Hamburg. Blinde Psychoonkologin unterstützt Krebspatienten dabei, die emotionalen, psychischen und sozialen Herausforderungen zu bewältigen.

Kathrin Ellebrecht ist eine erfahrene Psychoonkologin. Sie hat langes braunes Haar, das sie locker und gepflegt offen trägt. Ihr Auftreten ist unaufdringlich und dennoch präsent. Ihr Gesicht ist weich und freundlich, mit sanften Lachfalten um die Augen, die sich bei der Begrüßung sofort bemerkbar machen. Ihre braunen Augen strahlen eine ruhige Gelassenheit aus, obwohl sie nichts sieht. Kathrin Ellebrecht ist blind.

In Ihrem Beruf als Psychoonkologin im Agaplesion Diakonieklinikum in Eimsbüttel, wo sie Krebspatientinnen und Krebspatienten seelisch auffängt, ist das kein Hindernis, ganz im Gegenteil. „Ich kann zwar nicht sehen, dafür ganz gut hören“, sagt sie im Abendblatt-Podcast „Hamburger Klinikhelden“.

„Man sieht nur mit dem Herzen gut. Die wesentlichen Dinge bleiben den Augen verborgen.“

Sie zitiert aus dem Kinderbuch „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Die wesentlichen Dinge bleiben den Augen verborgen.“ Als Psychoonkologin mache sie immer wieder die Erfahrung, dass die Menschen wichtige Dinge, die sie mitteilen möchten, auf vielfältige Weise zum Ausdruck bringen würden. Und dies geschehe nicht nur über den visuellen Eindruck, „sondern halt auch über die Art, wie sie sprechen, wie ihre Stimme moduliert, welche Worte sie wählen“, sagt sie.

„Manchmal bekomme ich auch die Rückmeldung, dass Patientinnen und Patienten nach einer Operation oder nach einer Chemotherapie sogar ganz froh sind, dass sie nicht gesehen werden. Und dann fangen sie manchmal an, mir zu beschreiben, wie sie aussehen oder wie sie sich selbst erleben, wie sie ihren eigenen Körper, ihr eigenes Körperbild wahrnehmen und wie es ihnen damit geht. Und das kann tatsächlich auch einen therapeutischen Wert haben.“

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Blinde Psychoonkologin hilft Krebspatienten

Hamburger Klinikhelden - der Podcast über Berufe mit Sinn

Ihre ruhige und empathische Art weckt Vertrauen. Kathrin Ellebrecht, die Diplom-Psychologin und auch psychologische Psychotherapeutin ist, legt in ihrer Arbeit großen Wert auf einen ganzheitlichen Ansatz, bei dem der Mensch in seiner Gesamtheit im Mittelpunkt steht. Sie begleitet ihre Patientinnen und Patienten nicht nur durch schwere Krankheitsphasen, sondern unterstützt sie auch dabei, neue Hoffnung und Lebensmut zu schöpfen.

„Ich bin meistens ein Bauchmensch. Aber ich weiß auch, meinen Kopf zu gebrauchen“, sagt Kathrin Ellebrecht selbstbewusst. Ihr warmer Blick ist nach vorne gerichtet. Dass sie nicht sehen kann, wird im Gespräch im Hamburger-Abendblatt-Podcast-Studio fast zur Nebensache. Eine freundliche Frau, die in ihrer aufrechten Sitzhaltung Zufriedenheit ausstrahlt. Als Spezialistin betreut Kathrin Ellebrecht drei onkologische Zentren im Agaplesion Diakonieklinikum: das Darmzentrum, das Brustzentrum, das Gynäkologische Tumorzentrum sowie eine Palliativstation. Sie sei zuständig für die therapeutisch psychologische Versorgung der Krebspatientinnen und Krebspatienten, die stationär aufgenommen werden.

Die Tafel dunkle Schokolade ist immer dabei

Ziel der Psychoonkologie ist es, die seelische Gesundheit und das Wohlbefinden der Patientinnen und Patienten während der gesamten Krankheitsphase zu fördern und sie auch dabei zu unterstützen, die sozialen Herausforderungen zu bewältigen. Täglich, von montags bis freitags, begegnet Kathrin Ellebrecht im Krankenhaus vielen erkrankten Menschen und ihren Schicksalen. Da darf im Büro die Tafel dunkle Schokolade nie fehlen. „Das brauche ich manchmal, um mich auch noch mal wieder ein bisschen zu erden und mir einen kurzfristigen Energieschub zuzuführen“, erzählt sie und lacht. Ihre Bewegungen sind behutsam, ihre Antworten klar. Sie weiß genau, wie sie sich nach den Patientengesprächen abgrenzen muss, um für ihre eigene emotionale Entlastung zu sorgen.

„Ich bin nebenberuflich auch ehrenamtlich engagiert als Mutter von drei Kindern. Und wenn ich nach der Arbeit nach Hause komme, bin ich auch sehr schnell in meinem eigenen Leben angekommen“, betont Kathrin Ellebrecht und schwärmt von ihren Kindern. Sie lächelt sanft. Einen Ausgleich zu ihrer Arbeit im Krankenhaus finde sie zudem in Gesprächen mit ihrem Mann und ihren Freundinnen. Und sie tanze gern. Außerdem sei es ihr wichtig, regelmäßig an einer Supervision mit ihren Kolleginnen und Kollegen im Krankenhaus teilzunehmen. So reflektiere sie ihr eigenes fachliches, berufliches Verhalten und Erleben.

Damit sorgt sie auch für ihr eigenes seelisches Wohlbefinden. Sie wirkt ausgeglichen und beruhigend. Ihre gesamte Ausstrahlung vermittelt eine Botschaft der inneren Stärke und Zuversicht. Das liegt vielleicht auch daran, dass Kathrin Ellebrecht es liebt, mit Menschen zu arbeiten. „Ich finde es sehr erfüllend, dass Menschen mir ihr Vertrauen schenken und sich mir sehr persönlich und sehr tiefgreifend öffnen. Wenn sie dann das Gefühl haben, das Gespräch hat ihnen etwas Entlastung gegeben oder sie konnten etwas daraus für sich mitnehmen, dann finde ich es sehr sinnstiftend“, sagt Kathrin Ellebrecht und lächelt zufrieden.

Ihr Beruf sei eine Möglichkeit, sich in der Gesellschaft nützlich einbringen zu können. Und das tut Kathrin Ellebrecht als Psychoonkologin im Agaplesion Diakonieklinikum, indem sie dort schwerkranken Menschen hilft.