HafenCity. Neue Geländer und besser sichtbare Stufenkanten sollen für mehr Sicherheit der Konzertbesucher sorgen.
„Wunderschöne geschwungene Treppen und glänzendes Parkett“, sagt Joél Cissarz. „Wenn sie an manchen Stellen in der Elbphilharmonie von oben nach unten schauen, sieht das aus wie eine einzige Fläche.“ Nach mehreren Stürzen, bei denen sich Konzertbesucher auch Knochenbrüche zugezogen haben, steht die Frage im Raum: Wie sicher ist Hamburgs neues Konzerthaus von Weltrang? Und Joél Cissarz hat die Problematik mit seiner Beobachtung auf den Punkt gebracht: Es geht bei der einzigartigen Architektur von Jacques Herzog und Pierre de Meuron um die Abwägung zwischen Genialität und Funktionalität. Und es geht für die Verantwortlichen um die Frage, ob aufgrund der Anzahl von verletzten Gästen jetzt mit baulichen Maßnahmen nachgebessert werden muss.
Muss die Erkennbarkeit der Stufen erhöht werden?
Reagiert haben die Konzerthaus-Manager bereits: Seit Montag ist Joél Cissarz mit seinem Einsatzdienst TEN in der Elbphilharmonie für die rettungsdienstliche Versorgung zuständig. Bislang waren in dem neuen Konzerthaus sogenannte Theaterärzte im Einsatz (das Abendblatt berichtete). Denn in den vergangenen Wochen sind die Anforderungen an die Ärzte scheinbar erheblich gestiegen.
„Aufgrund mehrerer Stürze von Besuchern haben wir uns entschlossen, die Abläufe im Rahmen sanitätsdienstlicher Einsätze rasch zu optimieren. Im Zuge dessen werden wir in der Elbphilharmonie zukünftig einen Rettungs- und Sanitätsdienst einsetzen“, begründete Sprecher Tom R. Schulz den Wechsel vom Ehrenamt zur professionellen Betreuung.
Die Optimierung der ärztlichen Versorgung ist das eine. Entscheidender jedoch ist die Frage, ob mit zusätzlichen baulichen Maßnahmen die Zahl der Zwischenfälle reduziert werden kann. „Wir haben gehört, dass es hin und wieder zu Problemen gekommen ist und stehen diesbezüglich in Kontakt mit dem Baukonzern Hochtief, Hamburg Musik und der Kulturbehörde, um die Situation im Großen Saal zu optimieren“, sagt Patrick Marcolli von Herzog & de Meuron. „Eine Lösung könnte darin liegen, die Erkennbarkeit der Stufenkanten zu erhöhen. Wir haben hierfür gestalterische Vorschläge erarbeitet, die das architektonische Ensemble nicht beeinträchtigen würden.“
Ältere Besucher sind betroffen von modernen Gegebenheiten
Auf jeden Fall besteht Handlungsbedarf. „Bis heute zählen wir rund 1,5 Millionen Gäste auf der Plaza, davon rund 250.000 Besucher in den beiden Konzertsälen“, sagt Enno Isermann von der Kulturbehörde. „In der Zeit von November bis Februar ist 41-mal ein Krankenwagen gerufen worden, davon waren acht Fehleinsätze. Von den durchgeführten Einsätzen entfallen 15 auf internistische Erkrankungen, die nichts mit dem Bau zu tun haben, und acht auf Stürze.“ Auch wenn sich an einem Ort, der so stark besucht ist wie die Elbphilharmonie, nicht vermeiden lasse, dass es auch zu Stürzen und ähnlichen Zwischenfällen kommen kann, sei man sehr bemüht, die Sicherheit weiter zu verbessern. „Daher planen wir unter anderem, die Stufen im Foyer und im Großen Saal besser zu kennzeichnen und haben bereits einige Geländer nachgerüstet.“
Ein Vorbild könnte dabei die Kölner Philharmonie gewesen sein: Handläufe zwischen den Sitzreihen sorgen in diesem Konzertsaal, der ebenfalls einem Amphitheater gleicht, für die Standfestigkeit vor allem der älteren Besucher.
Für ältere Besucher sind die vielen Treppen eine Herausforderung
Denn die sind auch in Hamburg vor allem betroffenen von den modernen Gegebenheiten. „Vielleicht kann man es so ausdrücken: Die Architektur kollidiert ein wenig mit dem Publikum“, sagt Joél Cissarz. Seine Erfahrung nach der ersten knappen Woche: Einige kleinere Vorfälle wie Stürze mit Schürfwunden oder Herz-Kreislauf-Probleme. „Gerade für ältere Besucher sind die vielen Treppen, die in den Saal führen, eine Herausforderung.“ Hinzu käme oft aber einfach auch Unachtsamkeit bei manchen Besuchern, die vielleicht auch schon vor dem Konzert oder in der Pause Alkohol konsumiert haben. TEN ist jetzt täglich mit zwei ausgebildeten Rettungs- oder auch Notfallsanitätern vor Ort. „Anderthalb Stunden vor den Konzerten und dann solange, bis der letzte Gast gegangen ist“, sagt Cissarz.
Für die Musiker ist das Gebäude dagegen eher ungefährlich. „Bis auf einige Stolperer haben wir zum Glück keine Vorfälle, keine Verletzten und keine zu Bruch gegangenen Instrumente“, sagt Orchester-Sprecher Pawel Sprawka. Für die Musiker sei der Zugang zum Saal sogar leichter als in der Laeiszhalle.