Hamburg. Es dauerte 15 Jahre, bis Kim-Charlene Demirdelen eine Diagnose bekam. Wie sie mit dem Leiden umgeht und wo Betroffene Hilfe finden.

Es sind nicht nur die höllischen Schmerzen, die das Leben beherrschen. Es ist das Unverständnis der Umgebung, das das Leiden von Kim-Charlene Demirdelen aus Hamburg-Bramfeld über Jahrzehnte weiter verschlimmert hat. Doch die 34-Jährige hat es geschafft, sich nicht länger von der chronischen Erkrankung Endometriose vereinnahmen zu lassen. In Eimsbüttel gibt es nun mehrere Infoveranstaltungen für Betroffene wie Demirdelen.

Rund 10 bis 15 Prozent der Frauen im fortpflanzungsfähigen Alter leiden unter Endometriose. „Die Endometriose bezeichnet krankhafte Wucherungen endometrialen Gewebes, also Gewebe ähnlich der Gebärmutterschleimhaut und außerhalb der Gebärmutter“, sagt Professor Rüdiger Klapdor, Chefarzt an der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am Albertinen Krankenhaus in Schnelsen. Das Albertinen Krankenhaus ist neben der Frauenklinik an der Elbe ein zertifiziertes Endometriose-Zentrum.

Endometriose: Schmerzen können zu Ohnmacht und Erbrechen führen

Diese Wucherungen können sämtliche Organe befallen – Blase, Zwerchfell, Nieren, Darm und auch die Lunge. Aufgrund der sehr unterschiedlichen Beschwerden, die durch die chronische Erkrankung ausgelöst werden können, ist es oft ein langer Weg bis zur Diagnose: In Deutschland vergehen bis dahin in der Regel sechs bis zehn Jahre.

Das war bei Kim-Charlene Demirdelen ganz ähnlich. Sie war bereits 27 Jahre alt, als sie die Diagnose bekam. Dass sie beim Gespräch in einem Café in Barmbek-Nord so gelöst ist, lacht und sich wohlfühlt, war viele Jahre fast undenkbar. Ihr Leiden fing an, als sie als junges Mädchen ihre Periode bekam. Sicher, das kann wehtun – aber bei ihr wurden die Schmerzen im Laufe der Jahre immer heftiger und kamen auch unabhängig von ihrem Zyklus.

Da halfen auch keine Wärmflaschen, die ihre Mutter ihr machte, keine noch so starken Schmerzmittel, kein heißer Tee. Demirdelen beschreibt diese Schmerzen als „bösartig.“ „Sie sind entzündlich, beherrschend und einnehmend. Es sind solche starken Schmerzen, dass man sich übergibt oder in Ohnmacht fallen kann.“ Es strahlt in die Beine und in den Rücken.

Hamburger Ärzte waren ratlos und schoben Beschwerden auf die Psyche

Die Rechtsanwaltsfachangestellte bekam keine Hilfe von Gynäkologen. Mehrfach wechselte sie den Arzt. Doch außer den Tipp, sich zu entspannen und weniger stressen zu lassen und „doch mal mit Freundinnen einen Kaffee trinken zu gehen“, bekam sie keine Hilfe. „Es wurde auf meine Psyche geschoben“, sagt sie.

Und ja, sie bekam tatsächlich Depressionen. Zusätzlich zu den unerträglichen Schmerzen im Unterleib, die ihren Alltag bestimmten. „Der Schmerz ist wie ein zähes Kaugummi, das sich vom Körperzentrum aus ausdehnt.“ 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche. „Ich ging nur noch mit einer Wärmflasche am Bauch raus.“ Die Hitze war so stark, dass sie noch heute Spuren am Bauch davon hat. „Die Hitze lenkte vom eigentlichen Schmerz ab“, sagt Demirdelen.

