Eimsbüttel. Eine große Untersuchung soll klären, ob die teils harte Kritik am Umbau der beliebten Einkaufsmeile berechtigt ist – oder nicht.

Erfolg oder Reinfall? Das ist die Frage, die sich nach dem aufwendigen, acht Millionen Euro teuren und nicht unumstrittenen Umbau der Eimsbütteler Osterstraße objektiv schwer beantworten lässt. Deshalb startet der Bezirk nun eine große Untersuchung, während derer neben Passantenbefragungen, Unfallanalysen und Geschwindigkeitsmessungen auch Überwachungskameras zum Einsatz kommen.

Die Studie, die im Sommer geplant ist, soll Aufschluss darüber geben, wie zukunftsweisend und praxistauglich die in Fachkreisen hochgelobte und für Preise nominierte Sanierung der Einkaufsstraße tatsächlich war.

Acht Kameras an vier Standorten

Hintergrund ist, dass sich auch ein Jahr nach dem vielbeachteten Umbau kein eindeutiges Bild über die Verkehrssicherheit ergibt. Während viele Fußgänger zufrieden mit dem Platzgewinn sind, kritisiert die Mehrzahl der Radfahrern die schmale Führung auf der Fahrbahn sowie das verbreitete Zweite-Reihe-Parken. Händler wiederum schimpfen über fehlende Autostellplätze und Lieferflächen. Alles in allem dominieren Meinungen die Bewertung. Von der Evaluation erhofft sich der Bezirk eine belastbare Zustandsanalyse.

Die Untersuchung soll im Mai oder Juni ausschließlich an Werktagen stattfinden, analog zu einer Studie vor dem Umbau. Ziel sei eine gewisse Vergleichbarkeit. Neuerung ist, dass der Verkehr mit acht Kameras an vier Standorten überwacht werden soll. „Die Videoaufnahmen dokumentieren an drei Tagen den Leicht- und Schwerverkehr, den Radverkehr und die querenden Fußgänger“, so Bezirksamtssprecher Kay Becker.

Datenschutz werde gewährleistet

Datenschutzrechtliche Bedenken gebe es seitens des Amtes nicht. Personen sollen weder identifizierend zu erkennen sein noch werde Fehlverhalten umgehend geahndet. Vielmehr diene die Videoüberwachung der Messung des Verkehrsflusses und der Frage: Durchgangs- oder Zielverkehr mit Parkplatzsuche? Becker: „Die Maßnahmen werden wir vorher von der Verkehrsbehörde genehmigen lassen.“

Einweihung der neuen Osterstraße: Til Bernstein (Verein Osterstraße), Bezirksamtsleiter Kay Gätgens und Verkehrsstaatsrat Andreas Rieckhof
Einweihung der neuen Osterstraße: Til Bernstein (Verein Osterstraße), Bezirksamtsleiter Kay Gätgens und Verkehrsstaatsrat Andreas Rieckhof © Klaus Bodig/HA

Bekanntlich war die zentrale Achse des Stadtteils mit ihren 280 Geschäften zugunsten breiterer Gehwege verengt und mit teils bepflanzten Sprunginseln verschwenkt worden. Nach gut zweijähriger Bauzeit sollte sie als stilprägendes Beispiel Hamburger Straßenbaukunst dienen – als Boulevard mit Sicherheitsgewinn und Bewegungsfreiheit für Fußgänger und Radfahrer.

100 Parkplätze sind verschwunden

Verkehrsstaatsrat Andreas Rieckhof (SPD) bezeichnete den Umbau als „sehr gelungen“. Wie an der Fuhlsbütteler Straße sehe man an der Osterstraße die Zukunft der großstädtischen Einkaufsstraße. Tatsächlich erhöhen fast 500 Fahrradbügel inzwischen den Abstellkomfort für Zweiräder, büßte die 1,3 Kilometer lange Straße gut 100 Parkplätze ein.

Während der Erhebung wird das Augenmerk deshalb auf Auffälligkeiten im für den Handel wichtigen Lieferverkehr und die Parkplatzsituation gelenkt. Wer parkt wann wo wie oft und wie lange in zweiter Reihe oder auf dem Mittelstreifen? Welche Konflikte ergeben sich daraus mit Radfahrern oder Fußgängern? Wie viel Stau gibt es an den Kreuzungen? Zu welchen Zeitverlusten kommt es? Mit Radargeräten sollen Geschwindigkeitsprofile erstellt werden, eine Unfallanalyse der Polizei wird in die Bewertung einfließen.

Forderung nach Tempo 30

Dieser Aufwand wird nicht grundlos betrieben, denn Beschwerden und Pannen prägten bereits die Bauphase. Parkbügel wurden erst auf-, dann als Stolperfallen wieder abgebaut, Anwohner nutzten neue Verkehrsinseln zum Wildparken, Händler klagten über Umsatzeinbußen und der Hamburger Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) urteilte: „Viel besser als vorher, aber nach wie vor nicht konfliktfrei.“ Die Forderung nach Tempo 30 etwa blieb unerhört, ältere Radfahrer trauten sich nicht auf die Fahrbahn.

Mai 2018: Nach einem tödlichen Fahrradunfall einer Mutter aus Eimsbüttel hatten sich  Radfahrer zum Gedenken an die Unfallstelle auf die Osterstraße gelegt.
Mai 2018: Nach einem tödlichen Fahrradunfall einer Mutter aus Eimsbüttel hatten sich Radfahrer zum Gedenken an die Unfallstelle auf die Osterstraße gelegt. © Nico Bind/Hamburger Abendblatt | Nico Binde

Wie schon vor dem Umbau flankiert die Messungen eine breite Umfrage unter Gewerbetreibenden, Anwohnern, Besuchern und Kunden, um positive und negative Aspekte im Vergleich zu früher zu verdeutlichen. Dazu zählt auch, ob sich die Verkehrsmittelwahl geändert hat. Vor dem Umbau kam ein Drittel der Osterstraßenbesucher zu Fuß, ein weiteres Drittel mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Nur jeder Fünfte fuhr Rad, jeder Siebte Auto. Alle einte aber das Ziel: Sie waren zum Einkaufen da.

Passanten werden befragt

Beim von der Politik gebilligten neuen Erhebungskonzept soll die verschärfte Parkplatzsituation – sowohl legal, als auch illegal – bei stündlichen Rundgängen erfasst werden. Auch eine Kennzeichenerhebung ist geplant sowie eine Expertenrunde mit Behörden, Nahverkehrsunternehmen, ADAC, Stadtreinigung, ADFC, Handelskammer und dem Verein Osterstraße.

Schon vor der Sanierung wurde die Meinung von 42 Dienststellen, Vereinen und Institutionen eingeholt, hatten mehr als 1800 Passanten sowie einige Hundert Anwohner und Gewerbetreibende ihre Wünsche geäußert. Damals war sich die Mehrheit noch einig: Sie wollte Veränderung an der ergrauten Stadtteilachse, deren prägende Gestaltung aus den 50er-/60er-Jahren stammte.

Mit dem Ergebnis und den möglichen Konsequenzen der Evaluierung wird im Sommer gerechnet. Dann zeigt sich wohl, ob die Einschätzung von Bezirksamtsleiter Kay Gätgens nach der Eröffnung Bestand hat. Er sagte: „Die Osterstraße ist für die Zukunft gut aufgestellt.“