Hamburg. Dresdner Festspielorchester gastiert mit Intendanten am Cello in der Elbphilharmonie. Ein durchwachsener Abend.
Was für eine Enttäuschung. Da kommt ein Weltklassecellist in die Elbphilharmonie, Jan Vogler, im Nebenberuf Intendant der Musikfestspiele Dresden und auch sonst ein interessanter Kopf – und bietet seinem Publikum eine abendfüllende Mogelpackung.
Zugegeben, das Dresdner Festspielorchester, von Vogler ins Leben gerufen, spielt auf Instrumenten der Epoche. So geht also Originalklang?
Erst mal zum Positiven. Der Pianist Martin Stadtfeld hat eigens seinen (modernen) Steingraeber-Flügel mitgebracht, um ihn ein paar Hertz tiefer auf die historische Stimmtonhöhe stimmen zu lassen. Kompliment schon mal dafür, dass sich mal einer absetzt vom weltweiten Steinway-Einerlei.
Beethovens zweites Klavierkonzert wird denn auch zumindest interessant. Stadtfelds Tongebung unterscheidet sich hörbar von der der Kollegen, was auch daran liegen mag, dass das Stimmsystem von der sonst gängigen sogenannten wohltemperierten Stimmung abweicht. Das ergibt ungewohnte Intervallspannungen und erdige, ungemein körperliche Klänge. Obendrein erlauben es zusätzliche Züge und Hebel dem Pianisten, mit der Musik zu experimentieren.
So bleibt Stadtfeld sich treu, hatte er seinen Durchbruch doch einst mit einer höchst unorthodoxen Interpretation der bachschen Goldberg-Variationen. In der Elbphilharmonie nun lässt er die Basstöne so lange liegen, dass sich der Hörer unwillkürlich nach einer Orgel umsieht. Sehr hübsch, wie Stadtfeld am Ende des langsamen Satzes mit dem Klarinettisten Kammermusik macht. Ins Klangbild mischt er ein paar impressionistische Farben, und die Kadenzen, hausgemacht, weisen fröhlich in Richtung heutiger Unterhaltungsmusik. Das ist alles nicht historisch, aber das ist ja kein Selbstzweck. Was Stadtfeld macht, hat Handschrift.
Triller nicht mehr als Telefonklingeln
So. Das war’s jetzt leider schon mit dem Positiven. Vor der nun folgenden Sonate für Gambe und Tasteninstrument G-Dur von Bach – mutige Programmierung, so eine Sonate im Sinfoniekonzert – teilt Vogler per Mikrofon mit, er habe Darmsaiten auf sein Cello gezogen, und nun werde das Publikum mal hören, wie eine Gambe klingt. Tut es nur beileibe nicht.
Eine Darmsaite ist ein kapriziöses Ding. Wer sich ihr nicht mit der gehörigen Mischung aus Respekt und Gefühl nähert, den lässt sie abblitzen. Man könnte auch sagen, abquietschen. Von der Galanterie und Raffinesse, mit der sich ein Gambist in den Klang schmiegen und wie organisch Verzierungen sich entwickeln ließe, ist Vogler so weit entfernt wie ein Lieferwagen von einem barocken Vierspänner. Seine Triller sind nicht mehr als Telefonklingeln. Kreuzlangweilig spulen er und Stadtfeld die Sätze herunter.
Cello klingt eng und fest
Auch bei Schumanns Cellokonzert leidet man eher mit, als zu genießen. Vogler scheint die Saiten nur mit spitzen Fingern anfassen zu wollen. Sein Cello klingt eng und fest und geht in den tieferen Lagen im Orchesterklang unter. Dass Vogler nicht jeden Spitzenton erwischt, geschenkt. Doch wirkt das Ganze einfach nur angestrengt.
Und das Orchester? Schon bei Beethoven sind die Hörner dauernd zu spät gewesen, hat die Oboe so gequäkt, wie man es ihr im 19. Jahrhundert nachsagte, hat Ivor Bolton am Pult die Balance einfach nicht in den Griff bekommen. Das wird bei Schumann nicht besser, auch bei der vierten Sinfonie nicht, mit der dieser denkwürdige Abend schließt.
Gestaltungswille ist vorhanden
Dabei ist deutlich zu hören, was für hoch qualifizierte Instrumentalisten an den Pulten sitzen. Gestaltungswille ist durchaus vorhanden, manche musikalischen Gesten gehen zu Herzen.
Nur zur Erinnerung: Originalklang kann etwas umwerfend Sinnliches, Beglückendes sein. Bleibt zu hoffen, dass das Publikum sich trotz dieser Erfahrung seine Neugierde darauf bewahrt.