Hamburg. Gemeinsam mit den Kunden will Wirtschaftssenator Michael Westhagemann die Zukunft entwickeln.
Wie der Hafen in Zukunft aussehen könnte, interessiert besonders Hamburgs Wirtschafts- und Innovationssenator Michael Westhagemann (parteilos). Er will einen neuen Hafenentwicklungsplan aufstellen und lässt derzeit Unternehmensmanager, Forscher, aber auch Umweltverbände und Gewerkschaften in Arbeitsgruppen Grundlagen dafür erarbeiten. Mit dem Plan zum Bau einer Elektrolyse im Hafen will er die Energieversorgung revolutionieren. Zudem reist er durch die Welt und befragt die Kunden des Hafens, wie sie die Zukunft sehen. Dem Abendblatt verrät er seine Einblicke in die Hafenwelt von morgen.
Herr Westhagemann, Sie haben ein Dialogforum über die künftige Entwicklung des Hafens eingerichtet. Dessen Ergebnisse sollen in einen neuen Hafenentwicklungsplan einfließen. Warum machen Sie das?
Michael Westhagemann:Mir ging es zunächst darum, dass im Hafen nicht mehr übereinander geredet wird, sondern miteinander. Ziel ist es, gemeinsam ein Bild zu entwickeln, wie der Hafen der Zukunft aussehen kann, und zwar 2030, nicht erst 2050. Ich habe in den vergangenen Wochen mit vielen Kunden des Hafens gesprochen. Bei denen haben der Start der Fahrrinnenanpassung und der Bau der Begegnungsbox neues Interesse an Hamburg entfacht.
Der derzeitige Hafenentwicklungsplan geht ja noch bis 2025, er hat sich aber überlebt. Wie wollen Sie sicherstellen, dass dem neuen nicht die gleichen Fehler passieren?
Der alte Hafenentwicklungsplan ist obsolet, weil die Umschlagszahlen zu optimistisch eingeschätzt wurden. Dazu muss man wissen, dass der Hafenumschlag damals auch noch zweistellig gewachsen ist. Das ist vorbei. Wenn ich den Reedern zuhöre, prognostizieren mir diese ein Umschlagswachstum von 1,5 bis drei Prozent in den kommenden Jahren. Das halte ich für realistisch. Zudem hat der alte Plan nicht ausreichend berücksichtigt, was um uns herum passiert. In den Konkurrenzhäfen sind seitdem nämlich große neue Umschlagskapazitäten hinzugekommen. Wir lassen derzeit eine neue Umschlagsprognose erstellen, damit wir unsere Planungen genauer machen können.
Welche Schwerpunkte wollen Sie dem neuen Hafenentwicklungsplan geben?
Da greife ich auf das zurück, was mir die Hafenkunden erzählen, die alle Hamburgs gute Hinterlandanbindung hervorheben, also den Weitertransport der Seegüter per Bahn. Der Wunsch, Ladung verstärkt auf die Schiene zu bringen, ist bei allen Reedern stark ausgeprägt. Was viele gar nicht wissen ist, dass wir hier das größte zusammenhängende Industriegebiet Nordeuropas haben. Nicht Duisburg, nicht Rotterdam. Die Grundstoffindustrie sitzt hier, eine Raffinerie und so fort. Wir haben hier die Abnehmer im Hafen und eine hohe Quote an lokal gebundener Ladung. Darauf müssen wir weiter setzen, um weiter Ladung nach Hamburg zu bringen, beispielsweise durch weitere industrielle Ansiedelungen im Hafen.
Wie muss sich die Ansiedlungspolitik dem anpassen?
Da sind mehrere Rahmenbedingungen. Zunächst stellt sich die Frage: Wie werden sich die globalen Handelsströme entwickeln? Und mit welcher Form von Energie werden die Verkehrsträger der Zukunft fahren? Durch den Druck, der auf den fossilen Kraftstoffen lastet, müssen verstärkt Alternativen wie synthetische Kraftstoffe in den Blick genommen werden. Das größte Potenzial hat die Brennstoffzelle mit Wasserstoff.
LNG ist kein Thema?
Nur als Zwischentechnologie. Die Kanzlerin will bis 2050 klimaneutrale Produktion haben, dann kann man nicht mehr mit LNG fahren. Dann kommt nur noch Wasserstoff infrage. Wir müssen also den Hafen stärker in Richtung Wasserstofftechnologie positionieren, und zwar als Treibstoff, als Erzeugungsquelle für Strom und in der Wärmeversorgung. Drittens stellt sich auch die Frage der Flächenentwicklung.
Wir sind ein Stadthafen. Der Wohnungsbau beansprucht Flächen, da bleibt dem Hafen nicht mehr viel. Mit Ausnahme von Steinwerder, also dem großen Areal des ehemaligen mittleren Freihafens.
Bei der Entwicklung einer so wichtigen Fläche sollten keine Schnellschüsse passieren. Stattdessen müssen wir uns genau überlegen, was wir dort ansiedeln können, das strategisch die größte Wertschöpfung, gute Arbeitsplätze und einen innovativen Ansatz bietet, der sich auch in den kommenden Jahrzehnten hält. Ich führe im Moment Gespräche mit vielen Unternehmen, die sich vorstellen können, sich im Hamburger Hafen anzusiedeln. Wir sind da aber wählerisch. Wir wollen etwas finden, das den Hafen zukunftsfest macht. Das bedeutet auch, dass wir uns auf andere Produktionsabläufe einstellen müssen als die, die wir kennen. Wir haben uns dazu neben Seoul, Boston, Paris und Amsterdam als einzige deutsche Stadt der Barcelona-Initiative FAB City angeschlossen. Diese postuliert, dass bis 2054 die Städte zu Selbstversorgern werden. Sie sind dann weltweit vernetzt, stellen wesentliche Produkte aber aus Nachhaltigkeitsgründen regional her. Das wird für den Hafen von Bedeutung sein. Man kann ihn sogar zum Inkubator solcher Entwicklungen machen.
Wie meinen Sie das?
Der Hafen als Experimentierfeld für neue Entwicklungen, als sogenannter Frontrunner. Dann wird es uns auch gelingen, Unternehmen für die Stadt zu interessieren, die bisher gar nicht darüber nachgedacht haben, in Hamburg zu investieren.