Hamburg. Wandgemälde an Oberstraße in Eimsbüttel soll erhalten werden. Für Kulturbehörde ist Kunstwerk im öffentlichen Raum zu jung.
Das Bemalen von Wänden zieht sich mal mehr, mal weniger gegenständlich durch die Menschheitsgeschichte. Erst waren es Höhlen-, später Häuserwände. Heute, in Zeiten allgegenwärtiger Straßenkunst, würde man wahrscheinlich von Murals sprechen. Jenen großen Wandgemälden, die seit dem Streetart-Boom populäres Stilmittel der Fassadengestaltung sind und inzwischen auch dutzendfach Hamburger Giebelwände zieren.
1982 jedoch, als eines der ersten und exponiertesten dieser Wandbilder in der Stadt entstand, waren weder Streetart noch Murals gebräuchliche Begriffe. Deshalb sprechen heute noch alle lieber von den „Grindelkatzen“, wenn es um das haushohe Bild an der Oberstraße 2 geht. Jeder, der an der Hoheluftbrücke mal an der Ampel gewartet hat – und dort muss man oft an der Ampel warten –, kennt das Bild mit zwei Katzen vor einem geöffneten Fenster.
Nun soll dieses fast 20 Meter hohe Riesenbild unter Denkmalschutz gestellt werden. „Ein Erhalt des Wandgemäldes sollte aufgrund seines stadtbildprägenden Charakters im öffentlichen Interesse liegen“, sagt Ernst Christian Schütt, der mit der gesamten SPD-Fraktion der Eimsbütteler Bezirksversammlung die Schutzwürdigkeit von der Kulturbehörde prüfen ließ. „Das Bild gehört zum Stadtteil Harvestehude. Insofern würden wir es gern schützen.“
Ausgerechnet Harvestehude: Der Stadtteil stand bisher nicht im Verdacht, Wegbereiter der Straßenkunst zu sein. Hätte nicht Georges-Louis Puech 1982 die „Grindelkatzen“ mit Alster und Stadtpanorama an die Hauswand gemalt. 1993 ist das Bild nach dem Anbringen einer Wärmedämmung umfassend erneuert worden. Seither gilt es als vielleicht bekanntestes Fenster der Stadt, wenngleich mit zwei Makeln. Erstens: Es hat eine leicht verfälschte Stadtsilhouette mit St. Petri, Michel, St. Nikolai, Rathaus und Fernsehturm. Zweitens: Das Fenster mit falschem Ausblick steht nicht unter Denkmalschutz.
Kein Denkmalwert
Und dabei wird es vorerst bleiben, denn tatsächlich muss erst einige Zeit verstreichen, um die „Grindelkatzen“ unter Schutz stellen zu können, konstatiert die Kulturbehörde. Der Denkmalwert am Haus Oberstraße 2 sei geprüft worden. „Mit vorläufig negativem Ergebnis“, schreibt das Amt. „Um die geschichtliche, künstlerische, wissenschaftliche und städtebauliche Bedeutung so abschließend zu beurteilen, wie es für eine Unterschutzstellung erforderlich ist, braucht es unter anderem einen gewissen zeitlichen Abstand.“ Erst im Rückblick, auf der Basis grundlegender Forschungserkenntnisse zur Epoche, könne eine denkmalfachliche Beurteilung ohne zeitgenössische, oft emotional geprägte Bewertung erfolgen. Eine erneute Überprüfung der Denkmalwürdigkeit scheine deshalb „erst in einigen Jahren sinnvoll“, schieben die Denkmalpfleger einigermaßen wohlwollend hinterher.
„Das ist natürlich bedauerlich“, sagt SPD-Politiker Schütt, der eine zügige Unterschutzstellung begrüßt hätte. Andererseits sei das Wandbild weder dem Verfall preisgegeben noch gebe es eine akute Bedrohung für die schlafende und die stur geradeaus blickende Katze auf dem Bild. „Es wäre einfach schön gewesen, das Gemälde zeitig für die Nachwelt zu sichern“, so Schütt. Gleichwohl sei das Prüfergebnis des Denkmalschutzamtes in der Lesart des Sozialdemokraten auch erfreulich. Mehr Zeit für die Beurteilung bedeute ja nicht: nein.
Laut Kulturbehörde gibt es bisher unter ungezählten Wandbildern nur eines, das Denkmalschutz genießt: die Fassadenbemalung am Musikclub Grünspan an der Großen Freiheit. Das Wallpainting von Werner Nöfer und Dieter Glasmacher entstand 1968 zur Eröffnung des Clubs und gilt als eines der ersten seiner Art in Deutschland. Nach Einschätzung des Denkmalschutzamtes handelt es sich um „ein gestalterisch herausragendes Wandbild, das von einem renommierten Künstler geschaffen wurde“. Nöfer, Mitbegründer der Künstlercooperative Hamburg, machte danach mit diversen Bildern und Kunst im öffentlichen Raum auf sich aufmerksam. Georges-Louis Puech, der inzwischen gestorbene Schöpfer der Grindelkatzen, ist immerhin Gründer der Hamburger „Gesellschaft für Europäische Kommunikation“ und wurde zu Lebzeiten zum Ritter der Ehrenlegion ernannt.
Wallpaintings haben wieder Konjunktur
Indes haben Wallpaintings oder Murals in Hamburg wieder Konjunktur: Nachdem Giebelwände in den 60er- und 70er-Jahren gern der Werbewirtschaft überlassen wurden, während sie der Osten für Propaganda nutzte, hat in der Gegenwart etwa das neue Millerntor-Stadion großflächige Wandbemalungen bekommen, auch im Gängeviertel an der Caffamacherreihe sind einige zu bestaunen. Daneben gibt es auch am Soziokulturellen Zentrum „Motte“ in Ottensen oder an der Ganztagsschule St. Pauli großformatige Zeichnungen. Sogar der bekannte britische Streetart-Künstler Banksy hat sich mit dem „Bomb Hugger Girl“, seinem einzigen Werk in Deutschland, 2002 in der Steinwegpassage verewigt.
Wie viele Wallpaintings es insgesamt in Hamburg gibt, konnte die Kulturbehörde nicht sagen. Zu den „Grindelkatzen“ an der Oberstraße heißt es: „Das Objekt ist zu jung, um es heute schon kunst- oder stadthistorisch einordnen zu können.“ Immerhin sei aber beschlossen worden, die Denkmalwürdigkeit in einigen Jahren erneut zu prüfen.