Hamburg. Anwohner sind beunruhigt über Entwicklung im beschaulichen Stadtteil. Kritik an Informationspolitik. Welche Details bekannt sind.

Die Nachricht, dass am Garstedter Weg in Hamburg-Niendorf bereits in wenigen Wochen zwei neue Unterkünfte für Obdachlose eröffnet werden, sorgt in dem Hamburger Stadtteil für sehr viel Unruhe. In der Fett‘schen Villa mit der Hausnummer 20 sollen 16 Personen unterkommen, in der früheren Seniorenresidenz, Hausnummer 79-85, bis zu 118 Obdachlose mit gesundheitlichem und pflegerischem Bedarf.

Die Fett‘sche Villa war zuvor von der Alsterdorf Assistenz West gGmbH Wohnen und Assistenz für behinderte Menschen genutzt worden. Sie ist im Besitz des Landesbetriebs Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG) und wird durch die Lawaetz Stiftung verwaltet. In dem Altenheim an der Ecke zum Burgunderweg waren zuletzt nach Auskunft der Betreiber wegen fehlender Pflegekräfte viele Plätze nicht mehr belegt.

Hamburg-Niendorf: Verunsicherte Anwohner melden sich bei der CDU

Bei der CDU im Stadtteil und im Bezirk melden sich seit Bekanntwerden der Pläne nun viele verunsicherte Niendorfer. „Die Bürger sind wegen dieser Informationspolitik so enttäuscht wie nie zuvor. Wir haben selten bei einem Thema so viele Anrufe gehabt“, sagt die CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Silke Seif. „Das Hauptproblem ist die fehlende Kommunikation des Senats, so funktioniert das nicht. Das ist ein großer Fehler.“

Sie kritisiert, dass sowohl direkte Anlieger, aber auch die Eltern von Kita- und Grundschulkindern sowie die Stadtteilbewohner generell bislang nicht informiert wurden, sondern Anfang vergangener Woche aus den Medien von den Plänen erfahren mussten.

Garstedter Weg: Viele Eltern in Niendorf sorgen sich um ihre Kinder

Viele Eltern aus der gegenüberliegenden Grundschule Burgunderweg machten sich große Sorgen, so die CDU-Politikerin, und auch die Bedenken der Eltern, die Kinder in den zwei benachbarten Kitas Burgunderweg und Lütte Niendorfer haben, müsse der Senat ernst nehmen.

Viele Eltern in Niendorf machten sich Gedanken, wie sich der familienorientierte und grüne Stadtteil, für den es derzeit auch Nachverdichtungspläne gibt, gerade verändere. Sie machten sich auch konkret Sorgen darüber, ob die Grundschulkinder künftig noch alleine den Schulweg gehen könnten. „Passt eine direkte Nachbarschaft von Kita- und Grundschulkindern mit Suchtkranken aus dem Hauptbahnhof-Milieu zusammen? Ist der Garstedter Weg wirklich geeignet für diese Problematiken“, fragt Seif.

„Es gibt Eltern, die gesagt haben, sie melden die Kinder von der Schule ab, denn es gibt ja noch andere Grundschulen in Niendorf.“

Obdachlose in Niendorf: CDU-Politikerin kritisiert Informationspolitik des Senats

Am vergangenen Freitag gab es immerhin ein erstes Gespräch des Elternrats der Grundschule mit Vertretern der Sozialbehörde und von Fördern & Wohnen. Doch Silke Seif hält das nicht für ausreichend: „Mal wieder erfolgte keine frühzeitige und niedrigschwellige Informationspolitik durch den rot-grünen Senat“, kritisiert die familienpolitische Sprecherin der CDU.

Laut Sozialbehörde soll es in wenigen Wochen eine Anwohnerinformation geben, angedacht ist der 12. März. Ort und Zeit werden noch bekannt gegeben. Zusätzlich ist vor der Inbetriebnahme ein Tag der offenen Tür geplant.

