Hamburg. Vorwürfe der sexuellen Belästigung, aber das Konzert findet statt. Plácido Domingo und Hamburg haben eine “spezielle“ Beziehung.

Die Debatte hat nun auch Hamburg erreicht: Die Elbphilharmonie hält nach den Vorwürfen mehrerer Frauen gegen Opernstar Plácido Domingo (78) an dem Konzert im November 2019 zunächst fest. „Vorbehaltlich weiterer Entwicklungen" werde Plácido Domingo am 27. November auftreten, teilte die Elbphilharmonie mit. „Als öffentliche Institution können wir sexuelle Übergriffe weder tolerieren noch verharmlosen, sind aber in unserem Handeln auch an rechtsstaatliche Prinzipien gebunden", sagte Intendant Christoph Lieben-Seutter am Donnerstag. Für den Auftritt beständen gültige Verträge mit dem Veranstalter des Konzertes.

Der Elbphilharmonie-Termin liegt in Domingos derzeitiger Terminplanung zwischen vier Aufführungen von „Madama Butterfly“ an der New Yorker Met und vier „Nabucco“-Aufführungen in Valencia im Dezember.

Oper San Francisco sagte Domingo-Konzert ab

Nach Vorwürfen sexueller Übergriffe gegen den spanischen Opernstar hatten US-Kulturinstitutionen Konsequenzen gezogen. Die Oper in San Francisco sagte ein für den 6. Oktober geplantes Konzert ab. Das Philadelphia Orchestra zog die Einladung zum Eröffnungskonzert am 18. September zurück. Domingo hatte die Vorwürfe zurückgewiesen. „Die Anschuldigungen dieser ungenannten Personen, die bis zu dreißig Jahre zurückliegen, sind zutiefst beunruhigend und - so wie sie dargestellt werden - unzutreffend“, hatte er erklärt.

Seine Sänger-Karriere auf allen großen Opernbühnen der Welt begann Domingo, der inzwischen Bariton-Partien singt, als Tenor – und sie begann vor allem an der Hamburgischen Staatsoper.

Plácido Domingo war Publikumsliebling in Hamburg

Deren legendärer Intendant Rolf Liebermann hatte den damals blutjungen Domingo schon 1959 in New York gehört und ihn, als sich die Möglichkeit ergab, 1966 an die Dammtorstraße engagiert. Sein Debüt dort war der Cavaradossi in Puccinis „Tosca“ am 8. Januar 1967.

Domingo entwickelte sich in rasantem Tempo, auch zum Publikumsliebling. „Das war auch ein ganz entscheidender Moment in meiner Karriere“, sagte er Jahrzehnte später dem Abendblatt. „Es ist zwar schon ziemlich lange her, aber ich habe meine Hamburger Zeit nie vergessen, weil ich sie wirklich sehr genossen habe."

Im Dezember 1967 sang er hier seinen ersten Rodolfo in Puccinis „La Bohème“; auch seinen ersten Wagner, einen „Lohengrin“, seine erste Oper in deutscher Sprache, sang Domingo an der Staatsoper. 1975 wurde Domingo zum Hamburger Kammersänger ernannt, in jenem Jahr debütierte er hier auch als Otello und sagte später: „Ich glaube, so gut habe ich sonst nie in meinem Leben gesungen.“

"Aida" verlegt – wegen Domingos Besuch der Fußball-WM

Den „Otello“ dirigierte damals James Levine – jener Dirigent, der im Dezember 2017 nach Enthüllungen über angeblichen sexuellen Missbrauch von jungen Männern in die Schlagzeilen geriet. Levine und die New Yorker Met, die deswegen nach vier Jahrzehnten die Zusammenarbeit mit ihrem ehemaligen Music Director im März 2018 für beendet erklärt hatte, haben sich vor wenigen Tagen juristisch geeinigt. Über Einzelheiten dieser Einigung wurde nichts bekannt.

Während der WM 1974 wurde eigens eine „Aida“-Vorstellung in der Hamburger Oper vorverlegt, damit der Fußball-Fan Domingo rechtzeitig im Stadion sein konnte. 2007, zu seinem 40. Bühnenjubiläum, lud die damalige Generalmusikdirektorin Simone Young ihn ein, es gab konzertant den ersten „Walküre“-Akt und anschließend 15 Minuten Beifall für den Star dieses Abends. 2015 sollte er für eine Wiederaufnahme von „Simon Boccanegra“ unter Youngs musikalischer Leitung zurückkehren, sagte aber wegen einer Erkrankung seiner Schwester ab.

Für den Sommer 2017 war ein von Domingo zu dirigierendes Spektakel-„Aida“ im Volksparkstadion geplant. Es wurde nach Produktionsschwierigkeiten zunächst um ein Jahr verschoben und dann wegen Insolvenz des Veranstalters abgesagt.

Die Salzburger Festspiele wollen Domingo derzeit wie geplant am 25. und 31. August in Verdis „Luisa Miller“ singen lassen. Die Wiener Staatsoper will vorerst abwarten; Domingo ist in diesem Jahr noch für drei Auftritte in Verdis „Macbeth“ angekündigt, außerdem soll er dort am 20. Oktober im Rahmen der Europäischen Kulturpreisgala ausgezeichnet werden.