Hamburg. Die Elbphilharmonie – vom Jahrhundertprojekt zum Albtraum und wieder zurück. Teil 1 der neuen Serie: 2000–2001. So fing alles an.
Der 18. Dezember 2006 ist ein typischer Hamburger Wintertag. Nach leichtem Nachtfrost kämpft sich das Thermometer knapp über die Null-Grad-Grenze, kaum Sonne. Die elf Personen, die an jenem Montag um 9 Uhr morgens zum Teil in dunklen Limousinen an der Palmaille vorfahren, interessiert das Wetter nicht. Die meisten werden das Gebäude erst wieder bei Dunkelheit verlassen. Ihr Ziel ist das Notariat an der Palmaille. Top-Adresse, ein denkmalgeschütztes Bürgerhaus, Ende 18. Jahrhundert, schlichter Backstein, schick saniert – wie passend. Denn darum geht es heute: aus einem alten Backsteinklotz etwas Neues zu entwickeln. Die Elbphilharmonie.
Hamburg baut sich ein Konzerthaus, wie es die Welt noch nicht gesehen hat. Ein Jahrhundertprojekt, ein Wahrzeichen für die Stadt. Man kann auch sagen: Sie begibt sich in ein Abenteuer. Ein Drama, das mehr als einmal skandalöse Züge annehmen wird. Die elf Personen ahnen davon noch nichts. Sie kommen in das Notariat, um Stadtgeschichte zu schreiben. Oder erst einmal den Vertrag dazu.
Ein nüchternes Besprechungszimmer im 1. Stock, 35 Quadratmeter, durch die Fenster geht der Blick Richtung Elbe. Um den Konferenztisch nehmen Platz: Kulturstaatsrat Detlef Gottschalck und der vom Senat zum Projektkoordinator ernannte Hartmut Wegener als Vertreter der Freien und Hansestadt Hamburg, Dieter Peters und Paul-Gerhard Tamminga sind für die städtische Realisierungsgesellschaft ReGe dabei. Thomas Möller und Martin Kalkmann vom Baukonzern Hochtief, Jürgen Moor und Martin Meißner von der Commerzbank, Christoph Bachem und Bernd Altena repräsentieren die Zweckgesellschaft Adamanta, die als Tochter von Hochtief und Commerzbank als eigentlicher Vertragspartner der Stadt fungiert. Außerdem anwesend ist Frank Bohlander von der Immobilienfirma Skyliving, einer Tochter von Hochtief und der Quantum Immobilien AG. Sie will 45 Luxuswohnungen in der Elbphilharmonie errichten. Und wird Jahre später darauf bestehen, dass sie in allen veröffentlichten Verträgen nicht vorkommt. Alle entsprechenden Passagen werden geschwärzt.
Fast zwölf Stunden lang verliest der Notar Verträge
Im Raum: sieben Verträge, Hunderte, mit den Anlagen mehrere Tausend Seiten. Rund 40 Ordner sind überall im Zimmer verteilt, auf Tischen, Stühlen und auf dem Fußboden, denn der komplette Vertrag muss laut Notarverordnung „physisch“ anwesend sein. Notar Jürgen Burmester liest und liest und liest, Stunde um Stunde. Zum Beispiel aus dem Rahmenvertrag: „Der große Konzertsaal muss bis spätestens zum in §9 Ziffer 2 festgesetzten Termin einspielbereit fertiggestellt sein.“ In der Anlage heißt es: „Fertigstellung Gesamtgebäude zur Abnahme 01.03.2010“.
Burmester liest weiter. Zeitweise übergibt er an einen Kollegen. Die Stimme. „Der Auftragnehmer erhält … eine Vergütung als Pauschalfestpreis...“ Doch die 241,3 Millionen Euro, die allein Hochtief erhalten soll, sind weder pauschal noch fest. Immer wieder werden Pausen eingelegt. Kaffee, Gebäck. Damit niemand einnickt. Mehrfach protestieren Beteiligte, weil ihnen spontane Änderungen nicht passen. Es wird unterbrochen, mit dem Chef telefoniert, ein Okay eingeholt. Doch dann, nach fast zwölf Stunden, gegen 21 Uhr, ist das Werk vollbracht. Alles unterschrieben. Die Erleichterung ist spürbar, der Notar reicht Champagner. „Auf die Elbphilharmonie!“ Alle, die noch etwas Kraft haben oder wieder Kraft tanken wollen, ziehen weiter in ein Restaurant. Am Ende eines Tages, der Hamburg verändern wird, belohnen sie sich mit einem warmen Mahl.