Endometriose: Ihr Bauchraum war bis zu den Lungen von Wucherungen befallen

Sie konnte nicht mehr zuverlässig zur Arbeit kommen, verlor zweimal ihren Job. Und die chronische, unheilbare Krankheit isolierte sie immer mehr. „Man zweifelt an sich und seinem Körper, hat keine Energie.“

Heute weiß sie: Gebärmutter, Blase, Zwerchfell und ihr Bauchraum bis hin zu den Lungen waren von den entzündlichen Wucherungen betroffen. Gut erkennen lässt sich die Erkrankung mittels Ultraschall, am besten in zertifizierten Kliniken. Doch Kim-Charlene Demirdelen bekam lange Zeit keinen Ultraschall. Erst 2018 kam die Diagnose, später die Operation im Albertinen Krankenhaus. Sechseinhalb Stunden dauerte die Bauchspiegelung, bei der die Wucherungen entfernt wurden. 66 entzündliche Herde fanden die Ärzte bei ihr.

Prof. Dr. Rüdiger Klapdor, Chefarzt an der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am Albertinen Krankenhaus in Schnelsen
Prof. Dr. Rüdiger Klapdor, Chefarzt an der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am Albertinen Krankenhaus in Schnelsen © Albertinen Krankenhaus | Albertinen Krankenhaus

„Nicht immer ist eine Operation notwendig“, sagt Professor Rüdiger Klapdor. „Sie ist in einigen Situationen aber die Grundlage für eine langfristig erfolgreiche Behandlung.“ Die anschließende Therapie ist individuell: Eine hormonelle Therapie kann das Wiederauftreten der Beschwerden verhindern. Einigen Patientinnen wird unter anderem mit Schmerzmitteln, Akupunktur oder auch Osteopathie geholfen. „Unser wichtigstes Behandlungsziel ist, dass es der Patientin gut geht.“

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Endometriose: „Ich kann den Schmerz nun liebevoll annehmen, dann geht er weg“

Kim-Charlene Demirdelen geht es gut seit dem Eingriff. Sie wurde schwanger und ist Mutter einer dreijährigen Tochter. „Die Schwangerschaft verlief völlig reibungslos.“ Und die 34-Jährige hat eine Ausbildung zur Traumasensiblen Coachin gemacht – mit Wissen aus der Psychotraumatologie, um anderen Betroffenen Mut zu machen und zu helfen. Denn: „Wenn ich das schaffe, schaffen andere das auch.“

Wenn der Schmerz zurückkommt, meditiert sie unter anderem, geht mit sich selbst in den inneren Dialog, versucht Stress zu vermeiden. Das hilft. Denn der Schmerz, die Krankheit sollen einfach nicht mehr ihr Leben bestimmen. „Ich kann den Schmerz nun liebevoll annehmen, dann geht er weg.“

Das klingt natürlich einfacher, als es für die Betroffenen ist. Es war auch für Kim-Charlene Demirdelen ein langer Weg, der noch nicht zu Ende ist. „Es ist auch ein Akt der Selbstliebe, einfach nicht aufzugeben.“

Endometriose: In Hamburg-Eimsbüttel gibt es Infoveranstaltungen zu der Krankheit

Wer mehr über Endometriose, Diagnose- und Therapiemöglichkeiten erfahren möchte, kann an folgenden Veranstaltungen im Gesundheits-Treff, Lappenbergsallee 32/Ecke Grundstraße kostenlos teilnehmen:

  • Mittwoch, 15. Mai, 18.30 bis 20 Uhr, „Weiblicher Zyklus und Grundlagen zu Endometriose“. Referentin: Dr. med. Lotta Zech, Oberärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe (Albertinen Krankenhaus)
  • Mittwoch, 22. Mai, 18.30 bis 20 Uhr, „Endometriose: Diagnose und Therapie“. Referentin: Antonia Jörger, Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe (Albertinen Krankenhaus)
  • Mittwoch, 29. Mai, 18.30 bis 20 Uhr, „Endometriose: einen Umgang finden“ – mit Kim-Charlene Demirdelen (Selbsthilfegruppenleiterin, Coach) und Ann-Kathrin Lorenzen (systemischer Coach); Infos auch unter www.endometriose-vereinigung.de