Gross Flottbek. Zeugen schildern haarsträubende Details. Ein Rentner krachte zweimal mit dem Auto in Geschäfte – er trug besondere Schuhe.
Der Unfall-Schwerpunkt Waitzstraße wird jetzt offiziell analysiert. Bei einem Krisengespräch am vergangenen Mittwoch trafen erstmals Vertreter der Interessengemeinschaft (IG) Waitzstraße, des Bezirksamts Hamburg Altona und der Polizei zusammen, um Ursachenforschung zu betreiben und das weitere Vorgehen zu beraten. Dabei machten die Vertreter der IG im Namen von Grundeigentümern und Geschäftsleuten deutlich: Ein erneuter aufwendiger Umbau der „Waitze“ kommt für sie nicht infrage. Am kommenden Montag folgt das nächste Treffen, zu dem auch alle Mitglieder der IG eingeladen sind.
Wie berichtet, wird das Schrägparken auf der Nordseite der Straße verboten, nachdem es in der Vergangenheit immer wieder zu Einparkunfällen gekommen war. Anders, als offiziell angekündigt, erfolgt die Sperrung aber nun doch erst in der kommenden Woche. Der Grund: Die dafür benötigten Schilder mussten erst bestellt werden.
83 Jahre alte Autofahrerin kracht in Schaufenster
Am vorvergangenen Montag war, wie berichtet, eine 83 Jahre alte Autofahrerin in das Schaufenster des Bekleidungsgeschäfts „Die Engelei“ gerast. Mühelos hatte der Mercedes einen schweren Poller (vor Ort spricht man von „Granit-Sitzblock“) umgerissen, den Schaufensterbereich eingedrückt und erst tief in der „Engelei“ angehalten. Passanten oder Kunden, die von dem Auto erfasst worden wären, hätten mit Sicherheit Verletzungen davon getragen.
Für die Polizei war der Unfall – der zwanzigste dieser Art – einer zu viel. Per Anweisung forderte sie das Bezirksamt Altona zum Handeln auf – und das bedeutete: Sperrung. Doch das ist kein Dauerzustand. Am runden Tisch soll daher nun geklärt werden, ob Maßnahmen wie die „Ertüchtigung“ der sogenannten Stadtmöbel ausreichen, um solche Crashs künftig zu verhindern. Erst im vergangenen Dezember war die neue „Waitze“ nach rund 18-monatigen Umbauarbeiten und Investitionen in Höhe von rund zwei Millionen Euro eingeweiht worden.
„Alle Beteiligten sind jetzt auf der Suche nach einem tragfähigen Kompromiss für die Straße“, sagt Dirk Hübenbecker, zweiter Vorsitzender der IG. Der könnte laut Hübenbecker so aussehen: Die Schrägparkplätze, um die es geht, könnten – vorübergehend – so lange mit zusätzlichen Pollern gesichert werden, bis die dauerhaft installierten „Stadtmöbel“ soweit aufgerüstet sind, dass sie künftigen Crashs standhalten. Laut Gunnar Gellersen, Sprecher des Lenkungsausschusses des BID Waitzstraße, überprüfe das bei der Umgestaltung der Straße federführende Planungsbüro jetzt noch einmal alle Details. Gesucht werde eine Lösung, die eine „kleinstmögliche Einschränkung“ für den Einzelhandel vor Ort bedeute, so Gellersen.
Es muss nun an die zügige Umsetzung gehen
Dass es nun an die zügige Umsetzung gehen muss, wird auch beim Termin vor Ort deutlich. Tapfer lächelnd stehen Gunnar Gellersen und der IG-Sprecher Andreas Frank, an der Unfallstelle. Mit dabei ist auch Christian Kicker, Geschäftsführer der Glasmeyer Gruppe, die den Supermarkt genau gegenüber betreibt. Ursachenforschung – einmal mehr.
Gunnar Gellersen menschlich gesehen
Zwar kann nach wie vor nur darüber spekuliert werden, wie die Unfälle genau abgelaufen sind, aber die Fakten scheinen doch eindeutig, und die Parallelen sind auffällig: Fast alle Unfallverursacher waren ältere Menschen, die neuwertige, automatikgetriebene Autos mit relativ hoher PS-Zahl fuhren, darunter SUV und schwere Limousinen. Der UKE-Mediziner Prof. Klaus Püschel, der – wie berichtet – einige der Unfallakten einsehen konnte, hatte den Fahrerinnen und Fahrern mehrheitlich die Fahrtauglichkeit abgesprochen. Unter anderem verwies er dabei auf nachlassende Sehfähigkeit oder beginnende Demenz. Hinzu kommt offenbar noch das Unvermögen, die modernen, mitunter hoch technisierten Autos korrekt zu bedienen.
Unfälle ereigneten sich beim Ein- und Ausparken
Wie die Zeugen aus der Waitzstraße berichten, seien einige Unfälle beim Ein-, einige beim Ausparken passiert. Die Einparker hatten beim Einfahren in die Parkbucht offenbar Geschwindigkeit und Abstand falsch eingeschätzt. Die Ausparker, so wird vermutet, müssen sich bei der Bedienung der Automatikgetriebe verschaltet haben. Daraufhin waren sie vorwärts statt rückwärts losgefahren. Dass die moderne Ausstattung inklusive Rückwärtskamera einige überfordert hat, ist nicht auszuschließen. Auch der bei Automatikautos relativ geringe Abstand zwischen dem Gaspedal und der breiten Bremse dürfte eine Rolle gespielt haben. Ein Mann ist sicher: „Die waren bestimmt von der Bremse gerutscht und hatten sich dann zwischen den beiden Pedalen verhakt.“
So ist auch zu erklären, warum die Autos, egal, ob beim Ein- oder Ausparken, auffallend zügig und ungebremst in die Schaufenster fuhren. Dazu passt auch eine andere Beobachtung der Zeugen. Wie sie berichten, waren einige der Crash-Fahrerinnen gar nicht die Halterinnen der jeweiligen Autos. Vermutlich hatten sie sich die PS-starken Gefährte nur für kurze Einkaufsfahrten ausgeliehen, wohl von den Ehemännern, ohne mit der jeweiligen Technik wirklich vertraut zu sein. Und auch diese haarsträubende Geschichte wird vor Ort erzählt Ein älterer Mann, der das Kunststück fertigbrachte, nacheinander an verschiedenen Tagen in Schaufenster gerast zu sein, soll bei beiden Unfällen sperrige Golfschuhe getragen haben. Seinen Führerschein durfte er im Übrigen behalten.