Dunkelheit liegt über der Stadt, der Frost kehrt zurück.
Gut ein halbes Jahrzehnt vor diesem Notartermin beginnt die Vorgeschichte der Elbphilharmonie. In Wahrheit sind es sogar zwei Geschichten, die zunächst nichts miteinander zu tun haben und sich erst 2001 begegnen werden. Die eine handelt von Musik, von Kultur, vom Streben nach künstlerischer Vollendung. Die andere handelt von Immobilien, Grundstücken, kurz: von Geld.
Fast alle haben eine Fläche im Visier: den Kaispeicher A.
Um die Jahrtausendwende nehmen in Hamburg die Pläne für die HafenCity Gestalt an, die Bürgermeister Henning Voscherau 1997 angeschoben hatte. Die Hansestadt entwickelt den enormen Ehrgeiz, das „größte Stadtentwicklungsprojekt Europas“ auf die Beine zu stellen. Eine gigantische Spielwiese für Projektentwickler, Investoren und Architekten aus aller Welt. Und fast alle haben eine Fläche im Visier: den Kaispeicher A.
Es geht um eine asymmetrisch dreieckige Landzunge in der Elbe, an drei Seiten von Wasser umflossen, mitten in der Stadt, unverbaubarer Hafenblick. Ein Filetgrundstück. Doch darauf steht noch ein architektonisches Relikt der 1960er-Jahre: eben der Kaispeicher A. Sein Vorläufer war der 1875 in Betrieb genommene Kaiserspeicher. In den Bombennächten 1943 schwer beschädigt, wurde der nach dem Krieg abgerissen und durch einen Backsteinquader ersetzt: Die Südseite, die längste Front, ist 125 Meter lang. Entworfen vom Hamburger Architekten Werner Kallmorgen, der auch Kultureinrichtungen gestaltet hatte, Opernhäuser in Kiel und Hannover etwa, und den Wiederaufbau des Thalia Theaters. Sein 1966 eingeweihter Kaispeicher, ein Lager für Sack- und Stückgut, ist um die Jahrtausendwende nur noch Fassade. Vom Containerboom zum Leerstand verdammt steht er am Elbufer.
Der im Jahr 2000 vom Senat erstellte Masterplan HafenCity sieht hier eine kulturelle Nutzung vor, doch das ändert sich nun. Das Grundstück wird einer Investorengruppe um den Projektentwickler Ludger Inholte „anhand gegeben“. Die Investoren planen am Standort des Kaispeichers den Media City Port (MCP), einen 100 Meter hohen Büro-Glasturm, der aus dem Speicher herauswächst und oben wie ein Segel nach vorn abknickt. Investitionsvolumen: 150 Millionen Euro. Zum Architektenwettbewerb wird auch das Büro Herzog & de Meuron (HdM) aus Basel eingeladen. Die Schweizer verzichten dankend. „Die lehnen 97 Prozent aller weltweiten Anfragen ab und nehmen nur Projekte, bei denen sie einen gewissen Gestaltungsspielraum haben“, sagt ein Insider. Mit dieser Haltung wird Hamburg noch spezielle Erfahrungen machen.
Nicht genügend Mietinteressenten
Sieger des Wettbewerbs ist das holländische Büro Benthem Crouwel. Doch trotz intensiver Bemühungen finden sich nicht genügend Mietinteressenten für diese Geschäftsimmobilie – die Medienkrise und das Platzen der New-Economy-Blase werden die Träume 2003 endgültig stoppen.
