Hamburg. 2006: Die Elbphilharmonie – vom Jahrhundertprojekt zum Albtraum und wieder zurück.
Das Treffen am 28. Juni 2006 im Bürgermeisteramtszimmer, „Bazi“ genannt, im Rathaus stellt alles auf den Kopf. Es geht darum, dass plötzlich nicht mehr ein privater Investor das Risiko des Hotelbaus in der Elbphilharmonie übernimmt – sondern die Stadt. Hartmut Wegener, Chef der Realisierungsgesellschaft (ReGe), die das Projekt für die Stadt umsetzt, legt das neue Konzept vor. Vor allem der Kostenvorteil des „Forfaitierungsmodells“ (bessere Kreditkonditionen) ist verlockend.
Kontroverse Diskussionen unter den sieben Teilnehmern gibt es nicht. Kultursenatorin Karin von Welck verlässt sich auf „diejenigen, die etwas davon verstehen“. Und die sind der Überzeugung, dass es eine wirklich gute Idee ist. Die vorgetragenen Argumente sind offenbar so überzeugend, dass nicht lange über Risiken diskutiert wird. Abgestimmt wird nicht. Am Ende sagt Bürgermeister Ole von Beust, dass man es so mache. Der Senatsbeschluss vom 20. Januar 2005, das Investorenmodell zu verfolgen, ist damit zwar nicht formell aufgehoben. Aber faktisch wird er an diesem Tag beerdigt – quasi aus dem „Bazi“-Fenster geworfen.
Protokoll der Sitzung existiert nicht
Bezeichnend: Ein Protokoll dieser Sitzung existiert nicht. Beust sagt später: „Die Realisierung des Projekts stand vor ordnungspolitischer Geradlinigkeit. Wir wollten den praktischen Weg gehen, um das Gesamtprojekt fertigzukriegen. Und vermutlich habe ich selber auch einen ordnungspolitischen Sündenfall in Kauf genommen mit dem Ziel, das Projekt … fertigzustellen.“ Dazwischen fügt er an: „... ist natürlich nicht vernünftig, ist ja anders gelaufen …“
Wegener schickt um kurz nach 16 Uhr ein Fax an die beiden Bieter: „Nach heutiger Abstimmung mit dem Ersten Bürgermeister kann ich Ihnen das Ergebnis der Grundsatzentscheidung hinsichtlich der Modellfindung für das Projekt Elbphilharmonie mitteilen. Es soll das Forfaitierungsmodell in Kombination mit FM-Leistungen weiterverfolgt werden.“ Das bedeutet, dass die Stadt das Hotel (für 20 Jahre), Parkhaus und Gastronomie an ein Unternehmen verpachtet. Anschließend soll es verkauft werden. Fünf Sterne auf Staatskosten.
Interaktiv: Im Flug die Elbphilharmonie erobern
Nun trägt die Stadt plötzlich das Investorenrisiko. Sämtliche zukünftigen Kostensteigerungen für den kommerziellen Mantel werden zulasten der Steuerzahler gehen. Aber davon will an diesem Tag niemand etwas wissen. Die Kalkulation lautet erst einmal: Mit den laufenden Pachteinnahmen (Hotel) sollen die Zinsen für einen 130-Millionen-Euro-Kredit bedient werden.
Nach 20 Jahren will die Stadt das Hotel verkaufen. Mit dem Verkaufserlös soll der Kredit bezahlt werden. Eine höchst spekulative Sache. Man muss einen Käufer finden, der nach 20 Jahren mindestens 130 Millionen Euro bezahlt.
Gutachten wird rückdatiert und verändert
Dass dies realistisch sein soll, hat die ReGe sogar schriftlich. Es steht in einem Gutachten von PKF Hotelexperts. Das Unternehmen bezeichnet sich als „internationalen Marktführer im Hotel-Consulting“. Die Sache hat dennoch einen Haken: Das Gutachten wird rückdatiert und verändert.
Der PUA, der Parlamentarische Untersuchungsausschuss, der sich Jahre später damit befasst, wird „eine intensive Zensur“ des Gutachtens feststellen. „Sämtliche kritische Urteile wurden gestrichen und dadurch das gesamte Gutachten dahin gehend verändert, eine positive Bewertung zu liefern.“ Bei den handschriftlichen Korrekturen, so steht es im Entwurf des PUA-Berichts, handelt es sich „mit hoher Wahrscheinlichkeit um die Schrift Wegeners“.
