Hamburg. Nach politischem Zoff feiert der Zirkus Premiere auf der Moorweide. Direktor Bernhard Paul wird vor zahlreichen Prominenten emotional.

„Manege frei!“, hieß es am Donnerstagabend – „endlich“, wie Bernhard Paul, Direktor des Circus Roncalli, hinzufügte. Denn ob die Premiere, die auch unter großem Auflauf von prominenten Gästen wie Sängerin Katja Ebstein, Susanne Daubner, Dr. Johannes Wimmer, Boris Entrup, Ian K. Karan, Pianist Joja Wendt, Ina Melzer und Moderatorin Susanne Böhm stattfand, gefeiert werden kann, war zuvor nicht sicher gewesen.

Der Grund: Der Erstaufführung des Programms „All for ART for All“ waren politische Querelen um den Standort Große Moorweide vorausgegangen. Lange konnte nicht abschließend entschieden werden, ob eine Nutzung an dieser exponierten Spielstätte in Hamburg möglich ist. Eine „Katastrophe“ für die Zirkusfamilie, wie Paul betonte.

Roncalli Hamburg: Gastspiel wäre fast abgesagt worden

Auch Eimsbüttels Grünen-Fraktionschef Ali Mir Agha hatte sich gegen die kommerzielle Nutzung ausgesprochen und sich öffentlich irritiert darüber gezeigt, als Hamburgs Zweite Bürgermeisterin und Bezirkssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) den ablehnenden Beschluss der Eimsbütteler Bezirksversammlung evozierte, rückgängig machte und folglich grünes Licht für das Zirkus-Gastspiel gab. „Hut ab, Frau Fegebank, da muss ich meinen Dank aussprechen“, sagte Paul bei seiner ungewöhnlich offenen Eröffnungsrede, „Danke, Danke, Danke.“

Roncalli: Zirkusdirektor Bernhard Paul hielt bei der Premiere eine Rede.
Roncalli: Zirkusdirektor Bernhard Paul hielt bei der Premiere eine Rede. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Als er vor einigen Tagen dann endlich mit seinen Zirkuswagen an der Moorweide angelangt sei, „da hatte ich Papst-Gefühle – ich wollte den Boden küssen“, rief Paul ins Mikrofon. Neben solchen Sätzen zum Schmunzeln wurde er immer wieder ernst, betonte, wie wichtig es sei, eine Tournee spielen zu können – gerade nach zwei Jahren Corona.

Roter Teppich bei Roncalli-Premiere in Hamburg mit Dr. Johannes Wimmer
Roter Teppich bei Roncalli-Premiere in Hamburg mit Dr. Johannes Wimmer © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Roncalli reiste mit der Bahn nach Hamburg

In Bezug auf den Aufenthalt in Hamburg, da fühle er sich als Spielball, politisch zerrieben. „Wir kommen seit 1980 hierher, haben eine innige Beziehung zu den Hamburgern“, so der 75-jährige Zirkusgründer und Alleininhaber. „Viele sind mit uns groß geworden, kommen heute mit ihren Kindern oder Enkeln in die Vorstellungen.“

Andere Spielorte in der Stadt hätten nicht gepasst, da der Zirkus unter anderem als Einziger in Europa noch komplett mit der Bahn anreise, weshalb der Bahnhof Dammtor vis-a-vis unbedingt notwendig sei.

Roncalli-Zoff wegen Moorweide – das steckt dahinter

Zum Hintergrund: Vor knapp drei Jahren wurde von Grünen und CDU in Eimsbüttel beschlossen, alle kommerziellen Veranstaltungen auf der Großen Moorweide zu verbieten. Gründe waren der Schutz des Grüns, der Ökologie und der Erhalt des Erholungsgebiets für Anwohner und Besucher der Stadt.

Auf der Kleinen Moorweide nebenan, wo auch Cornelia Polettos Palazzo wochenlang Zelte aufschlug, erteilt die Bezirksversammlung auch für kommerzielle Veranstaltungen ihre Genehmigung. Nebenan auf der Wiese jedoch nicht.