Nur wenige Kilometer Luftlinie entfernt, am Johannes-Brahms-Platz, spielt die zweite Geschichte. Dort dümpelt die Musikhalle programmatisch vor sich hin. Zwar ein architektonisches und akustisches Schmuckstück, das die Reederfamilie Laeisz 1908 der Stadt geschenkt hatte; 2005 wird sie in Laeiszhalle umbenannt. Aber der Große Saal ist mit 400 Veranstaltungen pro Jahr strukturell überlastet und stößt bei großen Orchesterbesetzungen baulich und akustisch an seine Grenzen. Musiker müssen sich mitunter auf den Gängen umziehen. Orchestermanager Rolf Beck erzählt gern die Geschichte, wie bei einer Probe des NDR Sinfonieorchesters die Polizei auf die Bühne kam und auf die Freihaltung der Fluchtwege hinwies. Auch inhaltlich hat die Musikhalle keine Möglichkeit, das Konzertangebot zu beleben. Sie ist nur eine Mietbühne, jeder kann sie für seine Auftritte buchen, Schulorchester ebenso wie Weltstars.
Ihr Geschäftsführer Benedikt Stampa ist entschlossen, das zu ändern. Er ist erst knapp über 30, aber eine Persönlichkeit von Format: baumhoch, eloquent, selbstbewusst. Und er weiß, was er will: eine neue, zweite Halle. Mit der Kapitalanlagegesellschaft Difa, Eigentümer des Unilever-Hochhauses neben der Musikhalle, entwickelt er Pläne für einen Konzerthaus-Neubau auf dem Hochhaus-Parkplatz am Valentinskamp. Die Gesamtkosten werden auf 120 Millionen D-Mark geschätzt. Auch einige Senatoren und Behörden sind eingeweiht, unterstützen Stampa aber mit unterschiedlicher Verve. Während Oberbaudirektor Egbert Kossak vorschlägt, den neuen Saal mit seinen mehr als 2000 Plätzen unterirdisch mit der Musikhalle zu verbinden, heißt es aus der Kulturbehörde: „Das ist alles Zukunftsmusik.“ Eisiger Gegenwind kommt von Hans-Werner Funke, dem Chef der Konzertdirektion Dr. Goette („Pro Arte“): „Die Planung ist nicht realistisch. Hamburg braucht eher eine große Konzertarena als eine zweite Musikhalle.“ Auch die Politik zeigt sich wenig begeistert.
Doch kurz bevor diese Bestrebung, die Musikszene zu beleben, im Sande verläuft, betreten zwei neue Figuren die Bühne, die beiden Geschichten einen völlig neuen Dreh geben.
Alexander Gérard ist Immobilien-Projektentwickler, in New York geboren, Architekturstudium in Zürich. Ein kosmopolitisch wirkender Feingeist, der gern Fliegen trägt. Jana Marko, Gérards Frau, ist Kunsthistorikerin, aus Linz stammend, schlagfertig, mit feinem Humor. Beide lieben klassische Musik. Auch Gérard hat das Gerangel um den Kaispeicher A verfolgt. Mit Patrick Taylor hatte er in den 1990er-Jahren nebenan das Hanseatic Trade Center (HTC) hochgezogen. Er kennt den Speicher auch, weil er den Standort als Sitz für die Seeberufsgenossenschaft geprüft hatte. Als er vom Media City Port hört, ahnt er, dass es schwierig werden könnte, in so tiefen Räumen Büros unterzubringen. „Da muss eine lichtscheue Nutzung rein, etwas, das kein Tageslicht braucht.“
Bereits in den 1990er-Jahren hatte er in mehreren Zeitungsartikeln gefordert, dass an dieser Stelle ein kultureller Anziehungspunkt geschaffen werden sollte, um Investoren in die HafenCity zu locken. Jetzt, im März 2001, fragt Gérard sich erneut: Was wäre eine passende Nutzung für den Kaispeicher A?
