Hamburg. Völlig verplant? Das “Haus der Erde“ am Schlump wird deutlich teurer und verzögert sich um Jahre. Massive Kritik.
Als die CDU die Probleme beim Neubau des Universitätsgebäudes „Haus der Erde“ 2019 erstmals mit denen beim Bau der Elbphilharmonie verglich, wurde das noch belächelt. Doch mittlerweile wird der Vergleich immer realistischer: Denn auch die Fertigstellung des ambitionierten Hochschulgebäudes verzögert sich immer weiter, und die Baukosten explodieren geradezu.
Wie der Hamburger Senat am Mittwoch mitteilte, steigen die Projektkosten von 177 auf 303 Millionen Euro – also um 126 Millionen Euro (mehr als 70 Prozent). Und statt Ende 2019, wie ursprünglich mal geplant, sollen Studenten und Lehrende erst 2024 in den Neubau am Schlump einziehen. Dann sollen dort die renommierte Klimaforschung und die Geowissenschaften auf rund 37.000 Quadratmetern eine neue Heimat bekommen.
"Haus der Erde" der Uni Hamburg: Viele Planungsmängel
Auch die Probleme ähneln denen beim Bau des Konzerthauses durchaus: „Ursächlich für die Verzögerungen sind im Wesentlichen Planungsmängel im Bereich der Lüftungs- und Klimatechnik, deren komplexe Anforderungen erst zu einem sehr späten Zeitpunkt in ihrer gesamten Tragweite erkannt wurden“, schreibt der Senat in seiner Drucksache an die Bürgerschaft.
Wie berichtet, hatte der erste Planer für diesen Bereich nach Darstellung der Stadt massive Fehler begangen: So seien die hohen Anforderungen an die Temperaturkonstanz der Forschungsräume nicht ausreichend berücksichtigt worden, ebenso wie der notwendige Weiterbetrieb der Laborlüftung im Brandfall, eine Sprinkleranlage fehlte, und es gab „gravierende“ Planungsmängel bei der Gasversorgung der Labore, so der Senat.
CDU: Neubau wird zum finanziellen Fiasko für Hamburg
Einem 2017 mit der Überarbeitung der Planung beauftragten Unternehmen hatte die Stadt wegen Leistungsverweigerung gekündigt und die Firma auf Schadenersatz verklagt. Vor dem Landgericht hat die Stadt im Juni recht bekommen, wie viel Geld sie zurückerhält, ist aber offen. Drei weiteren Firmen wurde gekündigt, gegen eine von ihnen läuft ebenfalls eine Klage. „Wir werden um jeden Euro kämpfen“, sagte Finanzsenator Andreas Dressel (SPD), der die Vorgänge als sehr ärgerlich bezeichnete. „Wir haben alle Lehrgeld gezahlt.“
Erst ein 2019 beauftragter, vierter Planer, schreibt der Senat weiter, habe die Probleme schließlich in ihrer Tiefe erkannt. Sein Fazit: Wegen des bereits bestehenden Rohbaus ist ein Umbau der bestehenden Lüftungsanlage im Gebäude nicht mehr möglich, sodass eine zusätzliche Lüftungszentrale außerhalb errichtet werden muss – und zwar unterirdisch, weil woanders kein Platz mehr ist.
Auch die Miete steigt von gut elf auf mehr als 17 Millionen Euro im Jahr
Die Mehrkosten für bauliche Mehrleistungen wie diese machen rund 30 Millionen Euro aus. Weitere knapp 70 Millionen Euro kosten die Verschiebung und Verlängerung der Bauarbeiten. Und allein für die Durchsetzung der Schadenersatzansprüche sind nun vier Millionen Euro eingeplant – in der Hoffnung, mehr Geld zurückzubekommen.
Solange das nicht der Fall ist, gilt: Durch die höheren Kosten steigt auch die Miete für das „Haus der Erde“ von gut elf auf mehr als 17 Millionen Euro im Jahr. Diese Summe stellt die Wissenschaftsbehörde der Universität zur Verfügung, die das Gebäude von einer städtischen Immobilienfirma mietet.
„Die zusätzlichen Kosten sind inakzeptabel“, sagte Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne), die die Situation „ganz, ganz bitter“ nannte. Schließlich verzögere sich dadurch auch die Sanierung des Geomatikums, da die Geowissenschaftler dort erst ausziehen könnten, wenn das „Haus der Erde“ fertig sei. Und die Klimaforschung, immerhin einer der Exzellenzcluster der Uni, müsse länger auf den versprochenen Neubau warten. Man habe die Probleme nun aber „erkannt und gehandelt“, so Fegebank. „Die betreffenden Firmen müssen sich dafür verantworten.“
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Thilo Kleibauer, haushaltspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, übte scharfe Kritik: „Der Neubau am Geomatikum wird zu einem finanziellen Fiasko für Hamburg. Die Mehrkosten, die der Senat jetzt endlich präzisiert hat, übertreffen alle Befürchtungen. Der rot-grüne Senat hat hier komplett versagt und verantwortet die mangelhafte Planung für eine der größten Universitätsbaumaßnahmen der Stadt.“ Der CDU-Politiker fordert daher eine Sondersitzung des Haushalts- und des Wissenschaftsausschusses der Bürgerschaft.
Kleibauer zog erneut Parallelen zu Hamburgs bekanntestem Bauwerk in der HafenCity: „Nach den Problemen bei der Elbphilharmonie hatten die SPD-geführten Senate das kostenstabile Bauen versprochen. Davon ist hier überhaupt nichts mehr zu erkennen. Auch das direkt beim Ersten Bürgermeister angesiedelte Bau-Monitoring hilft offenbar kaum etwas, wenn im Bauablauf dann Schwierigkeiten auftreten.“
Finanzsenator Dressel weist Vorwürfe zurück
Finanzsenator Dressel wies das zurück. Aus dem jährlichen Bericht zum Bau-Monitoring gehe klar hervor, dass die meisten großen Bauprojekte der Stadt im Zeit- und Kostenrahmen fertiggestellt würden. „An den Zielen und Maßgaben des Prinzips des kostenstabilen Bauens halten wir selbstverständlich fest – jetzt erst recht“, sagte Dressel.
Auch die Elbphilharmonie war 2017 erst mit mehreren Jahren Verzögerung eröffnet worden, und die Baukosten für die Stadt hatten sich von anfangs geschätzten 77 auf letztlich 789 Millionen Euro verzehnfacht. Einer von vielen Gründen für die Probleme war ein Streit um die Lüftungsanlage, die während des Baus umgeplant werden musste.
Kostenexplosion beim Haus der Erde: Kritik vom Steuerzahlerbund
„Die erneute Kostensteigerung beim ‚Haus der Erde‘ macht deutlich, dass der Senat trotz vieler Beteuerungen zum kostenstabilen Bauen nichts gelernt hat“, sagte Lorenz Palte, Landesvorsitzender des Steuerzahlerbundes. „Wer sich an die Diskussionen bei Elbphilharmonie und CCH erinnert, dem kommt die Senatsbegründung zur Kostenexplosion wie ein Déjà-vu vor.“ Einen wichtigen Unterschied gibt es dennoch: Das Elbphilharmonie-Desaster hatten CDU-geführte Senate zu verantworten, das „Haus der Erde“ fällt hingegen in die Regierungszeit der SPD, beziehungsweise Rot-Grün.