Dazu muss man wissen: Es gibt die Ur-, die Entwurfsversion und schließlich die Endfassung des Gutachtens. Und in der von der ReGe korrigierten Endfassung steht das genaue Gegenteil der Urversion. Beispiel: Aus der Warnung vor einem „überhitzten Markt“ (Urversion) wird erst eine „offene Entwicklung“ (Entwurfsversion) und schließlich eine „tragfähige wirtschaftliche Basis“ (Endfassung). Damit nicht genug: Das Gutachten wurde auch rückdatiert. „Datum wichtig, es muss vor Senat liegen!“, so ein Hinweis in den ReGe-Akten.
Die Festreden zur Plaza-Eröffnung:
Die Stadt wird also zum Investor für ein Luxushotel und trägt das finanzielle Risiko. Diese Entscheidung wird am Parlament vorbei getroffen. Als Grundlage muss ein manipuliertes Gutachten herhalten, das rückdatiert wurde. Denn der Senat kennt es zum Zeitpunkt seiner Entscheidung gar nicht. Das Projekt Elbphilharmonie hat seine Unschuld verloren.
Während die Stadt klammheimlich zum Hotel-Investor geworden ist und die Architekten wegen der unfertigen Planung dringend vor einer Ausschreibung warnen, machen die zukünftigen Nutzer immer weitere Vorschläge. In einem Schreiben der Kulturbehörde an die ReGe vom 27. Juni wird folgende Wunschliste formuliert: Integration einer Cafeteria, geänderte Raumaufteilung im Backstagebereich und im Bereich Verwaltung, Integration eines dritten Saals, Vergrößerung Ticketing-Bereich. Da sind es gerade mal noch zehn Wochen bis zum Vergabeschluss.
Generalintendant sorgt für Ärger
Auch der Generalintendant für Elbphilharmonie und Laeiszhalle, Christoph Lieben-Seutter, sorgt für Ärger: Bei einer Podiumsdiskussion antwortet er auf die Frage, was ihm hier fehle: „Ein Eins-a-Orchester. Das NDR Sinfonieorchester finde ich wunderbar, aber in Berlin oder München sieht’s besser aus.“ Ein Eins-a-Fauxpas, die Orchester hier nehmen es ihm unisono übel.
Am 7. September 2006 warnen die beiden verbliebenen Bieter ein letztes Mal vor der zu frühen Ausschreibung. Sie haben eine Menge Gründe, aufgelistet in einem Prüfschreiben von Hochtief: Bei der Tragwerksplanung liegen die statischen Berechnungen nicht vor. Es sei noch nicht einmal gesichert, dass es überhaupt möglich sei, die geformten Glaselemente in der Fassade herzustellen. Bei der TGA-Planung (Heizung, Lüftung, Elektrik, Licht) liegen die Entwurfsunterlagen nicht vor. Und laut Brandschutzgutachten ist über dem Großen Saal eine Sprinkleranlange erforderlich – aber in der Planung nicht berücksichtigt.
Deutlicher Hinweis auf unvollständige Planung
Das Bauunternehmen Strabag moniert vor allem die Fassade: „Die Verglasung ist durch keinen Glasproduzenten in ihren multifunktionalen Anforderungen bestätigt. Weiterhin war kein Hersteller in der Lage, uns bis zum heutigen Tage Preise für unsere Angebotsbearbeitung zu benennen.“ Insgesamt haben die beiden Bieter noch 239 (!) Fragen an die ReGe. Einen deutlicheren Hinweis auf eine unvollständige Planung gibt es nicht.
Doch es bleibt beim vereinbarten Stichtag: Am 15. September 2006 bis 12 Uhr müssen die „letztverbindlichen Angebote“ abgegeben sein. Bei Hochtief in Bramfeld haben die Mitarbeiter bis nachts um 3 Uhr Unterlagen zusammengestellt. Fünf Aktenordner passen gerade in einen Umzugskarton. Es werden zwei Versionen in zwei Kartons gepackt und zwei Fahrer zur ReGe geschickt. Die hat ihren Sitz im Harburger Binnenhafen.
