Hamburg. Das Geld aus dem Verkauf wurde für einen ausgeglichenen Haushalt benötigt – viele Gemeindemitglieder sind trotzdem empört.

Mit ihrer neoklassizistischen Fassade und den hohen Säulen wirkt die Villa hochherrschaftlich – und etwas deplatziert. Man könnte sie sich eher inmitten eines Parks vorstellen. Doch das 1909 errichtete, denkmalgeschützte Gebäude liegt mitten im Harvestehuder Villenviertel zwischen Klosterstern und Alster.

Jahrzehntelang war es im Besitz der Hauptkirche St. Nikolai und Mittelpunkt des lebendigen Gemeindelebens. Hier trafen sich Kinder-, Jugend-, Senioren- und Pfadfindergruppen, wurden Bibelstunden und Vorträge abgehalten und Weihnachtsbasare veranstaltet. Jetzt wurde die Villa an der Abteistraße verkauft.

Gemeindemitglieder sind empört über Verkauf der Villa

Viele Gemeindemitglieder sind empört über diesen vom Kirchengemeinderat beschlossenen Schritt. „Mit der Villa hat die Gemeinde der St. Nikolaikirche ihr Herz verloren“, sagt Ines Wölber. Ihr Vater, der spätere Landesbischof Hans-Otto Wölber, hatte die Harvestehuder Gemeinde ab 1956 als Hauptpastor aufgebaut, sie selbst war dort lange aktiv – unter anderem 15 Jahre im Kirchenvorstand (der seit Gründung der Nordkirche 2012 Kirchengemeinderat heißt).

Die Hauptkirche St. Nikolai am Klosterstern.
Die Hauptkirche St. Nikolai am Klosterstern. © Michael Rauhe | Michael Rauhe

Dort wurde vor Jahren auch erstmals diskutiert, sich von der Villa zu trennen und das neben der Kirche liegende, 2003 erbaute neue Gemeindehaus unterirdisch zu erweitern, um neue Räume für die Kinder-, Jugend- und Seniorenarbeit zu schaffen.

„Auf einer außerordentlichen Gemeindevollversammlung im September 2014 wurden die Pläne mit überwältigender Mehrheit abgelehnt“, erinnert sich Wölber. Doch der Kirchengemeinderat, dem jetzt der seit drei Jahren amtierende Hauptpastor Martin Vetter vorsitzt, hielt an den Planungen fest. Gegen Widerstand in den eigenen Reihen.

Vorwurf: St. Nikolai habe keine Alternativen geprüft

„Das benötigte Geld hätte der Kirchengemeinderat auch aus anderen kircheneigenen Immobilien generieren können“, glaubt Ines Wölber. Außer den erwähnten Immobilien sei die Nikolaigemeinde Eigentümerin von zwei Villen am Harvestehuder Weg sowie je einem Gebäude an der Heilwigstraße und am Ballindamm.

„Aber alternative Möglichkeiten wurden nie wirklich geprüft. Man hätte beispielsweise die großen Pastoratswohnungen im Harvestehuder Weg teilen und dadurch weitere Wohnungen schaffen und vermieten oder das Haus an der Heilwigstraße verkaufen können. Ebenso wenig gibt es Berechnungen, die den Verkauf der Villa rechtfertigen.“

Verkauf des Hauses war notwendig, sagt der Hauptpastor

Diese Vorwürfe weist Hauptpastor Vetter zurück. „Wir haben geprüft, ob wir das Haus an der Abteistraße untervermieten können. Eine gewerbliche Nutzung verbietet der Baustufenplan, einen Umbau das Denkmalschutzamt, sodass es nach den planungsrechtlichen Vorgaben auch als Kita ungeeignet gewesen wäre.“

Auch die Ideen für den Harvestehuder Weg und die Heilwigstraße seien nicht umsetzbar gewesen. Doch die Hauptkirche benötige Geld für einen ausgeglichenen Haushalt – auch wenn sie, anders als andere Gemeinden, konstante Mitgliederzahlen habe. „Unsere Einkünfte sind stabil, lassen sich aber nicht erhöhen, während die Personalkosten durch die tariflichen Vereinbarungen ständig steigen. Dadurch wird ein strukturelles Defizit aufgebaut“, erläutert Vetter.

Sanierung der Villa an der Abteistraße war sehr teuer

Zudem hätte die Sanierung der Villa die Gemeinde mehr als eine Million Euro gekostet – Mittel, über die die Gemeinde gar nicht verfüge. „Wir wollen aber Geld nicht in Gebäude, sondern in qualitätsvolle Arbeit stecken.“

Das stößt bei Gaby Stieleke auf Kritik, die den Verkauf des ehemaligen Gemeindehauses ebenfalls für einen großen Verlust hält. „Hätte man die Villa an der Abteistraße nicht jahrelang vernachlässigt, wäre der Sanierungsstau nicht so hoch“, vermutet sie.

Mit dem Gedanken, dass sich Kinder, Jugendliche und Senioren künftig in unterirdischen Räumen treffen sollen, kann sie sich nicht anfreunden. „Die Villa war hell und freundlich, es gab sogar einen Kamin. Der Kirchengemeinderat hätte dafür sorgen müssen, dass das Haus für die Gemeinde erhalten bleibt.“

Kirchengemeinderat beschloss Verkauf - mit nur einer Enthaltung

Dass der Verlust des ehemaligen Gemeindehauses für viele schmerzlich ist, sei ihm bewusst, so Pastor Vetter. Er hoffe, dass sich die Gemeinde damit ebenso abfinden werde wie der Kirchengemeinderat. „Auch dort gab es anfangs kräftigen Gegenwind – doch der Verkauf konnte schließlich ohne Gegenstimmen, wenn auch mit einer Enthaltung, beschlossen werden.“

Weil sich eine Kirche nicht einfach so von Eigentum trennen kann, wurde der Verkauf von der Kirchenaufsicht begleitet. Wie viel Geld die Gemeinde durch den Verkauf der Abteistraße 39 erzielt hat, darf Hauptpastor Vetter nicht öffentlich sagen. Wohl aber, dass ein Kredit in etwa der gleichen Höhe aufgenommen werden soll, um damit ein renditeträchtiges Zinshaus zu erwerben.