Alexander Gérard undJana Marko haben eine Idee
Sein großer Vorteil ist, dass er auch die andere Geschichte kennt. Die der darbenden Musikhalle, Stampas Pläne. Gérard weiß, dass es in der Nachbarschaft der Musikhalle mit dem 1943 zerstörten Conventgarten eine zweite, herausragend gute Spielstätte gab. An seiner Stelle hat ein gewisser Axel Springer später ein Verlagshaus gebaut. Und so verbinden Gérard und Marko im März 2001 die zwei Geschichten: Aus den Nöten und Träumen der Musikszene und dem Gerangel um den Kaispeicher A entsteht der Plan, das Konzerthaus in den Speicher zu bauen. Eine Jahrhundertidee ist geboren. Das schwärmerische Paar sagt sich: Zwei Jahre nehmen wir uns Zeit, um das voranzutreiben.
Gérard spricht als erstes Patrick Taylor an, aus dessen HTC-Gesellschaft er schon vor Jahren ausgestiegen war. Doch nun braucht er Taylors nachbarrechtliche Genehmigung für einen vielleicht 100 Meter hohen Neubau, der einen ziemlich großen Schatten werfen würde. Die Idee, die beide weiterentwickeln: In den Speicher sollen Konzertsaal und Parkplätze – daneben ein Turm für ein Hotel und Wohnungen, womit das Ganze finanziert wird.
Das also war die Ursprungsidee: In einen alten Speicher wird ein Konzerthaus gebaut. Finanzieren soll das ein privater Investor: aus den Gewinnen des Hotels und der Wohnungen, die er auf einem städtischen Grundstück baut, das ihm überlassen wird.
Im Frühjahr und Sommer 2001 führen Gérard und Marko vertrauliche Gespräche, holen sich Tipps, suchen Verbündete. Sie treffen vor allem Vertreter der Musikszene wie Generalmusikdirektor Ingo Metzmacher, den früheren Staatsopern-Intendanten Albin Hänseroth und eben auch Stampa. Immer wieder hören sie: „Das ist genau das, was Hamburg braucht.“ Vor allem Stampa jubiliert innerlich, erkennt in Gérard einen Bruder im Geiste und sieht die Chancen. Mehrmals trifft er Gérard und Taylor.
Noch ist von einer Philharmonie am Hafen keine Rede
Im August 2001 deutet mit Kultursenatorin Christina Weiss erstmals eine prominente Politikerin an, dass sie das Thema erkannt hat: „Ich stelle mir ein musikalisches Zentrum vor, wo neue Vermittlungs- und Präsentationsformen in einer Art interaktivem Museum ausprobiert werden können, ähnlich der Pariser Cité de la Musique.“ Sie meint das ganz grundsätzlich, von einer Philharmonie im Hafen ist noch keine Rede.
Wenig später ist das eh Makulatur. Ein politisches Erdbeben erschüttert die Stadt: Bei der Bürgerschaftswahl am 23. September 2001 unterliegt Rot-Grün dem Mitte-rechts-Bündnis aus CDU, FDP und dem Populisten Ronald Schill. Nach 44 Jahren muss die SPD die Macht abgeben. Ein anderer politischer Wind weht durch die Stadt. Ein Wechsel mit Folgen.
Statt Ortwin Runde, dem biederen Sozialdemokraten aus Ostfriesland, regiert nun Ole von Beust, ein 46 Jahre alter Christdemokrat mit Sonnyboy-Image. Von Anfang an setzt er mehr auf seinen in 25 Jahren Politikgeschäft erworbenen Instinkt als auf Detailkenntnis. Nach der Wahl zum Bürgermeister stürmt er nicht tatendurstig ins Amtszimmer, um Akten zu lesen oder erste Weichen zu stellen. Er fährt nach Hause und „döst“ etwas auf dem Sofa. „Nur ausgeruht kann man verantwortungsvolle Entscheidungen treffen“, wird er in seiner Biografie darüber schreiben. Diese Haltung, die Fachfragen an Fachleute zu delegieren und sich nicht weiter mit Details zu befassen, ändert er auch nicht für das größte Projekt seiner Amtszeit.
Am 31. Oktober 2001 bekommt der neue Bürgermeister Post. Taylor schlägt ihm den Umbau des Kaispeichers A unter Wahrung der denkmalgeschützten Fassade in eine Konzerthalle vor. Das Projekt „ließe sich ohne Belastung des hamburgischen Investitionshaushalts realisieren“. Die Antwort aus der Senatskanzlei ist ernüchternd: Wir freuen uns über jede gute Idee, aber dieses Grundstück ist leider schon anderen Investoren anhand gegeben.
