Hamburg. Das Ende ist nah: Ein NDR-Team filmt die Elbphilharmonie und die Entstehung des Konzertsaals seit dem Jahr 2005.

Die Bilanz kurz vor der Ziellinie kann sich sehen lassen: ein mittlerweile pensionierter Redakteur, zwei Technikumstellungen – und fünf Kinder im Kernteam. 270 Stunden ­Material, und da sind die unzähligen Stunden und ­Tage auf Drehs und Reisen nicht mitgerechnet. Das vergebliche Warten auf doch noch Spannendes bei Pflichtterminen in der Bürgerschaft. Aber eben auch das Überwältigtwerden von den Einblicken in ein Jahrhundertprojekt, bei denen jeder von ihnen, auch und erst recht nach so vielen Jahren, diesen kleinen glücklichen Glanz in die Augen bekommt, der die Pflicht von der Freude trennt.

Jeder in diesem NDR-Team hat etliche Anekdoten parat. Es kommt viel ­zusammen in elf Jahren. Auf dem Weg zum Gruppenfoto mit Elbphilharmonie begegnen wir – die Welt rund um den Platz der Deutschen Einheit ist dann doch klein – einigen Vor-Ort-Mitarbeitern des Basler Architekturbüros Herzog & de Meuron. Großes Hallo, weißt du noch, was machst du nun, wenn ihr bald fertig seid, so etwas. Veteranentreffen mit Wahrzeichenpanorama auf der Mahatma-Gandhi-Brücke.

Als es losging, gab es das HD-Format noch gar nicht

Das Schlimmste haben die Filmemacher allerdings noch vor sich: das finale Szenen-Gemetzel am Schnittplatz, um das Erlebte in jeder Ecke des Gebäudes in die unausweichlichen Sendeplatz-Korsetts zu zwängen. Schwund ist ja bekanntlich überall, aber in elf Jahren nur ein einziges von etwa 240 Bändern aus den Augen zu verlieren (eines aus der finsteren Zeit des Baustillstands), das ist ein ganz ordentlicher Schnitt, findet das Quartett. Und auch dieses Material ist nicht komplett verschollen, da die Bilder in einem „Hamburg Journal“-Beitrag verwendet wurden.

Für optische Spezialeffekte wurden drei Quickmotion-Kameras installiert, 2007 beim „König der Löwen“-Gebäude und auf dem Hanseatic Trade Center sowie im Juni im Großen Saal, um Zeitraffer-Bilder zu produzieren, mit denen die Dokumentationen gewürzt werden ­sollen.

Die 10 besten Konzertsäle der Welt:

Die 10 besten Konzertsäle der Welt

Wurde in der Abendblatt-Umfrage in die Top 10 der besten Konzerthäuser der Welt gewählt: Das Kultur- und Kongresszentrum Luzern, kurz KKL
Wurde in der Abendblatt-Umfrage in die Top 10 der besten Konzerthäuser der Welt gewählt: Das Kultur- und Kongresszentrum Luzern, kurz KKL © imago
Das Wiener Konzerthaus
Das Wiener Konzerthaus © imago
Die Walt Disney Concert Hall in Los Angeles
Die Walt Disney Concert Hall in Los Angeles © Imago
Das Concertgebouw Amsterdam
Das Concertgebouw Amsterdam © Imago
Die Philharmonie de Paris
Die Philharmonie de Paris © dpa Picture-Alliance / Christophe Petit Tesson
Die Carnegie Hall in New York
Die Carnegie Hall in New York © Imago
Der Wiener Musikverein
Der Wiener Musikverein © Imago
Die Philharmonie in Berlin
Die Philharmonie in Berlin © Imago
Die Suntory Hall in Tokio
Die Suntory Hall in Tokio © Suntory Hall | Suntory Hall
Die Boston Symphony Hall
Die Boston Symphony Hall © imago
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Der Lieblingsdreh? Ach, es gab so viele, finden Ralph Quibeldey, Claudia Cellarius, Annette Schmaltz und Thorsten Mack unisono geradezu. Jeder von ihnen hat seine Teil-Aufgabe: Quibeldey begann als Autor, wurde zum zuständigen Redakteur und arbeitet ansonsten unter anderem an „Mare TV“; Schmaltz hat etliche Beiträge zum Thema für das „Hamburg Journal“ gedreht und sich damit zur Expertin gemacht; Mack arbeitet unter anderem für Kultursendungen; Cellarius kümmert sich für Arte unter anderem um Dokumentationen und Konzertmitschnitte. Außerdem dürfte so gut wie jeder Hamburger Kameramann des NDR schon mal in dieses Thema eingebunden gewesen sein.

