Hamburg. Die ersten zertifizierten Moorführerinnen erklären, warum das Ohmoor so beliebt ist – und wieso man Hunde zwingend anleinen muss.
Die beiden Schilder direkt am Durchgang sind eigentlich nicht zu übersehen, trotzdem ignorieren viele Spaziergänger mit Hunden und Reiter auf ihren Pferden die Anleinpflicht und das Reitverbot. Wer nicht sehenden Auges losspaziert, könnte denken, dass er durch ein gewöhnliches Stück Wald in Niendorf Nord spaziert.
Doch wer mit Marion Thishen-Hendess und Gerlind Berghahn unterwegs ist, lernt schnell, dass es sich bei der Fläche am Rande des Hamburger Flughafens um ein ganz besonderes Areal handelt – das Ohmoor. Hier wachsen viele seltene Pflanzen, aber auch die Moor-Birke, die zum Baum des Jahres 2023 gekürt wurde.
Flughafen Hamburg: Naturparadies Ohmoor direkt an der Landebahn
Die beiden Frauen gehören zu den ersten zertifizierten Moorführerinnen Deutschlands. Der erste entsprechende Lehrgang bei der Loki-Schmidt-Stiftung ist im Juli 2023 zu Ende gegangen. Zwölf Frauen und acht Männer aus Norddeutschland dürfen sich nun „zertifizierte Natur- und Landschaftsführer*innen mit dem Schwerpunkt Moore in Hamburg und Umgebung“ nennen.
Sie sind deutschlandweit die ersten, die diesen von der Loki-Schmidt Stiftung konzipierten dreimonatigen Lehrgang erfolgreich abgeschlossen haben und können nun vielfältige Veranstaltungen für Schulklassen, Kinder- und Erwachsenengruppen anbieten.
Moorführerinnen wollen spezielles Wissen an Interessierte weitergeben
Etwa 95 Prozent der Moorflächen in Deutschland sind nach Angaben der Stiftung entwässert, abgetorft oder werden landwirtschaftlich genutzt. Das sei ein alarmierender Zustand, denn Moore seien nicht nur komplexe Ökosysteme, sondern auch Lebensräume für hoch spezialisierte Pflanzen- und Tierarten sowie die größten und effektivsten Kohlenstoffspeicher auf der Erde.
Gerlind Berghahn ist als Biologielehrerin am Gymnasium Ohmoor ohnehin vom Fach. Sie hat das nahe gelegene gleichnamige Moor schon immer gern für Exkursionen mit ihren Schülern genutzt. Marion Thishen-Hendess, die als Coach arbeitet und in Niendorf lebt, kannte die Gegend auch schon vor der Ausbildung sehr gut. Nach dem Lehrgang können nun beide mit vielen spannenden Informationen zum Ohmoor aufwarten.
Im Hamburger Ohmoor gilt Reitverbot sowie die Leinenpflicht für Hunde
Dass im Moor ein Reitverbot gilt sowie die Leinenpflicht für Hunde, die grundsätzlich in Naturschutzgebieten gilt, ist kein Geheimnis – dafür gibt es die Beschilderung. Kurios ist: Auf der schleswig-holsteinischen Seite ist das Ohmoor ein Naturschutzgebiet, auf Hamburger Gebiet jedoch nur ein Landschaftsschutzgebiet und Flora-Fauna-Habitat (FFH-Gebiet).
Ignoranten Hundebesitzern, die ihre Tiere frei laufen lassen oder die Hundekotbeutel einfach am Wegesrand liegen lassen, ist der Unterschied allerdings ohnehin egal. „Viele Hundeführer nutzen das Ohmoor als Auslaufgebiet, aber das ist problematisch“, sagt Berghahn. Nicht nur, weil es dem Moor schadet, es könne auch für die Hunde gefährlich werden.
Denn im Moor gibt es nicht nur seltene Arten wie den Feld-Sandlaufkäfer, Baumpieper und Ringelnattern, sondern ebenfalls Kreuzottern, deren Biss giftig ist. „Auch deshalb sollten Hunde nur angeleint laufen“, sagt ihre Kollegin, die selbst einen Hund hat.
