Hamburg. 52-Jähriger soll seine Lebensgefährtin aus Hamburg verschleppt, geschlagen und gefesselt haben. Auch sein Sohn ist angeklagt.

Sie waren 23 Jahre lang ein Paar. Offenbar hat Andre H. geglaubt, dass es immer so weitergehen würde. Und wenn die Liebe nicht mehr reicht, dann müsse er eben mit Gewalt nachhelfen, damit seine Lebensgefährtin auf jeden Fall bei ihm bleibt. Für die Frau wurde das Finale ihrer Beziehung so ein Martyrium, in dem die 39-Jährige als Geisel genommen wurde — und um ihr Leben fürchtete.

So sieht es zumindest die Anklage, die den früheren Freund von Cornelia S. vor das Landgericht gebracht hat. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 52-Jährigen Geiselnahme und gefährliche Körperverletzung vor. Laut Ermittlungen spannte An­dre H. für die Tat, die sich vom 13. April 2020 über mehrere Tage hingezogen haben soll, auch noch seinen 25 Jahre alten Sohn Manuel (aus einer früheren Beziehung) sowie dessen gleichaltrigen Freund Christoph C. ein. Auch diese beiden jüngeren Männer sind unter anderem wegen gemeinschaftlicher Geiselnahme angeklagt.

Geiselnahme: Mann soll Frau in Hamburg entführt haben

Andre H. ist ein schmaler Mann mit verhärmten Gesichtszügen. Still sitzt er da, während der Staatsanwalt mit der Verlesung der Anklage Revue passieren lässt, was Andre H. seiner damaligen Lebensgefährtin angetan haben soll. Demnach fällte sie ihren Entschluss, sich von ihm zu trennen, als ihr Lebensgefährte am 5. Fe­bruar 2020 in der gemeinsamen Hamburger Wohnung wegen einer mutmaßlichen Vermögensstraftat verhaftet wurde. Doch dass die Beziehung nun endgültig zu Ende sein sollte, habe Andre H. partout nicht akzeptieren wollen.

Laut Anklage entschloss sich der 52-Jährige, seine Ex-Freundin nun in seine Gewalt zu bringen und so lange gegen ihren Willen festzuhalten, bis sie einer Fortführung der Beziehung zustimmen würde. Die Tat spielte sich den Ermittlungen zufolge so ab: Gut zwei Monate nach der Trennung, am 13. April 2020, lockte Andre H. seine frühere Lebensgefährtin unter einem Vorwand in sein Auto. Die Fahrt ging über etwa drei Stunden bis nach Bad Bentheim. In einem Waldstück  schlug er der Frau der Anklage zufolge mit der Faust ins Gesicht und fesselte ihr die Hände auf den Rücken. Er erklärte, dass sie nicht nach Hause zurückkomme und drohte ihr an, sie mit einer Schaufel, die er im Kofferraum habe, im Wald zu vergraben.

Sohn des Angeklagten soll  bei der Tat geholfen haben

Im Wagen habe er außerdem eine Waffe, mit der er sie erschießen könne. Cornelia S. habe den 52-Jährigen „weinend um ihr Leben“ angefleht, trägt der Staatsanwalt weiter aus der Anklage vor. Erst am nächsten Tag habe Andre H. ihr zugestanden, wieder nach Hause zurückzufahren — falls sie nichts der Polizei sage.

Die Frau meldete den Fall dennoch und erstattete Strafanzeige. Nun habe der Angeklagte sich entschlossen, die 39-Jährige erneut in seine Gewalt zu bringen, so die Staatsanwaltschaft weiter. Damit habe sich der Leidensweg des Opfers fortgesetzt. Für eine zweite Entführung soll Andre H. seinen Sohn Manuel und dessen Freund Christoph C. um Unterstützung gebeten haben. Dem Freund seines Sohnes habe der 52-Jährige für seine Beteiligung an einer Entführung ein Entgelt von 1000 Euro geboten. Das Trio habe sich nun am 19. April in einem hierfür angemieteten Auto auf der Straße vor der Wohnung von Cornelia S. postiert und sei schließlich ihr und ihrem gemeinsamen 19 Jahre alten Sohn unbemerkt in die Tiefgarage gefolgt.

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Wie die Tat weitergegangen sei, liest sich in der Anklage so: Andre H. begann damit, seine frühere Lebensgefährtin aus ihrem Fahrzeug zu ziehen. Als ihr Sohn sich nun schützend vor seine Mutter stellte, schoss sein älterer Halbbruder Manuel H. zweimal mit einem Taser auf ihn, allerdings blieb der Angriff nahezu wirkungslos. Dann seien die beiden 25-Jährigen gemeinsam auf den jungen Mann losgegangen und hätten ihn zu Boden gebracht. Währenddessen soll Andre H. seine Ex-Partnerin auf die Rückbank des Mietwagens verfrachtet und losgefahren sein.

Während sie im Auto saßen, habe der 52-Jährige dem Opfer gedroht, er habe „kein Problem, ihr eine Kugel in den Kopf zu jagen“. Die Fahrt ging zunächst nach Wedel und dort in ein Waldgebiet. Hier habe Christoph C. die ihm versprochenen 1000 Euro erhalten, dann seien die beiden 25-Jährigen weggefahren. Nun soll Andre H. die Frau in dem Mietwagen weiter zu einem Feldweg bei Elmshorn verschleppt haben und am nächsten Morgen in die Wohnung eines Bekannten im niedersächsischen Nordhorn, wo er das Opfer gefangen hielt — bis am 25. April Beamte des MEK den Verdächtigen überwältigten und die Frau befreiten.

Zehn Prozesstage angesetzt

Am ersten Verhandlungstag wollte sich keiner der Angeklagten zu den Vorwürfen äußern. Für den Prozess sind zehn Tage bis Ende August terminiert.