2000 Euro pro Quadratmeter
Ein Hochtief-Fahrer nimmt den Weg über die Elbbrücken, einer durch den Elbtunnel. Gegen 11 Uhr treffen beide ein, eine Stunde vor Ablauf der Angebotsfrist. Das Angebot von Deutschlands größtem Baukonzern beläuft sich auf 274 Millionen Euro Baukosten, inklusive Hotel. Die Summe entspricht rund 2000 Euro pro Quadratmeter. Mancher denkt: Das ist aber sportlich. Dafür kann man keine Eigentumswohnung bauen.
Die Strabag schickt der ReGe keine Kartons, sondern einen Brief mit einer Vergaberüge. Darin beanstandet Geschäftsführer Stefan Mühling die Leistungsbeschreibung. Sie sei keine kalkulatorisch hinreichende Basis für eine Angebotsabgabe. Deswegen müsse man „nicht unerhebliche Risikozuschläge vornehmen“. Sofort wird bei der Strabag angerufen. Wie hoch sei der Risikozuschlag? „100 Millionen Euro“, antwortet Mühling.
Vergabeverbot für die Elbphilharmonie
Aufgrund dieses Strabag-Schreibens verhängt die Stadtentwicklungsbehörde ein Vergabeverbot für die Elbphilharmonie. Jetzt hat die Stadt ein echtes Problem: was nun? Drei Alternativen werden diskutiert. A: Gespräche mit Hochtief aufnehmen mit dem Ziel, den Angebotspreis erheblich zu senken – und zudem die Vergaberüge zurückweisen. B: Der Vergaberüge stattgeben, Gespräche mit beiden Bietern aufnehmen, die Planung vertiefen. C: Das Verfahren aufheben und Wiederaufnahme der Gespräche mit fünf Bietern.
Die Vergabeexpertin Ute Jasper berät die ReGe. Ihr Stundenlohn: zwischen 240 und 300 Euro. Sie rät zu Lösung C. „Liebe Leute, sollen wir nicht den Wettbewerb noch einmal aufmachen? Lasst uns die Frankonia noch mal reinholen.“ Das, was wirklich Geld bringe, sei ein Wettbewerb möglichst bis zum Schluss. „Das ist das Einzige, was wirklich Druck aufbaut.“ Man hört nicht auf sie.
Wegener legt drei Alternativen vor
Beim Bürgermeistergespräch am 29. September legt Wegener die drei Alternativen vor. Das Hochtief-Angebot wird als nicht wirtschaftlich eingeschätzt. Aber: ReGe und Architekten halten eine Reduzierung um 40 bis 44 Millionen Euro für möglich. Die ist auch deshalb unerlässlich, weil ReGe-Chef Wegener den Bürgermeister informiert: „Aus den zu hohen Baukosten ergibt sich ein negatives Delta von Pachteinnahmen aus der Mantelbebauung zum Zinsdienst, wodurch negative Quersubventionierung entsteht. Damit ist das Gebot unwirtschaftlich.“ Das heißt: Die Stadt würde mit dem Hotelgeschäft nicht etwa ein Plus machen, sondern kräftig draufzahlen. Und die Bezuschussung des Baus eines Luxushotels mit öffentlichen Mitteln ist natürlich hoch problematisch.
Die zwingende schriftliche Vorgabe der Senatskanzlei für die Nachverhandlungen lautet daher: „In jedem Fall ist die Wirtschaftlichkeit herzustellen, damit Pachteinnahmen und Zinszahlungen im Gleichgewicht sind. Es darf zu keiner negativen Quersubventionierung kommen. Die Kosten sind um ca. 20 Millionen Euro zu senken.“
Auseinandersetzungen mit beiden Bietern
Was die Entscheidung der Stadt, mit Hochtief weiterzuverhandeln, auch beeinflusst: IQ2 droht schriftlich, die Entscheidung rechtlich anzugreifen, wenn das Verfahren nicht allein mit ihnen fortgeführt werde. Ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof könne sich „durchaus auf etwa zwei Jahre erstrecken“, innerhalb dieses Zeitraums „wäre die Realisierung des Projekts ausgeschlossen“. Am 25. September be- kommt die ReGe von Hochtief Post: „Hochtiefvorstand Dr. Abel hat in einem Gespräch mit dem Projektkoordinator erklärt, dass man den Zuschlag erwarte und nicht bereit sei, eine Vereinbarung über die Fortsetzung des Vergabeverfahrens mit Strabag abzuschließen.“
Nun drohen der Stadt also juristische Auseinandersetzungen mit beiden Bietern. Damit nicht genug. Am selben Tag erreicht die ReGe ein Schreiben von Professor Jürgen Grabe von der TU Harburg. Darin äußert er sich zur Tragfähigkeit der 1111 Gründungspfähle des Kaispeichers und beschreibt einen Fall, in dem die geplante „Lasterhöhung, die unserer Kenntnis nach ca. 40 Prozent betragen soll, für einen Großteil der Pfähle auf der unsicheren Seite“ wäre. Sind die elbphilharmonischen Träume buchstäblich auf Sand gebaut?
