Hamburg. Meilenstein auf der A7: Das letzte Deckelstück für die A7-Lärmschutztunnelröhre wurde gegossen. Jetzt folgt der aufwendige Innenausbau.
Über eine gut 20 Meter lange Schlauchkonstruktion fließt der flüssige Beton in ein aus metallenen Streben bestehendes Netz. Die Bauarbeiter verteilen das grauen Gemisch an diesem Donnerstagmorgen gleichmäßig. Währenddessen rollte keine zehn Meter entfernt der Verkehr auf der Autobahn 7 in Schnelsen.
„Heute wird die Decke des letzten Tunnelelements gegossen“, sagt Christian Merl, Sprecher des Baukonsortiums Via Solutions Nord (VSN). Das Vergießen der 220 Kubikmeter Beton für die dann 600 Tonnen schwere Abdeckung wird nur einige Stunden dauern. Dann ist er fertig, der Rohbau der ersten Lärmschutztunnelröhre in Schnelsen.
Damit nimmt etwas Formen an, an dem mehrere Hundert Straßenplaner, Bauingenieure und Straßenbauer seit mehr als einem Jahrzehnt arbeiten und dessen Auswirkungen auf die Lebensqualität der Anwohner vielen Beobachtern erst nach und nach bewusst wird: Der Lärmschutztunnel wird die Schnelsener dauerhaft vor dem Verkehrslärm auf der A 7 schützen.
Lärmschutztunnel wird 560 Meter lang sein
Und er wird Schnelsen wieder zu jenem beschaulichen Ort machen, der er war, bis die Autobahn ihn brutal in zwei Teile zerschnitt. Rund 560 Meter lang wird der erste der drei auf Hamburger Gebiet geplanten Lärmschutztunnel am Ende sein. Er reicht von der Brücke Heidlohstraße über die Frohmestraße hinweg bis zur Anschlussstelle Schnelsen.
Die Fertigstellung des gesamten Bauwerks ist für Ende des Jahres 2018 versprochen. Die westliche Tunnelröhre, deren Rohbau am Donnerstag gefeiert wurde, werde allerdings schon im dritten Quartal kommenden Jahres für den Verkehr zur Verfügung stehen, sagte Hamburgs Verkehrssenator Frank Horch während eines Baustellenbesuchs.
Man sah dem Behördenchef die Freude an. Es sei faszinierend, zu beobachten, wie rasch so ein Bauwerk entstehe, meinte er. In der Tat ist es gerade mal fünf Monate her, als die ersten beiden sechs Meter hohen und 13 Meter langen Seitenwände gegossen wurden.
2500 Lkw-Ladungen Beton
Seitdem wurden - immer in zwei Schichten - 17.000 Kubikmeter Beton für die Tunnelröhre verbaut. VSN-Sprecher Christian Merl spricht von rund 2500 Lkw-Ladungen. Dreieinhalb Deckenelemente wurde in einer Woche gegossen. Die Tunnelbauer hatten dabei das Glück des Tüchtigen. „Das Wetter spielte mit“, sagte Merl. Selbst zuletzt blieben Minusgrade aus.
Und so konnte Bernd Rothe, Prokurist beim staatlichen Bauherrn Deges, am Donnerstag stolz verkünden: „Wir haben Wort gehalten, die erste Tunnelröhre steht.“ Nach der Weihnachtspause startet der Innenausbau. Kabelschächte, Entwässerungsanlage, Notgehwege, Fahrbahnen, Verkehrs- und Sicherheitstechnik müssten in dem hallenähnliche Gebäude installiert werden.
Was so einfach klingt, ist für die Verkehrsplaner eine große Herausforderung. Abgesehen von kurzzeitigen Sperrungen für den Abriss von Brücken muss während der Bauzeit der Verkehr auf der Autobahn fließen. Und zwar auf vier Spuren, wie der Bund als Auftraggeber fordert. Zu wichtig ist die Verkehrsader für den europäischen Verkehr.
Genauer Eröffnungstermin steht noch nicht fest
Hier in Schnelsen passieren jeden Tag im Schnitt mehr als 100.000 Fahrzeuge die Baustelle. Ein paar Kilometer weiter südlich, in Stellingen, wo ein weiterer Tunnel entstehen soll, sind es sogar mehr als 165.000. Rothe spricht daher von „Gegenverkehrsbetrieb“ und „vielen noch zu programmierende Schaltungen“. Angesichts der Unwägbarkeiten, die diese Arbeiten mit sich bringen, mag Rothe an diesem Donnerstag noch keinen genauen Termin für die Eröffnung der westlichen Tunnelröhre nennen.
An diesem Donnerstag steht Wirtschaftssenator Frank Horch aber erst einmal in dem hallenähnlichen Bauwerk. Ein Lastkraftwagen bringt gerade Nachschub und verdeutlicht ungewollt die Dimensionen. Mehr als vier Meter Deckenhöhe, gut 16 Meter breit. Mindestens drei Fahrspuren sollen im Normalbetrieb in einer Röhre Platz finden.
Rund 100 Millionen Euro kostet der Tunnel. Hamburg wird den größten Teil davon aus eigener Tasche bezahlen. Für die Erfüllung der gesetzlichen Lärmschutzanforderungen – und nur diese Kosten übernimmt der Bund – hätten mehrere Meter hohe Schutzwände gereicht. Eine Horrorvorstellung für die Anwohner. Mit dem Tunnel eröffneten sich faszinierende städtebauliche Chancen, sagt Horch. Auf der Tunneldecke beispielsweise soll ein Park entstehen.
Böse Überraschungen blieben aus
Davon ist an diesem Donnerstag noch nichts zu sehen. Statt dessen freuen sich die Bauingenieure darüber, dass beim eigentlichen Tunnelbau in den vergangenen Wochen böse Überraschungen ausblieben. Das sah im Frühjahr noch anders aus, als die Fertigung von 500 der in Summe 753 Betonpfähle, auf denen die Tunnelwände ruhen, für Probleme sorgte. Weil der Untergrund weicher war als angenommen, mussten die Pfähle verlängert werden: von zehn bis 18 auf nunmehr 13 bis 24 Meter.
Das Problem sei gelöst, versichert Christian Merl und spricht lieber von dem speziellen Faserbeton, den die Tunnelbauer von Schnelsen aus Gründen des Brandschutzes einsetzten. „Durch Brände entstehen hohe Temperaturen, die eine Betonkonstruktion erheblich angreifen.“ Das könne so weit gehen, dass sich nach einem Feuer in einem Tunnel Deckenteile lösten.
Um das zu verhindern, wurden dem Beton Kunststoffmikrofasern beigemischt. „Bei Temperaturen über 150 Grad Celsius schmelzen diese Fasern“, sagt Merl. Dadurch würden kleine Kanäle freigegeben, in die sich der Beton ausdehnen könne. Die Herausforderung war, bei jeder Betonladung exakt die richtige Mischung hinzubekommen. „Und wir haben es hinbekommen.“
Jetzt aber werde die Baustelle erst einmal ein paar Tage ruhen, sagt Merl. „Die Jungs haben in den vergangenen Wochen mächtig reingeklotzt, die wollen jetzt über die Feiertage zu ihren Familien.“ Auch Merl spricht wie Deges-Prokurist Bernd Rothe von einem Tunnel statt wie viele Hamburgerinnen und Hamburger von einem Deckel. Die Begründung für die Wortwahl ist kurz: “Ingenieure bauen keine Deckel“, sagt Rothe.