Elbphilharmonie: Besucher klagen über Toilettenmangel
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Hamburg. Wie viele Toiletten braucht das Wahrzeichen? Die Damen jedenfalls stehen jeden Abend Schlange. Aber es gibt einen Geheimtipp.
Die Elbphilharmonie um 21.20 Uhr: Im Großen Saal beginnt die Pause. Viele Zuschauer drängen sich durch die Ausgänge ins Foyer. Vor der Damentoilette auf dem linken Flügel in der 15. Etage tippeln bereits 40 Frauen vor zwei Kabinen von einem Fuß auf den anderen. Ute Szarbinowski steht als 35. in der Schlange. „Es gibt eindeutig zu wenig Toiletten“, klagt die 52-Jährige.
Die Diskussion über die unzureichende Zahl der Damentoiletten ist schon seit der Eröffnung des Konzerthauses entbrannt. Insgesamt gibt es in der Elbphilharmonie 28 Herren-WCs, 46 Urinale und 51 Damen-WCs. Gerade so viel, dass die Bauauflagen erfüllt sind.
Wie viele Toiletten es in Theatern und Konzerthäusern geben muss, schreibt die Versammlungsstättenverordnung (VStättVO) vor. Pro 1000 Publikumsplätze verlangt sie acht Herren-WCs und zwölf Urinale – aber nur zwölf Damentoiletten. Problem Nummer eins: Es gibt von vornherein weniger Örtlichkeiten für Frauen. Anscheinend wurde nicht bedacht, dass die Sitzung in einer Kabine länger dauert als am Urinal. Problem Nummer zwei: Ein Großteil der Toiletten ist für die Besucher des Großen Saals gar nicht zugänglich. Sie müssten den Konzertbereich verlassen, um auf die Plaza zu gelangen.
In der Schlange geht es nur langsam voran. Ute Szarbinowski verteidigt immer noch eisern ihren Platz. Nach 15 Minuten ertönt der erste Gong zum Pausenende. „Entweder die verlängern die Pause oder bauen mehr Toiletten“, grummelt Szarbinowski. Ein Mann nach dem anderen spaziert in das benachbarte Herren-WC, ohne auch nur eine Minute anzustehen. „An der Konstruktion war wohl keine Frau beteiligt“, scherzt ein älterer Herr und ruckelt sich die Hose zurecht. Er erntet genervte Blicke. Der Gong hallt ein zweites Mal durch die Foyers – Ute Szarbinowski und vier Leidensgenossinnen stürmen die Männertoilette.
Dezente Beschilderung der Toiletten geht unter
Das 8. Philharmonische Konzert mit dem jungen Dirigenten Lorenzo Viotti aus der Schweiz und dem preisgekrönten Julian Steckel am Violoncello ist zur Nebensache geworden. Einige Damen wechseln die Etage, in der Hoffnung, ihr Toilettenglück anderswo zu finden. Die Übrigen entscheiden sich beim Anblick der meterlangen Staus für die Kehrtwende. „Ich schwitze das aus“, sagt eine ältere Dame im schwarzen Hosenanzug.
„Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es auf einzelnen Stockwerken Schlangen geben kann“, sagt Enno Isermann, Sprecher der Kulturbehörde. Die könne man aber meistens umgehen, „indem man auf ein anderes Stockwerk ausweicht“. So einfach gestaltet es sich in der Praxis nicht. Wer zum ersten Mal ein Konzert in der Elbphilharmonie besucht, findet sich in den Foyers nur schwer zurecht. So beeindruckend und einzigartig die Architektur des Bauwerks auch ist, genauso schwer fällt es, sich in den verwinkelten und unübersichtlichen Gängen zu orientieren. Vor lauter Freude, eine der heiß begehrten Konzertkarten ergattert zu haben, kann es durchaus passieren, dass die dezente Beschilderung der Toiletten – eine stilisierte Frau im Abendkleid und ein Mann mit Krawatte – untergeht.
Etage 13 gilt als Geheimtipp
„Die Leute haben noch nicht verinnerlicht, dass es auf jeder Etage Toiletten gibt. Man muss sich nicht unbedingt in die längste Schlange stellen“, sagt Isermann. Es sei alles eine Sache des Erfahrungswertes. „Wer schon öfter da war, weiß, wo die Toiletten sind.“ Die meisten Etagen verfügen nur über zwei Sanitäranlagen mit jeweils zwei Kabinen für Damen – bis auf Etage 13, sie gilt mit mehreren Örtlichkeiten als Geheimtipp.
So viele Toiletten haben Hamburgs Theater
Laeiszhalle
Besucher-Kapazität: 2815Damentoiletten: 28Herrentoiletten: 28Besucher pro Toilette: 50,27
Elbphilharmonie
Besucher-Kapazität: 2650Damentoiletten: 51Herrentoiletten: 74Besucher pro Toilette: 21,2
Staatsoper
Besucher-Kapazität: 1668Damentoiletten: 28Herrentoiletten: 38Besucher pro Toilette: 25,27
Operettenhaus
Besucher-Kapazität: 1250Damentoiletten: 21Herrentoiletten: 28Besucher pro Toilette: 25,51
Schauspielhaus
Besucher-Kapazität: 1200Damentoiletten: 16Herrentoiletten: 22Besucher pro Toilette: 31,58
Thalia Theater
Besucher-Kapazität: 1000Damentoiletten: 24Herrentoiletten: 18Besucher pro Toilette: 23,81
Ohnsorg Theater
Besucher-Kapazität: 481Damentoiletten: 10Herrentoiletten: 14Besucher pro Toilette: 20,04
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Dass Frauen vor öffentlichen Toiletten Schlange stehen, ist ein allseits bekanntes Problem. Haben also auch andere Theater und Konzerthäuser in Hamburg mit dem Toilettenstau zu kämpfen? Oder ist es ein Phänomen, das nur in der Elbphilharmonie auftritt? Die Laeiszhalle, die mit einer Gesamtkapazität von 2815 Sitzplätzen am wenigsten Toiletten pro Besucher zur Verfügung stellt, registriert ähnliche Klagen. Pressesprecher Tom R. Schulz weist allerdings darauf hin, dass es dieses Problem in vielen öffentlichen Gebäuden gebe. Das Thalia Theater reagierte 2002 mit dem Bau zusätzlicher Damen-WCs. Eine Aufstockung der Toilettenzahl zieht die Elbphilharmonie, deren Bau fast ein Jahrzehnt gedauert und 866 Millionen Euro verschlungen hat, nicht in Betracht. „Bei diesem Gebäude ist es nicht ganz einfach, alles unterzubringen, weil die Grundfläche vorgegeben ist“, sagt Isermann. Mit anderen Worten: Der Architektur zuliebe wurde an Damentoiletten gespart.
Dirigent Lorenzo Viotti verbeugt sich. Der letzte Ton ist kaum verklungen, da stürmen etliche Zuschauer schon zu den Ausgängen. Auf lange Schlangen vor den Fahrstühlen, an der Garderobe und im Parkhaus haben die Besucher nämlich auch keine Lust.
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