Hamburg. Edel-Chef kaufte das Anwesen des Modezars, der keine Küche hatte. Für Außenstehende wirkt das Anwesen geheimnisvoll.

Stilvoller könnte der Auftritt kaum sein. Mit einem kräftigen Knattern braust ein offener Sportwagen der britischen Automarke AC aus Richtung Oesterleystraße die Schotterpiste hinunter. Der Fahrer im hellen Blouson – das weiße Hemd aufgeknöpft – parkt seinen Oldtimer aus dem Baujahr 1953 vor dem imposanten Portal, jongliert den Autoschlüssel, schließt das Tor auf und bittet mit einladender Geste auf sein Grundstück.

Für Außenstehende wirkt das Anwesen mit den hohen Mauern und dem gewaltigen Eingangstor geheimnisvoll. Mancher Besucher, der durch den Tal-einschnitt zwischen Kiekeberg und Süllberg schreitet, fragt sich, wer hier wohl residiert.

Herzlich willkommen in der Villa Schüler. Das tempelartige Gebäude römischer Bauart ist ebenso denkmalgeschützt wie der fast 12.000 Quadratmeter umfassende Park am Blankeneser Elbhang. Beide suchen in Hamburg ihresgleichen. Zwischen 1991 bis 1998 trug das monumentale Bauwerk den Namen „Villa Jako“. Der Modezar Karl Lagerfeld hatte das Anwesen in seiner Heimatstadt erworben – als würdigen Rahmen zur Präsentation seines Parfüms Jako. Nach ein paar Jahren habe der Maestro vor Ort keine Vibrationen mehr gespürt und die Immobilie für angeblich vier Millionen Euro verkauft.

Zu dem Anwesen gehört auch ein
großer Garten mit Elbblick und Teich
Zu dem Anwesen gehört auch ein großer Garten mit Elbblick und Teich © HA | Klaus Bodig

„Ich habe die Villa an einem Montagmorgen erstmals betreten“, erinnert sich Michael Haentjes an einen Schlüsselmoment in seinem an Spannung reichen Leben. „Der Entschluss fiel im Bruchteil einer Sekunde.“ Der Gründer, Hauptaktionär und Vorstandsvorsitzende der Plattenfirma Edel AG schmiss sämtliche Pläne über den Haufen und schlug beim Makler zu.

Vor ein paar Jahren – die dritte Ehe war geschieden, die drei Kinder standen auf eigenen Beinen – sollte das Haus erneut verkauft werden, dem Vernehmen nach für zehn Millionen Euro. Ein Käufer fand sich seinerzeit nicht. „Es ist eine Villa für Liebhaber“, sagt Haentjes. Man muss sehr gut bei Kasse sein und sich mit dem Denkmalschutz arrangieren. Noch nicht mal eine kleine Garage darf auf dem Grundstück gebaut werden. „Schauen Sie sich um“, sagt Haentjes, während er sich am gut und gerne 50 Jahre alten Espressoautomaten italienischen Fabrikats zu schaffen macht. Daneben steht eine Maschine zum Schinkenschneiden, 1927 in Parma hergestellt. Der erfolgreiche Musikunternehmer, dessen Firma mit knapp 1000 Mitarbeitern rund 170 Millionen Euro Jahresumsatz erwirtschaftete und in zwölf Monaten annähernd 24 Millionen Schallplatten klassischer Machart produziert, hat am Comer See in Norditalien seinen Hauptwohnsitz. Während der Woche arbeitet er in der Zentrale der Edel AG in Ottensen. „Ich bin ein Vagabund“, meint er.

Haentjes Auto, ein offenes rotes AC
Car (Baujahr 1953), vor der Villa
Haentjes Auto, ein offenes rotes AC Car (Baujahr 1953), vor der Villa © HA | Klaus Bodig

Das Gebäude ist wie ein antiker Tempel angelegt und einer Villa im alten Rom nachempfunden. Der Innenraum gleicht einem Atrium mit acht Meter hohen Wänden und einer Galerie im oberen Stockwerk. Eine verglaste Kuppel sorgt für eine helle, freundliche Atmosphäre. Die gesammelten Kunstwerke und außergewöhnlichen Erinnerungsstücke aus aller Herren Länder haben so den passenden Rahmen. Keine Frage, hier kann sich ein Original und Paradiesvogel auf 370 Quadratmetern lustvoll ausleben. Dieses Haus, so der erste Eindruck, ist ebenso ungewöhnlich wie sein aktueller Besitzer.

Langsam rinnt der Kaffee aus der verchromten Maschine. Die offene Kombüse ist professionell eingerichtet. So etwas Profanes wie eine Küche hatte Karl Lagerfeld nicht nötig. Er ließ Speisen und Getränke vom Caterer herankarren. Michael Haentjes, von Haus aus Lebemann, Genussmensch, Individualist, Freigeist und inzwischen aus Überzeugung nicht verheiratet, lädt seine Freunde mit Vorliebe zum persönlich zubereiteten Essen ein. Er besitzt Hunderte Kochbücher, und seinem Unternehmen gehört der zweitgrößte Kochbuchverlag hierzulande.

Der Espresso ist fertig. „Setzen wir uns auf die Terrasse“, schlägt Haentjes vor. Nichts lieber als das. Auf dem kunstvoll gefliesten Boden, zwischen vier riesigen dorischen Säulen aus Muschelkalk, liegt einem die Elbe zu Füßen. Der Park ist terrassenförmig gestaltet. Über Steinstufen führt der Weg zu Rosen-, Barock- und Biedermeiergärten, einem Fliederhain und einem Teich mit Springbrunnen. Es ist ein Paradies – auch für Kaulquappen.

Acht Meter hohe Wände lassen die
vielen Kunstwerke zur Geltung kommen
Acht Meter hohe Wände lassen die vielen Kunstwerke zur Geltung kommen © HA | Klaus Bodig

Manchmal, erzählt Haentjes, klettern Schulkinder über die Mauern und schleppen kleine Kröten und Frösche in Wasserbehältern nach Hause. Der Hausbesitzer tut so, als bemerke er es nicht. Vielleicht weil er früher selbst ein solcher Buttje war. 1956 in Köln geboren, arbeitete der heute 60-Jährige als Postbote, studierte Musikwissenschaften, war ein Jahr als Gymnasiallehrer aktiv. Anschließend war er als Redakteur eines Fachmagazins für Musik sowie als Manager großer Musikverlage wie Wea, Warner und Teldec im Einsatz. 1986 gründete er die Firma Edel Music, die mittlerweile als das größte unabhängige Musikunternehmen Europas gilt. In diesem Moment vor dieser grandiosen Villa mit dem überragenden Elbblick steht fest: Das Leben kann Träume wahrmachen.