreas Bätjer die damalige Problemlage auf den Punkt. Kurzentschlossen ergriff er die Initiative und kaufte 2005 eine alte Zollstation auf Entenwerder, direkt neben den Elbbrücken. Die Pontons dort erstrecken sich über 240 Meter. Für die Finanzierung stellte der Schwiegervater 180.000 Euro zur Verfügung. Der verzinste Kredit ist komplett zurückgezahlt.

Erste Anschaffung war die nach einem Wellenschaden fast schrottreife, 1939 gebaute Hafenbarkasse „Erni“. Für rund 3500 Euro war sie günstig zu haben. Mit vereinten Kräften wurden Barkassen betreut, Schiffe geschleppt, Wasserbau betrieben. Nach und nach kamen auf der Veddel, auf der Peute sowie auf Finkenwerder kleine Häfen für die Sport- und Berufsschifffahrt hinzu. Ein Segen, dass sich Bätjer jr. zuvor das Hafenpatent gesichert hatte. Erster Mieter auf Entenwerder war der Modeunternehmer Thomas Friese („Thomas-i-Punkt“). Ein goldfarbener Container diente ihm als Kreativstube.

Von der Barkasse bis zum Eisbrecher

Im Overall am Flügel – das ist typisch Andreas Bätjer.
Im Overall am Flügel – das ist typisch Andreas Bätjer. © Marcelo Hernandez

Parallel erhielt die individuell zusammengestellte Flotte gezielt Zuwachs. Anders formuliert: Wenn die Schiffe arg angeschlagen waren und andere nicht wollten, schlug der Spezialist für alle Fälle zu. Bezeichnungen wie desolate Anlagen ertüchtigen, Lückenbüßer, Nischensucher oder Notnagel begreift Andreas Bätjer als Kompliment. Sein Erfolg versprechendes Arbeitsprinzip: klein, flexibel, kostengünstig, schnell. Vor allem verzichtet seine Firma auf allzu viel Papierkram und Bürokratie.

Ebenso wie die Barkasse „Erni“ sind auch der altehrwürdige Zolldampfer und der sieben Jahrzehnte alte, bei einer Auktion ersteigerte Eisbrecher „Johannes“ aktuell prima in Schuss. Die MS „Jacob“ wurde an das Hotel Louis C. Jacob verpachtet. Man kennt sich aus Nien­stedten.

Und gut möglich, dass diese besondere Hamburger Geschichte weitergeht. Bätjers Sohn Ole lernt Bootsbauer; Bruder Fynn besucht die Kapitänsschule in Flensburg. „Hat alles Zeit“, sagt der Vater. Vielleicht ganz gut, dass er für sich eine Partie grüner Arbeitsoveralls günstig erstehen konnte: 30 Stück für zusammen 240 Euro. Denn es gibt noch reichlich zu tun. Und das wird sich bei diesem Mann garantiert auch nie ändern.