Hamburg. Das erste Pop-Konzert im Großen Saal mit Musiker Tim Bendzko zeigt, dass ein verstärkter Klang dort durchaus ein Drahtseilakt ist.

Kann die Elbphilharmonie Pop? Nach dem ersten Pop-Konzert im Großen Saal mit Musiker Tim Bendzko und Band lautet die Antwort: bedingt. Wer Popmusik nicht nur als "populäre Musik" definiert, sondern auch über ihren Effekt, über das englische "to pop", also über das Knallen, über das Wow und den Wumms, der muss im neuen Bau Abstriche machen. Der Rundum-Sound im 360-Grad-bestuhlten Kessel lässt die ganz und gar effektvolle, mit Boxen verstärkte Frontalbeschallung wie in herkömmlichen Clubs und Arenen nicht zu.

Wie sehr der Große Saal auf unverstärkte Musik ausgelegt ist, dass ließ sich an diesem Freitagabend zu Beginn äußerst eindrucksvoll hören. Denn der Radiosender N-Joy kombiniert (und für diesen Ansatz gebührt großes Lob) mit seiner neuen Late-Night-Reihe in der Elbphilharmonie Klassik und Pop. Und so machte das NDR Elbphilharmonie Orchester den Anfang mit Beethovens Fünfter Sinfonie und George Gershwins Cuban Ouverture. Wie detailliert und pompös und beglückend die Instrumente da einzeln und miteinander zu hören waren! Mezzosopranistin J'Nai Bridges tastete sich bei Songs wie "I Got Rhythm" schon deutlich an den mit Mikrofon unterstützten Gesang heran, konnte aber letztlich ihre Stimme mit und über dem Orchester erstrahlen lassen.

Instrumente schienen sich zu überlappen

Bendzko startete seinen Auftritt samt zehnköpfiger Band dann nach einer Dreiviertelstunde Umbaupause mit der Nummer "Leichtsinn" - eine dicht arrangierte Hymne, die mit E-Gitarre und Streicher bis zu Schlagzeug und Piano auf schönste Pop-Überwältigung setzt. Bendzkos Stimme hallte anfangs stark nach und drohte im satten Bandsound unterzugehen. Die Instrumente wiederum schienen sich mitunter zu überlappen und fortzuwehen im hohen Raum. Hut ab vor Band und Mischer, dass sie den Klang von Lied zu Lied immer feiner zu justieren wussten, bis im Laufe des Konzerts wirklich jedes Instrument, jede Stimme seinen Platz fand.

Es bleibt der Eindruck: Reduziertere Stücke und Balladen wie "Immer noch Mensch" und "Reparieren" funktionierten besser. Das war dann wie Pop unterm Mikroskop und jedes Element ertönte wunderbar deutlich. Und wenn das Publikum dann noch mitsang, offenbarte sich ein bewegender Surround-Chor-Effekt. Die Songs mit mehr Volumen wiederum konnten auch toll klingen, waren aber wesentlich mehr Drahtseilakt. Und es fehlte eben das letzte Quentchen frontaler Wumms. Fazit und Prognose: Die Elbphilharmonie wird den Pop nicht neu erfinden. Aber: Muss sie ja auch nicht.

Tanz zwischen den Stuhlreihen

Und da war dann ja noch der Aspekt des Abends, der Pop wie "populär" definiert: Wie die N-Joy-Moderatoren Andreas Kuhlage und Jens Hardeland da bis 1 Uhr nachts hemdsärmelig durch das Programm führten, das hatte was. Da wurde mal eben geklärt, wer im Orchester die coolste Instrumentengruppe ist (die Schlagzeuger) und eine La-Ola-Welle durch das Rund initiiert. Geschwenkte Handylichter, Zugabe-Rufe für Dirigent Thomas Hengelbrock und Tanz zwischen Stuhlreihen - das war eine Premiere in der Elbphilharmonie. Ja, doch: Hat Spaß gemacht.