Im Dezember 2001 sieht es nicht gut aus
Aus Sicht des Senats sprechen mehrere Gründe gegen den Vorschlag: Die November-Steuerschätzung 2001 sagt massive Einbrüche voraus. Die Erlöse aus dem Verkauf der HafenCity-Grundstücke sind fest eingeplant, den Kredit für den Bau des Containerterminals Altenwerder zu finanzieren. Ein Plan, der nicht aufgeht und erst 2011 vom neuen SPD-Senat offiziell aufgegeben wird. Und ein Konzerthaus bringt nun mal kein Geld, sondern kostet eher. Schließlich sah der Plan für die HafenCity eigentlich weiter östlich im Überseequartier einen kulturellen Anziehungspunkt vor, um das Gelände Richtung Elbbrücken zu entwickeln.
Im Dezember 2001 sieht es nicht gut aus. Doch Gérard lässt nicht locker und ruft in Basel bei Jacques Herzog und Pierre de Meuron an. Die drei kennen sich aus den 1970er-Jahren, vom Studium in Zürich, hatten sich aber aus den Augen verloren. Während Gérard sich als Projektentwickler in Hamburg etablierte, entwickelten sich die Schweizer zu weltweit renommierten „starchitects“, deren Markenzeichen Unikate sind. Prestigebauten. Wahrzeichen. 2000 war das Tate Modern in London eröffnet worden, für dieses Museumskonzept hatten sie den Pritzker-Preis erhalten, der als Nobelpreis der Architektur gilt. Von ihnen stammt das Design der Münchner Allianz Arena, 2002 werden sie den Wettbewerb für den Bau des Nationalstadions in Peking gewinnen, das durch die Spiele in China 2008 global als „Vogelnest“ bekannt wird. Man vereinbart ein Treffen.
Eine Postkarte und ein Strich mit dem Kugelschreiber ...
Am 21.Dezember 2001 kommt es in Basel zu dieser wegweisenden Begegnung. Der Sitz von HdM an der Rheinschanze ist kein normales Büro, es ist ein Architekturcampus, ein Gewirr aus ständig erweiterten Alt- und Neubauten, Innenhöfen und Werkstätten. Ein Labyrinth aus Gängen, Treppen und Schiebetüren, wo getüftelt, gerechnet, gesägt, geklebt und diskutiert wird. Eine Traummanufaktur, die weltweit an alle liefert, die es sich leisten wollen. 300 Kreative arbeiten hier, darunter viele junge Architekten. Zweimal täglich, morgens um 10 und nachmittags um 16 Uhr, kommen alle zusammen: Gedankenaustausch bei Kaffee und Tee in der rustikalen Kantine.
Jacques Herzog und Pierre de Meuron erwarten den Besuch aus Hamburg in der Bibliothek: dunkles Parkett, große Bücherregale aus kantigem Kiefernholz für Fachliteratur und Bildbände, von der Decke hängen acht Glühbirnen in offenen Fassungen. Mittendrin ein schlichter Tisch, zwei mal zwei Meter.
Doch Gérard rollt noch keine Pläne aus, er zeigt nur eine Postkarte: ein Foto vom Kaispeicher A. Wie könnte man das betagte Kakaolager in ein Konzerthaus verwandeln? Die Stararchitekten erkennen das Potenzial des Standorts mitten in der Elbe. Bereits hier legen sie sich fest: Es muss deutlich werden, dass es eigentlich zwei Gebäude sind: der alte, mächtige Backsteinklotz und das neue Konzerthaus.
Herzog malt mit Kugelschreiber eine Welle auf den Speicher. „So etwa.“ Ein Geniestreich, die Geburtsstunde eines Entwurfs, der Hamburg und die globale Musikszene in seinen Bann ziehen wird. Viele Beteiligte, auch die Architekten, werden zeitweise bitter bereuen, dass sie sich darauf eingelassen haben. Von der „Elbphilharmonie“ ist noch keine Rede. Bis dieser Begriff geboren wird, vergehen rund zwei Jahre.