Einsparungen von rund 40 Millionen Euro
Der 30. September 2006 ist Starttermin für die Nachverhandlungsgespräche mit ReGe, Hochtief und Architekten. Es geht um Einsparungen von rund 40 Millionen Euro. Viel Zeit bleibt nicht. Es werden Arbeitskreise gebildet. Hochtief schlägt vor, die mehr als 1000 unterschiedlichen Bedruckungsmotive für die Fenster auf 100 zu reduzieren. Und einen Teil der gewölbten durch plane Fenster zu ersetzen.
Vier Wochen später legt Hochtief ein Angebot über 257 Millionen Euro vor. Die Szenografie aber, also die gesamte Bühnentechnik, ist darin nicht enthalten. Dabei liegen der ReGe für die Szenografie bereits seit 2005 drei Kostenschätzungen von Fachplanern vor. Sie belaufen sich auf 11,5, auf 12,7 und auf zehn Millionen Euro. Trotz dieser konkreten Zahlen wird daraus eine Budgetposition – in Höhe von nur sieben Millionen Euro. Warum dieses Verwirrspiel? Ganz einfach: Der Angebotspreis musste gesenkt werden, zumindest auf dem Papier. Wegener gibt die Weisung, „zu überprüfen, ob das so hoch sein muss“ – das Budget wird daraufhin gesenkt. Wegener räumt später ein: „Eine Fehleinschätzung von mir.“
In einer E-Mail mit Anhang fordert Kulturbehörden-Mitarbeiter Jochen Margedant am 6. November umfangreiche Umgestaltungen, die auch auf Wünschen des neuen Intendanten beruhten. Am wichtigsten: Ein Chorprobenraum (3. Saal) für 100 Sänger, 175 Quadratmeter, 6,5 Meter hoch, im 3. und 4. OG. Es ist immer noch Wünsch-dir-was-Phase. Dabei ist die Ausschreibung längst abgeschlossen. Kulturbehörde und ReGe ist klar, dass die neuen Wünsche erst nach Abschluss des Vergabeverfahrens in die Planung kommen können. Und dass es teuer werden würde.
360-Grad-Rundgang durch die Elbphilharmonie:
Wie teuer? Während der Projektsteuerer Assmann die Rohbaukosten auf etwa 200.000 Euro beziffert und die Kulturbehörde wegen dieser „hoch erfreulichen“ Schätzung die ReGe auffordert, den 3. Saal umzusetzen, heißt es bei Hochtief: Die Mehrkosten für den 3. Saal durch Hunderte von Umplanungen belaufen sich auf einen knapp zweistelligen Millionenbetrag.
Die Hamburger ahnen von all dem nichts. Es wird gefeiert – mit 800 Gästen im Rathaus. Die Stiftung Elbphilharmonie hat innerhalb eines Jahres 64 Millionen Euro eingesammelt. Jubellaune beim Bürgermeister am 14. November. Von Beust sagt: „Die Hamburgerinnen und Hamburger haben deutlich gezeigt, wie wichtig ihnen dieses Leuchtturmprojekt ist.“ Es gibt eine Torte mit Zuckeraufsatz in Elbphilharmonie-Form.
Aufhebung der Vergaberüge
Drei Tage später schreibt von Beust an Strabag-Chef Hans Peter Haselsteiner. Er bietet ein Treffen und eine gütliche Einigung an. Es wird gemauschelt. Um die Vergaberüge aus der Welt zu kriegen, wird angeboten, an Strabag Aufträge zu vergeben, um eine Zahlung von drei Millionen Euro zu vermeiden. Am 24. November legt Hochtief sein endgültiges Angebot vor: 241 Millionen Euro. Für die Stadt kommen weitere Kosten hinzu: Die Architekten haben bereits 18 Millionen Euro für Planungsstufe 1 und 2 erhalten, jetzt folgen elf Millionen für die 3. Stufe. Ferner fallen 41,1 Millionen Euro „Nebenkosten“ (vor allem für die ReGe, deren Berater und Gutachter) an, sodass die Gesamtbaukosten Ende 2006 bei knapp 300 Millionen Euro liegen.