Niendorf: Familienstadtteil darf nicht zu Obdachlosentreffpunkt werden

Nach Angaben von Rüdiger Kuhn, CDU-Fraktionsvorsitzender im Bezirk Eimsbüttel, haben viele Niendorfer auch Sorge, dass der nahe gelegene Tibarg in dem Familienstadtteil künftig zum Treffpunkt Obdachloser werden könnte. Auch die Naherholungsgebiete rund um den Burgunderweg könnten zu einem Rückzugsort der zugezogenen Obdachlosen werden, fürchteten manche, sagt Kuhn.

Das Pflegewohnstift Garstedter Weg soll bereits im April zur Obdachlosenunterkunft werden.
Das Pflegewohnstift Garstedter Weg soll bereits im April zur Obdachlosenunterkunft werden. © Michael Rauhe / Funke Foto Services | Michael Rauhe

„Für Niendorf ist das eine komplett neue Situation. Diese Kurzfristigkeit ohne Vorwarnung, das ist die falsche Reihenfolge.“ Das trage zur tiefen Frustration bei vielen bei. In dem frei werdenden Pflegeheim hätte man für Azubis oder Studenten eine Wohnmöglichkeit schaffen können, diese könnten den Platz auch gut gebrauchen.

Obdachlosenunterkünfte: Behörde gibt Details zu Bewohnern bekannt

Inzwischen liegt die Antwort auf eine schriftliche Kleine Anfrage des CDU-Abgeordneten Andreas Grutzeck vor, die ein paar mehr Details enthält, und auch die Sozialbehörde hat eine Abendblatt-Anfrage ausführlich beantwortet. Demnach soll Fördern & Wohnen den Betrieb beider Einrichtungen ab 15. April 2024 aufnehmen.

Aufgenommen werden sollen im Garstedter Weg 79-85 erwachsene pflegebedürftige obdachlose Männer und Frauen, die „einen besonderen Bedarf an regelmäßiger medizinischer Versorgung haben und zugleich unter schweren chronischen Erkrankungen leiden und/oder Behinderungen aufweisen und/oder unter akuten Erkrankungen leiden, die bei Nicht-Behandlung zu einer Chronifizierung führen können“.

Es handele sich um einen speziellen Standort zur Unterbringung und Versorgung von besonders schwer erkrankten obdachlosen Menschen, jedoch weder um eine Pflegeinrichtung noch um eine Krankenhauseinrichtung im sozialrechtlichen Sinne, heißt es in der Antwort des Senats.

Unterkünfte für „schwerkranke, in ihrer Mobilität eingeschränkte Menschen“

Wolfgang Arnhold, Sprecher der Sozialbehörde, wirbt um Verständnis: „Es handelt sich um schwerkranke, in ihrer Mobilität eingeschränkte Menschen. Insbesondere um Personen, die oftmals nicht vom Regelversorgungsystem erreicht werden oder die dieses aus persönlichen oder leistungsrechtlichen Gründen nicht in Anspruch nehmen können.“

Es sollen bis zu zweimal wöchentlich ärztliche Sprechstunden mit jeweils drei bis vier Stunden angeboten und im Bedarfsfall an die Pflegefachkräfte für eine weitere pflegerisch-medizinische Versorgung vermittelt werden. Eine ärztliche Leitung ist aktuell nicht geplant.

Niendorf: In der Fett‘schen Villa sollen Obdachlose vorübergend unterkommen

In der Fett‘schen Villa soll ein sogenanntes Übergangswohnen für obdachlose Menschen ermöglicht werden, bei denen der Pflegebedarf nicht im Vordergrund steht. Dabei werden die Räumlichkeiten für die kurzfristige Unterbringung von obdachlosen Frauen und Männern (maximal 16 Personen) vorgesehen. Drogenkonsumentinnen und -konsumenten sind von der Aufnahme ausgeschlossen.

Die CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Silke Seif bekommt derzeit viele Anrufe von Niendorfern, die sich wegen der geplanten Obdachlosenheime am Garstedter Weg Sorgen um ihre Kinder machen.
Die CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Silke Seif bekommt derzeit viele Anrufe von Niendorfern, die sich wegen der geplanten Obdachlosenheime am Garstedter Weg Sorgen um ihre Kinder machen. © Public Address | Jan-Timo Schaube

„Durch die ganztägige Unterbringung sollen sich die Menschen stabilisieren und gemeinsam durch eine umfangreiche Sozialberatung Anschlussperspektiven entwickeln, um möglichst schnell aus dieser Unterkunft wieder ausziehen zu können“, sagt der Behördensprecher. Ihnen sollen seinen Angaben zufolge mögliche Perspektiven aufgezeigt werden wie eine Rückkehr ins Heimatland, Realisierung von Leistungsansprüchen oder die Weitervermittlung in Wohnraum.

