Hamburg. Bei den „Belugas“ ist ein bestimmter Body-Mass-Index die einzige Bedingung. Die Männer haben viel Humor – und ein großes Ziel.
Weil er mit Männern, die weniger auf die Waage bringen und dadurch athletischer sind, auf dem Fußballplatz nicht mithalten konnte, hat Alexander Conradi im Bezirk Hamburg-Eimsbüttel eine Fußballmannschaft extra und ausschließlich für Dicke gegründet. Mitmachen darf nur, wer auch schwer genug ist. Weitere Schwergewichte sind willkommen.
Wie ist es denn nun politisch korrekt, darf man überhaupt dick sagen? Alexander Conradi nennt sich selbst so: „Man kann uns als dicke Jungs bezeichnen. Ich nenne das ganze Projekt auch gerne das dickste Projekt Hamburgs.“
Eimsbüttel: Bei den „Belugas“ spielen nur dicke Männer Fußball
Seit August treffen sich Conradi und die anderen Mitspieler immer freitags auf dem Fußballplatz des SC Victoria an der Gärtnerstraße in Hoheluft-West zum Kicken, manchmal weichen sie auf die Fläche am Lokstedter Steindamm aus. „Belugas“ heißt die Freizeitmannschaft für Männer, die zwar dick sind, aber trotzdem gern Fußball spielen und sich bewegen wollen.
Mit den üblichen Herrenmannschaften könnten sie einfach nicht mithalten, sagt Alexander Conradi. „Da gibt es Probleme mit der Kondition, Beweglichkeit und Schnelligkeit“, sagt der 25-Jährige. Er hat deshalb einmal American Football ausprobiert – ein Sport, bei dem es durchaus auf Masse ankommt. Aber seine Leidenschaft gilt seit Kindheitstagen dem Fußball.
Als 15-Jähriger war er noch dünner, spielte regelmäßig im Verein. Irgendwann während seiner Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann nahm er zu. Damit begann ein Kreislauf, aus dem er und auch die anderen, die hier mitspielen, nur schwer wieder herauskommen: Wenig Bewegung und die falsche Ernährung führen dazu, dass das Gewicht weiter steigt und der Bewegungsdrang weiter abnimmt. Frustrierend kann das sein.
Dicke Männer spielen zusammen Fußball – alle wollen fitter werden
Und so ist das Ziel der zwölf Männer, die an diesem Abend bei Sprühregen 90 Minuten lang trainieren, klar definiert: Sie wollen fitter werden und abnehmen. Insgesamt spielen 20 Männer bei den „Belugas“ mit: Der älteste Spieler ist über 50 Jahre alt, der jüngste ist Diego Selke, der mit seinem Vater – ebenfalls fülliger als die Norm – extra aus Neugraben zum Training fährt.
Der 16-Jährige fühlt sich wohl unter den ganzen schweren Jungs: „Ich bekomme sonst schon blöde Kommentare und fühle mich ausgegrenzt“, sagt er. Während der Corona-Zeit hat er sehr viel zugenommen.
Bei den „Belugas“ spielt es keine Rolle, wenn man mal außer Atem ist und eine Pause braucht – das ist völlig in Ordnung. „Alle sind supernett, wenn man nicht mehr kann und an der Seite pausiert“, sagt Diego. Und das regelmäßige Training zeigt erste Erfolge: „Meine Kondition hat sich schon verbessert.“
Eimsbüttel: Fußball-Training für Dicke ist anstrengend und fordernd
Kein Wunder bei dem Aufwärmtraining: Es ist auch für Menschen mit Normalgewicht anstrengend, im langen Ausfallschritt den einen Arm hochzuheben, Gewicht und Balance zu halten oder die Beine waagerecht abwechselnd auszustrecken. Oder auf dem Kunstrasenplatz hin und her zu laufen und dabei immer wieder mit einer Hand den Boden zu berühren. Das ist schweißtreibend.
Auch Murat Firat aus Mümmelmannsberg kommt regelmäßig zum Training der „Belugas“. Der 26-Jährige hat – wie er sagt – „Bock zu kicken“. Aber körperlich ist das gar nicht so einfach. „Ich muss spielerisch ziemlich schuften, bin langsam, habe wenig Kondition. Mein Herz muss ganz schön pumpen, mein Kreislauf ist gefordert.“
Mitspielen darf, wer einen Body-Mass-Index von mindestens 30 hat
Mitspielen darf, wer einen Body-Mass-Index von 30 und mehr hat. Der Body-Mass-Index (kurz: BMI) steht für einen Wert, der Größe und Gewicht eines Menschen ins Verhältnis setzt. Die BMI-Formel lautet: Körpergewicht (in Kilogramm) geteilt durch Körpergröße (in Metern zum Quadrat). Im Internet gibt es Möglichkeit, den BMI ausrechnen zu lassen.
Der Unterschied zwischen den „Belugas“ und Fußballern mit Normalgewicht? „Unsere Spielweise ist langsamer“, sagt Alexander Conradi. Drei bis vier Sprints, dann werde die Luft schon enger. „Und bei uns geht es mit den Oberkörpern etwas ruppiger zu, dafür macht Rumgrätschen bei uns keinen Sinn“, sagt er und lacht. Das gehe zu sehr auf die Gelenke, die ohnehin stark beansprucht sind. Humor haben die schwergewichtigen Kicker.
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Beim reinen Freizeitkicken soll es nicht bleiben. Noch sucht Alexander Conradi weitere dicke Mitspieler. Irgendwann – so sein Traum – spielen sie in einer eigenen Liga, so wie eine Truppe in Nordrhein-Westfalen. „Es gibt genug Männer in Hamburg, die zu viel auf den Rippen haben“, so Conradi. Wer mitmachen möchte, kann sich per E-Mail melden: alexander.conradi@sc-victoria.de.