Hamburg. Weltweit gibt es mindestens 190 Millionen Betroffene, und trotzdem ist die seltene Krankheit kaum erforscht. Eine Frau will das ändern.

Die Schmerzen im Unterleib kommen regelmäßig. Jeden Monat, kurz bevor oder wenn die Periode einsetzt, sind sie kaum auszuhalten. Und doch müssen Betroffene häufig viele Jahre warten, bis die Quelle ihrer Schmerzen gefunden wird – oftmals ist das auch nie der Fall. Endometriose ist zwar weit verbreitet, aber kaum erforscht: „Jede zehnte Frau ist davon betroffen, und dennoch ist die Krankheit kaum bekannt“, fasst Andrea Lang zusammen.

Die Fotografin aus Neuengamme möchte auf das Thema und die Unwissenheit über die Erkrankung innerhalb des Gesundheitssystems und vor allem der Gesellschaft aufmerksam machen und hat dafür unter dem Namen „Endoschwestern“ ein Fotoprojekt gestartet. Dabei soll keine klassische Darstellung von Schmerzen und der Verletzlichkeit Betroffener im Vordergrund stehen, sondern viel mehr die Stärke, der Mut, die Geduld, das Immer-wieder-Aufstehen, das Aushalten, das Leben, die Heilung, die Narben, die Anmut, erklärt Andrea Lang.

Endometriose: Fotografin will Krankheit ein Gesicht geben

Denn die Betroffenen haben meist eine lange Leidensgeschichte hinter sich – auch, weil Endometriose häufig über viele Jahre hinweg nicht diagnostiziert wird – im Durchschnitt zehn Jahre. „Den Betroffenen wird Gesundheit attestiert, weil die Ärzte nichts finden können, während sie leiden, Schmerzen haben, verunsichert sind, an sich selbst zweifeln und der Selbstwert darunter leidet“, weiß Andrea Lang aus eigener Erfahrung.

Andrea Lang in ihrem Fotostudio am Neuengammer Hausdeich.
Andrea Lang in ihrem Fotostudio am Neuengammer Hausdeich. © Lena Diekmann | Lena Diekmann

Bei der 42-Jährigen dauerte es sieben Jahre und Besuche bei vielen verschiedenen Ärzten, bis 2019 die Diagnose gestellt wurde. Die krampfartigen Schmerzen hätten sie bis dahin in jedem Zyklus kaum aufstehen lassen. Denn was von Außenstehenden häufig als „normale Regelschmerzen“ abgetan werde, ist viel mehr.

Die Betroffenen haben gutartige, meist schmerzhafte Wucherungen aus gebärmutterschleimhautartigem Gewebe, das außerhalb der Gebärmutterhöhle meist in benachbarten Organen und Geweben wächst.

Erst durch eine Bauchspiegelung kann die chronische Krankheit erkannt werden

Erst durch eine Bauchspiegelung kann das erkannt werden. Mindestens drei kleine Narben zeichnen also den Unterleib jeder Betroffenen. Sie hält Andrea Lang ebenso im Foto fest wie ein Porträt, das der Krankheit ein Gesicht gibt. „Die Betroffenen sind der festen Überzeugung, dass diesem Thema ein prominenterer Platz in unserer Gesellschaft verschafft werden muss“, stellt Andrea Lang fest.

In Deutschland gibt es mindestens zwei Millionen und weltweit etwa 190 Millionen betroffene Frauen – hinzukommt eine große Dunkelziffer von nicht diagnostizierten Fällen.

Krankheitsherde kommen wieder – trotz vierstündiger Operation

Doch selbst mit Diagnose bedeutet das keine Heilung der chronischen Krankheit: Vier Stunden dauerte etwa die Operation von Andrea Lang, um die Herde zu entfernen. Doch sie kommen wieder und mit ihnen weitere Vernarbungen. Um die Regelblutung zu unterdrücken, werde Betroffenen zur Einnahme von Hormonen geraten, weiß Andrea Lang.

Anderen wiederum werde gesagt, sie sollten doch einfach schwanger werden oder gar ihre Gebärmutter entfernen lassen. „Das ist einfach nur übergriffig“, stellt die 42-Jährige fest. Zumal neben starken Schmerzen auch ein unerfüllter Kinderwunsch eine häufige Folge der Krankheit ist.

Ehrenamtliches Projekt ist auf weitere Unterstützung angewiesen

Das Projekt „Endoschwestern“ soll den Selbstwert der Betroffenen und das Gemeinschaftsgefühl stärken und gleichzeitig etwas für die Öffentlichkeitsarbeit tun, um die Wahrnehmung und den Umgang mit der zu Unrecht unterrepräsentierten chronischen Krankheit zu stärken, erklärt Andrea Lang.

In Hamburg sowie Berlin hat die Fotografin schon an die 30 Bäuche und Gesichter abgelichtet. Durch die Förderung des Elbkulturfonds der Stadt Hamburg, Behörde für Kultur und Medien, kann das Fotoprojekt auf mehrere Städte ausgeweitet werden.

Auch interessant

Am Sonnabend, 11. Mai, ist Andrea Lang in Köln, am 21. September ist ein Termin in Würzburg geplant. Trotz der Förderung wird das Projekt bislang ehrenamtlich von der selbstständigen Fotografin gestemmt. „Es wird von den Betroffenen so dankbar angenommen und dadurch immer größer und zeitaufwendiger“, stellt Andrea Lang fest.

Um alle Regionen abdecken zu können, fehle ihr leider noch eine Fördersumme. „Wer das Projekt unterstützen möchte, sei es finanziell oder mit einem Pressekontakt oder Ideen zu Sponsoren oder Förderungen, ich freue mich über jede Hilfe“, sagt die Fotografin.

Einzelausstellung an der Grindelallee in Hamburg

Die Serie wird erstmalig vom 8. bis 20. Juli in der Gruppenausstellung „KRAFT“ des Female Photoclub in der Akademie für Fotografie (Gaußstraße 149) in Altona gezeigt. Zum Ende des Jahres plant die Künstlerin eine Einzelausstellung in einem Pop-up-Raum an der Grindelallee, die dort vom 25. Dezember bis 7. Januar zu sehen sein soll. Zu verfolgen ist das Projekt @ENDO.SCHWESTERN auf Instagram oder über die Internetseite www.fotografiehamburg.de.