Boden im Ohmoor federt und macht das Laufen besonders angenehm
Auch viele Jogger lieben die Wege durch das Gebiet. Die beiden Moorführerinnen führen vor, warum das so ist: Sie springen beide kurz in die Höhe und als sie wieder aufkommen, federt der Boden spürbar – das Moor ist ein schonender Untergrund für die Gelenke. Das Gehen wie auch das Laufen auf den Wegen sind für Füße und Beine daher eine Wohltat. Man gehe und jogge „wie auf Wolken“, sagt Berghahn. Und solange die Jogger und Spaziergängen auf den vorgegebenen Wegen bleiben, richteten sie keinen Schaden an.
Timo Zeimet, Projektleiter „Moore schützen – Moore verstehen“ bei der Loki-Schmidt-Stiftung, sagt: „Wir müssen dringend handeln, um intakte Moore zu erhalten und zerstörte Moore wieder zu vernässen. Neben Maßnahmen zum Schutz und für die Renaturierung von Mooren nimmt die Vermittlung von Wissen rund um das wertvolle Ökosystem einen wichtigen Stellenwert ein.“ Daher sei die Arbeit der Moorführerinnen und -führer so wichtig.
Ehemals umfasst das Ohmoor in Hamburg 450 Hektar Fläche
Von den ehemals 450 Hektar des Ohmoors sind laut Gerlind Berghahn nur noch etwa 40 Hektar übrig. Die Nähe zum Flughafen sei ebenfalls kritisch wegen des hohen Stickstoffeintrags, weil dieses für das Moor schädlich ist.
„Aber das lässt sich nicht mehr zurückdrehen. Es ist ein schwieriger Ort für ein Moor“, sagt die Biologielehrerin. Früher sei das Areal etwa drei Meter höher gewesen, doch noch bis in die 1960er-Jahre wurde hier Torf gestochen, entsprechend abgeflacht ist es jetzt.
Moor wächst nur einen Millimeter pro Jahr
Um das Hochmoor zu renaturieren müsste man Niendorf Nord fluten, sagt sie, aber das wolle natürlich niemand. Aber das zu schützen, was noch vorhanden ist, sei ihr und ihrer Kollegin ein großes Anliegen.
Das Moor wachse nur einen Millimeter pro Jahr, erklären die beiden, also nur einen Zentimeter in zehn Jahren. Moor sei wichtig für den Klimaschutz. Tragisch sei, dass es durch die Klimaerwärmung immer trockener falle.
Im Ohmoor wachsen etliche seltene Pflanzenarten
Wer mit einer der frisch ausgebildeten Moorführerinnen hier entlang spaziert, kann jedenfalls viel lernen. „Wir arbeiten immer mit einem pädagogischen Methodenmix aus Wissensvermittlung und selbst erleben“, erklärt Marion Thishen-Hendess.
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Und so lernt man unterschiedliche Heidepflanzen kennen, die hier im Ohmoor gerade blühen, etwa Glocken-, Rosmarin- und Besenheide, aber auch Moosbeere, den Rundblättrigen Sonnentau oder etwa das Scheidige Wollgras und das Weiße Schnabelried – zwei überaus reizvolle Gräserarten.
Ohmoor in Hamburg: Im Herbst gibt es etliche Termine für geführte Touren
Es gibt Führungen für Familien, Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter sowie Erwachsenengruppen. Angeboten werden sie auch als Teamveranstaltung für Unternehmen als Geburtstagspakete. Buchbar sind die Touren sowohl über die Loki-Schmidt-Stiftung als auch direkt bei den Moorführerinnen.
Im September gibt es mehrere Touren, beispielsweise am 2. September (16 Uhr) oder am 30. September um 15 Uhr. Weitere Infos und Buchungsanfragen direkt an Thishen-hendess@web.de oder Gerlind.berghahn@gmx.de oder unter www.loki-schmidt-stiftung.de