Hamburg. Der Ex-Partner einer Frau hatte diese zusammen mit Komplizen verschleppt – vor den Augen des gemeinsamen Sohnes.
Die Tat geschah offenbar vor den Augen ihres Sohnes – und erst nach sechs Tagen hatte die Frau ihre Freiheit zurück: Spezialkräfte des Mobilen Einsatzkommandos (MEK) der Hamburger Polizei haben am Sonnabend eine Entführung unblutig beenden können.
Das Opfer, eine 39-Jährige aus Eidelstedt, war mutmaßlich von ihrem ehemaligen Lebensgefährten und Vater ihres Kindes in seine Gewalt gebracht und nach Nordhorn in Niedersachsen verschleppt worden, rund 275 Kilometer südwestlich von Hamburg. Dem 50 Jahre alten Verdächtigen droht nach seiner Festnahme eine Anklage wegen Entführung, Geiselnahme und gefährlicher Körperverletzung. Möglicherweise hatte er die Trennung von der Frau nicht verkraftet und deshalb die Tat geplant.
Nach Angaben von Polizeisprecher Holger Vehren war die Frau bereits am Sonntag vor einer Woche verschleppt worden. Der Verdächtige hatte demnach mutmaßlich Unterstützung von zwei Komplizen. Zu dritt seien sie der 39-jährigen Frau zunächst bis zu der Wohnung in Eidelstedt gefolgt, in der das frühere Paar zuvor mit ihrem 18 Jahre alten Sohn zusammengelebt hatte.
Mutmaßliche Täter wechselten das Fluchtauto
In der Tiefgarage des Mehrfamilienhauses stürmten die Männer demnach plötzlich auf die 39-Jährige, überwältigen und verschleppten sie – der Jugendliche musste die Tat mit ansehen, blieb selbst aber unverletzt. Zunächst flüchteten die Täter mit ihrem Opfer in einem VW Polo. Die Hamburger Polizei richtete schnell eine sogenannte „Besondere Aufbauorganisation“ (BAO) ein, um die Frau zuretten.
Das erste Fluchtauto wurde daraufhin in Schleswig-Holstein gefunden, jedoch ohne weitere Spur auf die Täter und das Opfer. Die Ermittlungen der Beamten ergaben jedoch, dass die Entführer in einen grünen BMW umgestiegen waren, um ihre Flucht weiter fortzusetzen. Möglicherweise bewegten sie sich dabei sofort in Richtung Westen und hatten den VW Polo als falsche Fährte für die Ermittler in Schleswig-Holstein platziert.
Sohn richtet sich in Botschaft an Geiselnehmer
Die Ermittler in der BAO stellten weitere umfangreiche Ermittlungen an. Der Sohn der 39-jährigen Frau richtete sich auch öffentlich an den mutmaßlichen Geiselnehmer: „Bitte lass meine Mama gehen!“, schrieb er in einem Brief in der „Bild“-Zeitung. Bis zum Wochenende gelang es den Beamten, den mutmaßlichen Entführer und sein Opfer nahe der niederländischen Grenze aufzuspüren.
Am Sonnabendmittag rückte die Spezialeinheit in Nordhorn an. Das MEK überwältigte den 50-Jährigen um 13.50 Uhr beim Betreten eines Hauses. Die 39-Jährige war zu diesem Zeitpunkt bei ihm. Sie blieb unverletzt. Die beiden Komplizen, die ihm bei der Entführung geholfen haben sollen, waren nicht vor Ort.
Mutmaßlicher Entführer sitzt in Haft
Weil gegen ihn bereits ein Haftbefehl wegen eines Diebstahldeliktes in Cloppenburg in Niedersachsen vorlag, wurde der Hamburger nach seiner Festnahme der Haftabteilung des Landgerichts Oldenburg vorgeführt und sitzt nun dort vorerst in Haft. „Das zweite Fluchtfahrzeug, ein 3er-BMW, konnte ebenfalls sichergestellt werden“, sagte ein Polizeisprecher am Sonntag.
Allein für den voraussichtlichen Tatvorwurf der Freiheitsberaubung droht dem Mann im Falle einer Anklage eine Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und fünf Jahren. Bei Entführungen von mehr als einer Woche Dauer verschärfen sich die Strafen nach dem Gesetz deutlich. Die Ermittlungen der Polizei zum genauen Ablauf der Tat, den Hintergründen und den Komplizen dauern noch an.