Hamburg. Mit Mahler, Beethoven, Prokofiew, Mozart und Bruckner setzt NDR-Chefdirigent Thomas Hengelbrock ab September auf Bewährtes.

Die Abonnements-Konzerte des NDR Elbphilharmonie Orchesters, die in einigen Wochen offiziell vorgestellt werden, bieten in der Saison 2017/18 vor allem Bekanntes und Beliebtes. In einem Ausmaß allerdings, das angesichts des so oft betonten und notwendigen Ehrgeizes des Residenzorchesters dann doch überrascht. Riskiert oder ausprobiert wird wenig. Stattdessen: viel gängiges, eingängiges Standard-Repertoire mit wenigen Ausbrechern in Randregionen, mit soliden Interpreten. Business as usual nach einer in jeder Hinsicht einzigartigen Einstands-Spielzeit im Großen Saal, die unter anderen Vorzeichen stand und nur ein Auftakt zu noch Größerem sein sollte.

Dabei geht das Orchester mit seiner Doppelspitze aus Chefdirigent Thomas Hengelbrock und Manager Achim Dobschall – dem frisch gekürten Nachfolger und Noch-Vize von Andrea Zietzsch­mann, die mit Ende der laufenden Saison als Intendantin zu den Berliner Philharmonikern wechselt – jetzt in eine nächste entscheidende Wachstumsphase. Einerseits müsste deswegen jetzt weiter Erfolgsdruck gehalten und aufgebaut werden, um den Schwung der Elbphilharmonie zu nutzen, für sich und für andere. Andererseits steht das nächste NDR-Programm für die Absicht, einen klassisch verstandenen Bildungsauftrag durchzuziehen, der eher unter- als überfordert. Der Abo-Spielplan setzt keine neuen Akzente, sondern ähnelt den Dramaturgie-Mustern, mit denen die letzte Hamburger Generalmusikdirektorin Simone Young allzu oft den Philharmoniker-Terminkalender füllte.

Auch bei den Konzert-Solisten tauchen einige vertraute Namen auf

Die Chefsachen in der nächsten Spielzeit sind unverkennbar: NDR-Chefdirigent Thomas Hengelbrock dirigiert unter anderem die ungeraden Mahler-Sinfonien Nr. 9 und 5, die in dieser Saison mit geraden Mahler-Sinfonien fehlten, dazu das Fragment der Zehnten und die „Kindertotenlieder“ mit Bariton Matthias Goerne. Mit seiner Frau, der Schauspielerin Johanna Wokalek, erarbeitet Hengelbrock Honeggers Jeanne-d’Arc-Oratorium „Johanna auf dem Scheiterhaufen“. Für ein Programm mit seinem Balthasar-Neumann-Chor bringt Hengelbrock Mozarts Requiem mit der „Trauermusik“ von Lutoslawski zusammen.

Krzysztof Urbànski, der als Erster Gastdirigent in dieser Spielzeit viel zu tun hatte, übernimmt zwei Wochen nach der „Opening Night“ am 1. September (mit Hengelbrock, dessen Rezitator-Stammgast Klaus Maria Brandauer und Beethovens „Egmont“) den Abo-Start: mit Strawinsky, Prokofiew und Schostakowitsch. Später folgen von ihm mehr Prokofiew, Rachmaninow und Dvorak. Bei den Konzert-Solisten tauchen einige vertraute Namen auf: die Pianistin Anna Vinnitskaya mit Prokofiew, der Pianist Piotr Anderszewski mit Mozart, die Geiger Gil Shaham mit Brahms sowie Frank Peter Zimmermann mit Beethoven.

Unklar, ob die NDR-„Konzerte für Hamburg“ fortgesetzt werden

Auch die Ex-Chefs des Rundfunkorchesters sind wie fast alle Jahre wieder mit dabei: Christoph Eschenbach kombiniert Schuberts Unvollendete mit Hindemiths Requiem, Herbert Blomstedt eine Mozart-Sinfonie mit Bruckners 3. Immerhin eine interessante Abweichung von dieser Spielregel: Robin Ticciati, der im Herbst den Chefposten beim DSO Berlin antritt. Der Brite dirigiert Werke von Fauré, Mozart, Franck und Ravel (Mozart-Solistin: Pianistin Maria Joao Pires). In der Kurz-und-bündig-Reihe „Klassik kompakt“ für Sonntage stehen Prokofiews „Romeo und Julia“ mit Urbànski, Schostakowitschs Erste mit Juraj Valcuha und Hengelbrock mit Beethovens „Eroica“ im Plan.

Möglicherweise ergeben sich in Zusammenarbeit mit der Elbphilharmonie im Rahmen von Themenschwerpunkten und Festival-Projekten Spezialprogramme außerhalb der Abo-Strukturen. Das wird sich zeigen, wenn Generalintendant Christoph Lieben-Seutter Anfang Mai das Gesamtprogramm präsentiert. Unklar ist derzeit auch, ob und wie sehr die außerordentlich populären, einstündigen NDR-„Konzerte für Hamburg“ fortgesetzt werden. Sie haben dem Orchester nicht nur wegen der günstigen Karten viel neues Publikum gebracht, sondern auch die Musiker-Kondition extrem belastet. Als Dauerzustand sind sie schwer vorstellbar.

Als das NDR-Orchester vor einem Jahr den Spielplan für die Premiere in der Elbphilharmonie vorstellte, lautete die Werbe-Devise „Voller Klang voraus“. Von dieser Richtung und dieser Aufbruchsstimmung hin zu einem anderen Programm-Niveau kann bei den Repertoire-Entscheidungen für die nächste NDR-Saison kaum die Rede sein.