Eimsbüttel. Das DAX-Unternehmen betritt Neuland – und will seinen alten Stammsitz zu einem lebendigen Quartier in sehr gefragter Lage machen.

Nach 136 Jahren Unternehmensgeschichte wird der einzige DAX-Konzern Hamburgs bald Neuland betreten. Beiersdorf, die Aktiengesellschaft hinter Nivea, Labello oder Eucerin, will in den Wohnungsbau einsteigen und Vermieter werden. Das Unternehmen plant an seinem Stammsitz in Eimsbüttel ein neues Quartier.

Dort, wo heute noch die alte Konzernzentrale steht, sollen spätestens 2022 neue Wohnungen entstehen – ein Plan, der viele Hamburger interessieren dürfte. Denn nach dem Abriss des Verwaltungstraktes zwischen Unna- und Quickbornstraße kann man kaum zen­traler in einem der beliebtesten Stadtteile leben. Deshalb sind Anwohner eingeladen, bei der Gestaltung des frei werdenden, etwa 3,4 Hektar großen Geländes mitzuwirken. In einer „Stadtmacherei“ werden Ideen für Freiflächen, Mobilität und Infrastruktur gesammelt.

Bezirk Eimsbüttel unterstützt die Pläne

Die Werksfläche im extrem dicht besiedelten Eimsbütteler Kerngebiet bietet nicht nur aus Sicht des Konzerns Potenzial. Auch der Bezirk Eimsbüttel unterstützt die Pläne. Einerseits bestehe die außergewöhnliche Möglichkeit, im eng bebauten und nahezu ausverkauften Herzen des Stadtteils zusätzlich 600 bis 900 Wohnungen zu schaffen. Andererseits öffne sich damit auch erstmals nach Jahrzehnten eine nicht zugängliche Fläche – die Keimzelle und das ursprüngliche Werksgelände der Beiersdorf AG.

Wie die neuen Wohnhäuser aussehen werden, wie hoch gebaut wird und welche Plätze und Wege neu entstehen, das sei noch offen. Einige Fragen sind Teil der Bürgerbeteiligung, andere abhängig vom städtebaulichen Wettbewerb. Klar ist nur, „dass keine reine Blumenwiese entstehen wird“, sagt Jan Finke, Leiter der Immobilienentwicklung bei Beiersdorf. Mit dem Bezirk Eimsbüttel sei vereinbart, an dieser Stelle weiteren Wohnraum zu bauen. Eigentümer und Bauherr ist die Pensionskasse von Beiersdorf, die Troma. Deren Geschäftsführer Peter Wenzel sagt: „Eigentumswohnungen sind nicht geplant. Mit den neuen Häusern kommen Mietwohnungen an den Markt.“

Größtes Projekt der kommenden Jahre

Für Eimsbüttels Bezirksamtsleiter Kay Gätgens (SPD) eröffnet die verhältnismäßig große Fläche viele Möglichkeiten. Die Neubauten auf dem Beiersdorf-Gelände seien deshalb sicher „das größte“ Wohnungsbauprojekt der kommenden Jahre. In Dichte und Höhe werde sich das Quartier an den umliegenden Häusern orientieren, ein höherer Akzent nicht ausgeschlossen. „Wohnen und Arbeiten ist ein Riesenthema. Deshalb freut es mich, dass der Stadtteil ein neues Quartier bekommt.“

Jeder dritte Beiersdorfer wohnt im Umkreis von fünf Kilometern, viele kommen mit dem Rad. Gleichwohl sollen die neuen Wohnungen für alle Interessenten frei verfügbar sein.

Bedingung für den Start des Projekts ist der Abriss der raumgreifenden, in die Jahre gekommenen Konzernzen­trale. Im Jahr 2021, eher 2022, könnten die ersten Teile fallen. Denn derzeit baut sich Beiersdorf ein neues Hauptgebäude an der Troplowitzstraße. Erst wenn dieses Haus bezugsfertig ist und etwa 1500 Mitarbeiter umgezogen sind, wird an der Unnastraße mit dem Abbruch der alten Substanz begonnen.

Gebäudekomplex wurde mehrfach erweitert

Der Komplex wurde zwischen 1920 und 1988 immer wieder um Backstein- und Zweckbauten erweitert. Unter Denkmalschutz stehen die unterschiedlichen Rotklinkerhäuser, die viele wegen der runden Eckbebauung am Heußweg kennen, nicht. „Vielleicht wird das Viertel ohne diesen monolithischen Block offener“, sagt Troma-Chef Wenzel.

Um solche Gestaltungsfragen soll es bei der Bürgerbeteiligung gehen. „Schon mal ein Stadtquartier geknetet?“ Mit Slogans wie diesem soll die Nachbarschaft am heutigen Sonnabend (Schule Telemannstraße, Heußweg 65) zur Teilnahme ermuntert werden. „Wir wollen ein transparentes Verfahren, auch beim späteren städtebaulichen Wettbewerb“, sagt Jan Finke. Sowohl Bald- als auch Bestands-Eimsbütteler dürften ihre Vorstellungen vom neuen Quartier einbringen. Als Partner des Beteiligungsprozesses wurde die Hamburger Firma urbanista gewonnen, Experten bei solchen Formaten.

Fitnesstudio ist nicht betroffen

Zunächst nicht betroffen vom großen Umkrempeln ist das Fitnessstudio Meridian an der Quickbornstraße, bislang Mieter von Beiersdorf. Das Center habe einen bis 2030 gültigen Vertrag. Vorher werde dieser Komplex nicht abgerissen. Auch für ausreichend Parkplätze will der Bauherr nach Fertigstellung des Quartiers sorgen. Schon jetzt vermietet Beiersdorf über Nacht etwa 170 Stellplätze an die Anwohner. An diesem Modell soll festgehalten werden.

Zuletzt waren Nachbarn allerdings nicht so gut auf die Aktiengesellschaft zu sprechen. Beiersdorf lag im Streit mit benachbarten Kleingärtnern. Deren Parzellen wurden von der Stadt an Beiersdorf verkauft, um dort, jenseits der Troplowitzstraße, perspektivisch das Werk erweitern zu können. 2017 entschied das Unternehmen, sich auf die Troplowitzstraße zu konzentrieren. Bereits jetzt sitzen dort die Marketing- sowie die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen.

Der Standort der alten Zentrale, des künftigen Wohnquartiers an der Unnastraße, ist historisch begründet. Der damalige Eigentümer Oscar Troplowitz kaufte das seinerzeit noch vor den Toren der Stadt liegende Grundstück 1892. Die erste Fabrik entstand, das Unternehmen wurde in Eimsbüttel immer größer. Heute arbeiten dort 3500 Mitarbeiter an drei Standorten.

Infos heute: Schule, Heußweg 65 (10–16 Uhr) Infos im Netz: stadtmacherei-eimsbuettel.de