Jetzt wurde bekannt: Erste Gespräche gab es bereits im September 2023

Wie viel Personal an beiden Standorten eingesetzt wird, steht laut Arnhold noch nicht fest, aber: „Beide Standorte sind rund um die Uhr besetzt. Neben einer Teamleitung wird an beiden Standorten Personal mit folgenden Funktionen eingesetzt: Sozialmanagement, Unterkunftsmanagement, Angestellte mit Betreuungsaufgaben, Leitung und Koordination und Technischer Dienst. Weiterhin wird zu den Nachtstunden ein Sicherheitsdienst eingesetzt.“

Laut Behördensprecher Wolfgang Arnhold soll sichergestellt sein, dass die untergebrachten Personen zu jedem Zeitpunkt beausichtigt sind und es Ansprechpartner für Störungsmeldungen der Anlieger gibt.

Neue Unterkunft in Niendorf: Über Alkoholkonsum wird noch entschieden

„Es ist daher geplant, dass mindestens in der Anfangszeit nach der Inbetriebnahme der in der Einrichtung Garstedter Weg 79-85 tätige Sicherheitsdienst eine Außenbestreifung ab 6.45 Uhr im Radius von 500 Metern und bei Bedarf gegebenenfalls auch darüber hinaus vornimmt. Zudem werden zwei Kräfte vor der Einrichtung in der Zeit ab 7 Uhr positioniert.“

Darüber, ob in den Einrichtungen Alkohol konsumiert werden darf, werde noch beraten, so Arnhold. Es werde noch ein Konzept entwickelt.

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Zu den Einzelheiten werde es einen weiteren Austausch mit der Schule und den Kitas geben. Ein Zugeständnis, das der Senat macht: Er stellt eine Auswertung des Betriebs der neuen Obdachlosenunterkunft sechs Monate nach der Inbetriebnahme in Aussicht.

CDU-Politikerin ruft Niendorfer auf, bei Bezirksversammlung nachzufragen

Erste Gespräche zur Anmietung hat F&W in dem Altenpflegeheim übrigens bereits nach einer Besichtigung im September 2023 geführt. Diese seien vom bisherigen Betreiber ausgegangen. Zum 1. April wird der Standort angemietet. Am 16. Februar wurde die Anhörung der Bezirksversammlung eingeleitet.

Silke Seif ermuntert die Niendorfer daher, zur öffentlichen Fragestunde der Bezirksversammlung zu gehen. Die Sitzung findet am Donnerstag, 29. Februar, um 18 Uhr im Eimsbütteler Bezirksamt, Ferdinand-Streb-Saal (Raum 1275, 12.Stock), Grindelberg 62-66, statt. Dort steht im öffentlichen Sitzungsteil die „Inbetriebnahme einer Unterkunft für obdachlose Menschen mit medizinischem und/oder pflegerischem Unterstützungsbedarf im Garstedter Weg“ auf der Tagesordnung.

Hamburg-Niendorf: Sorge der Anwohner am Garstadter Weg ernst nehmen

Natürlich stehe es außer Frage, dass obdachlose Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen und/oder Suchterkrankungen zu den besonders vulnerablen Gruppen gehörten und Unterstützung bräuchten, so Seif, die auch Vor­sitzende des CDU Orts­ver­bandes Lok­stedt-Nien­dorf-Schnel­sen ist. „Doch es gilt auch, die Sorgen der Anwohner rund um den Garstedter Weg zu sehen und ernst zu nehmen.“

Seif hat daher eine weitere schriftliche Kleine Anfrage an den Senat gestellt. Der Titel: „Bessere Chancen für Obdachlose – Drei-Punkte-Plan der Sozialsenatorin sorgt für Unmut, besonders im Stadtteil Niendorf“. Die Antworten stehen noch aus.