Als es losging, gab es das HD-Format für extrascharfe Bilder noch gar nicht, die Luftaufnahmen wurden vom Helikopter aus gemacht und nicht per Drohne. Und auch der eine oder andere Hauptdarsteller der ersten Jahre hat ­inzwischen graue Haare, aus welchen Gründen auch immer.

Im April 2005 stand der erste Dreh für die Langzeitdokumentation über die Elbphilharmonie im Terminkalender eines kleinen NDR-Teams: eine frühe Projektpräsentation auf Kampnagel, die Spannung war groß. Elf Jahre, etliche Irrtümer und Aufregungen später ist das Gebäude fast beinahe komplett betriebsfertig.

Die Filme ebenfalls, fast. Denn es wird nicht nur einen geben, sondern gleich drei, mit klar unterschiedlichen Schwerpunkten: einen 60-Minüter, der am 4. November, dem Tag der Plaza-Einweihung, im NDR laufen wird; ein 45-Minuter am Abend des ersten Eröffnungskonzerts, nach den „Tagesthemen“, am 11. Januar; und eine knapp einstündige Version im Rahmen eines Elbphilharmonie-Schwerpunkts am 15. Januar auf Arte.

Im Video: Rundgang auf der Elbphilharmonie-Plaza:

Der NDR-Film wird seinen Schwerpunkt auf die Baugeschichte legen, genauer gesagt auf vier Aspekte: Fassade, Stühle, Lampen, Akustik. Die Arte-Variation soll sich mehr mit der Musik und der internationalen Bedeutung des neuen Konzerthauses beschäftigen.

Im vergangenen Jahrzehnt trafen sich die NDR-Filmer regelmäßig mit allen am Bau Beteiligten, um Wegmarken für die Langstrecke abzustecken, um ja nichts zu verpassen. Um am Ende eine Ordnung zu erhalten, einen roten Faden durch die Rohmaterialberge ziehen zu können, haben sich die Filmemacher vier Protagonisten gesucht und gefunden: den Fahrer eines Abrissbaggers, die Bauleiterin der Plaza, einen Stahlbauer und einen ehemaligen Hafenarbeiter.

Drei Jahre in etwa hatte man fürs Projekt veranschlagt

In die Kategorie der großen Momente gehört für das NDR-Team der Besuch in einer tschechischen Glasbläserei. Dort wurden von lange gesuchten Spezialisten die Kugellampen für den Großen Saal hergestellt, die natürlich im Detail ganz anders sein sollten als herkömmliche Lampenkugeln, deswegen wurde am Ende erbarmungslos ­gesiebt, etliche Exemplare endeten als Scherbenhaufen.

Ganz besonders waren auch die Momente, wenn einer der Architekten den Handwerkern auf der Plaza Ziegel für Ziegel erklärte, an welcher Stelle dieser oder jener Farbton zu sein hatte, ­damit es am Ende trotzdem wie rein ­zufällig aussah, ohne es tatsächlich zu sein.

„Ich habe noch nie so viel Geld auf einen Schlag für Konzertkarten ausgegeben“, antwortet Quibeldey, breit strahlend, auf die Frage, ob er bald auch privat hören und besuchen wird, was er bislang nur dienstlich vor der Linse hatte. Eigentlich sollte es ein überschaubares Projekt werden, „Ein Bau entsteht“, hatte er die Anfänge beschrieben. Drei Jahre in etwa hatte man damals gedacht, nichts Besonderes. Es kam ganz anders.

„Die Elbphilharmonie – von der Vision zur Wirklichkeit“: Freitag, NDR, 4.11., 20.15 Uhr