Am 28. November einigt sich die Stadt mit Strabag über die Aufhebung der Vergaberüge. Das Unternehmen erhält für entstandene Kosten drei Millionen Euro – oder Aufträge, die den Betrag schrumpfen lassen. Wegener hat Haselsteiner in Wien besucht. Der Strabag-Chef schreibt später an die ReGe: „Hiermit bestätige ich Ihnen, dass die zwischen uns vereinbarte Vorkostenabgeltung gemäß Vereinbarung vom 28.11.2006 von 3 Mio. Euro auf 2,7 Mio. Euro reduziert wird, sobald der Strabag der Auftrag ,Flughafen Hamburg‘ erteilt wird.“
Elbphilharmonie-Eröffnung: So funktioniert der Livestream
Noch fünf Tage bis zur Vertragsunterzeichnung. Plötzlich droht alles mit einem Riesenknall zu scheitern. Was ist los? In zwei Schreiben weisen die Architekten auf Widersprüche in den Terminplänen hin und warnen vor Unterzeichnung der Verträge. Wegener schäumt. Auf den Brief vom 13. Dezember notiert er: „Dieses Schreiben wird von mir nicht angenommen. Ich verweise darauf, dass Sie als unsere Auftragnehmer sich an die vertraglich vereinbarten und in der Bauherrenbesprechung vereinbarten Termine zu halten haben!“ Dann schickt er es zurück.
Das Problem ist damit nicht verschwunden. Im Gegenteil. In einer E-Mail am 16. Dezember unterrichtet Jochen Margedant Staatsrat Gottschalck über den massiven Konflikt: Die Terminpläne sind nicht aufeinander abgestimmt. Es gibt einen grundlegenden Streit zwischen Hochtief und Architekten: Wann müssen diese zur Bauausführung benötigten Pläne von den Architekten geliefert werden, damit der Baukonzern den Bauzeitenplan einhalten kann? Im Grunde ist es einfach: Solange die Pläne nicht abgestimmt sind, arbeiten Architekten und Konzern aneinander vorbei. Und können die Schuld am Bauverzug auf den anderen abwälzen.
Architekten werden in die Pflicht genommen
Margedant schreibt, dass die 1050 (!) Vorlagetermine von Hochtief aus Sicht der Architekten nicht zu schaffen sind, weil sie „nicht schneller Pläne zeichnen können“. Was nun? „Hochtief hat deutlich gemacht, dass der Konzern den Vertrag nicht abschließen bzw. nur einen Vertrag ohne Bauzeitenplan (d. h. ohne feste Termine) unterschreiben würde.“ Eine Katastrophe.
Wegener entscheidet, dass die Terminpläne von Hochtief „dem Vertragswerk zugrunde gelegt werden“, wie Margedant schreibt. Mit anderen Worten: Er nimmt die Architekten in die Pflicht. Sie sollen gefälligst schneller zeichnen. ReGe-Anwalt Sebastian Saitzek schildert Wegeners Devise in diesen dramatischen Stunden folgendermaßen: „Wir machen es trotzdem, und wir werden uns schon einig im Sinne eines guten Kaufmanns. Das regeln wir dann schon ...“
Wegen der nicht synchronisierten Terminpläne kommt es zu einer lautstarken Auseinandersetzung. „Sie dürfen diese Verträge nicht unterschreiben, solange die Terminpläne nicht synchronisiert sind“, warnt Heribert Leutner seinen Chef vor versammelter Mannschaft. Daraufhin gibt Wegener ihm den Auftrag, die Synchronisation bis März zu erledigen. Das wird nicht gelingen. Doch die Verträge, die werden am 18. Dezember 2006 in dem Notariat an der Palmaille unterzeichnet.
Und einen Tag später beschließt der Senat ganz offiziell, die Elbphilharmonie für 241 Millionen Euro bauen zu lassen. Die Kosten für den Steuerzahler: 114 Millionen Euro. Die Bauzeit soll 36 Monate betragen, von April 2007 bis März 2010.
Dieser Text ist eine aktualisierte Fassung
unseres großen Abendblatt-Dossiers von 2013.