Roncalli-Direktor: „Wir sind Kulturgut, nicht kommerziell!“

„Und genau das ist mein Punkt: Was ist denn kommerziell?“, echauffierte sich Paul. „Ich fühle mich von Ali Mir Agha beleidigt, und ich lasse mich nicht beleidigen – mein Zirkus ist ein Kulturgut, wir beschäftigen ein Orchester, Ballett, Pantomimen. Wir sind kein Industrieunternehmen, wir bringen die Hochkultur zu den Menschen.“ Zudem gehe es ihm auf die Nerven, dass eine „künstliche Feindschaft“ hergestellt werde.

Für Roncalli müsse es problemfrei in Hamburg eine Genehmigung geben, meint Paul. „Wir sind nicht gleich wie andere Unternehmen, andere Zirkusse, bitteschön! Wir sind nicht subventioniert, aber ein rollendes Museum, sind zu Kulturbotschaftern von Nordrhein-Westfalen ernannt worden.“

Ina Menzer bei der Roncalli-Premiere
Ina Menzer bei der Roncalli-Premiere © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Roncalli – Zirkusdirektor Paul: „Ich bin immer noch beleidigt!“

Mittlerweile sei ihm eines klar: „Jeder hat begriffen, dass wir ein Kulturbetrieb sind, bis auf Ali Mir Agha.“ Applaus des Publikums. „Ich bin noch immer beleidigt“, so Paul.

Zum Schutz des Grüns habe sein Team übrigens erneut Schutzmatten auf dem Rasen ausgelegt, was das Grünflächenamt goutiert habe. Zudem zahle der Zirkus eine hohe Summe für die Renaturierung.

Roncalli in Hamburg – Karten kosten zwischen 15 und 76 Euro

Auch sein aktuelles Programm – Karten für „All for ART for All“ kosten zwischen 15 bis 76 Euro – spreche für Kultur, nicht für Kommerz: „Schon in diesem Titel manifestiert sich vieles. Ich arbeite nach Theatergrundsätzen, komme ursprünglich aus der Grafikwelt.“

Das aktuelle Roncalli-Programm ist ein multimediales Spektakel: Überraschende Artistikauftritte, Malerei-Kunst-Nummern, Lichteffekte, Hologramme von Tieren, die deutlich machen, dass es auch ohne Auftritte von echten Tieren im Zirkus unterhaltsam ist.

Roncalli ohne echte Tiere: „Es war nicht einfach“

„Wir waren die Ersten, die die Tiere komplett weggelassen haben“, erklärt Paul, „das war ein Drahtseilakt. Eigentlich wurden Karten nur gekauft, wenn es viele Elefanten und Löwen gab, aber wir haben es gemacht – auch, wenn es nicht einfach war.“

Dann habe er wieder auf seine Überzeugung gehört und der Umwelt zuliebe Plastikbesteck aus dem Zirkus verbannt. „Es wäre einfacher und günstiger gewesen, ihn nicht plastikfrei zu machen, aber so bin ich nicht. Das ist wichtig.“

Roncalli: Zirkusdirektor Bernhard Paul und seine Familie
Roncalli: Zirkusdirektor Bernhard Paul und seine Familie © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Roncalli Hamburg: Komplett plastikfrei, dafür Smoothies und vegane Gerichte

Ebenso hält es Paul mit den Speisen für seine Gäste: Neben der traditionellen Zuckerwatte und den Würstchen gibt es vegane Gerichte und Smoothies. Der Zirkusgründer selbst weiß den Balanceakt zwischen Nostalgie, Tradition und Aktualität zu meistern: „Ich ernähre mich selbst viel gesünder und esse vor allem weniger als noch vor einigen Jahren. Ich liebe frisches Gemüse, wie meine Mutter es machte, dazu dann nur ein Spiegelei, herrlich!“

Doch völlig vegetarisch wolle er nicht leben: „Ich bin Wiener“, sagt er. „Mein Schnitzel, das lasse ich mir nicht verbieten!“