Hamburg. Elefant Gajendra verlässt nach drei Jahren den Tierpark. Er kehrt zurück nach München – nachdem er hier drei Kinder gezeugt hat.
Noch ahnt er nichts. Ist vielleicht besser so. Man weiß ja nie, wie so ein Elefantenbulle auf bevorstehende Veränderungen reagiert. Ist schließlich auch nur ein Sensibelchen, gefangen im Körper eines grauen Lastwagens. Deshalb lassen sie Gajendra, den Elefantenbullen bei Hagenbeck, erst mal im Unklaren über seine Zukunft. Bis zum Tag seiner Abreise soll das Prachtexemplar von einem Asiatischen Elefanten ruhig weiter an frischer Rinde lutschen, oberarmdickes Astwerk falten und gesplittertes Holz zusammenrüsseln. Was man so macht den lieben langen Tag als einziger Zuchtbulle im Tierpark.
Nach drei Jahren endet die Zeit des Elefantenmannes in Hamburg, womit die Zucht in der Herde der Asiatischen Elefanten vorerst auf Eis liegt. Ende November, einen genauen Termin gibt es noch nicht, soll das stattliche Tier – 23 Jahre alt, fünf Tonnen schwer, drei Meter hoch – umgesiedelt werden. Die Leihgabe aus dem Münchner Tierpark Hellabrunn wird in seinen Heimatzoo in Süddeutschland zurückkehren. Dort ist er ausquartiert worden, weil das Elefantenhaus dringend saniert werden musste. Die ammoniakhaltigen Dämpfe des Elefantenurins hatten einen Teil der Decke einstürzen lassen. Nun wurde das runderneuerte, denkmalgeschützte Münchner Haus wiedereröffnet – zu ihrem Glück fehlt den Bayern nur noch Gajendra.
Die schönsten Bilder aus dem Tierpark Hagenbeck:
Die schönsten Bilder aus dem Tierpark Hagenbeck
In Hamburg zeigte sich der unangefochtene Herrscher im Elefantenrevier nicht nur als potenter Vertreter seiner Art – zwei Nachzuchten gehen auf sein Konto, eine dritte wird im Sommer erwartet –, sondern auch als sanftmütiger Riese. „Ein Superbulle“, sagt Tierarzt Michael Flügger. „Ein ganz Lieber“, versichert Hagenbecks erfahrener Elefantenpfleger Thorsten Köhrmann. „Mehr Shaun, das Schaf als Elefantenbulle.“ Trotzdem sei kein Pfleger mit ins Gehege zu Gajendra gegangen, denn die Arbeit mit erwachsenen Bullen sei nicht ungefährlich. Zweimal im Jahr komme die Musth dazu, eine Phase der Aggressivität, die durch einen Testosteron-Schub ausgelöst wird. „Wir haben das bei Gajendra nie festgestellt“, sagt Pfleger Köhrmann. Ausgeschlossen seien solche Phasen aber auch nicht.
Wenn der Bulle abgereist ist, wird das Gehege umgebaut
Ein Transport wie der nun anstehende sei ebenfalls eine Ausnahmesituation. „Das ist bei einem Elefanten natürlich etwas anderes, als eine Katze zum Tierarzt zu bringen“, so Köhrmann. Spezialunternehmen, beheizbarer Spezialcontainer, Spezialkran, Spezialgenehmigungen für den Straßentransport – alles in allem eine spezielle Angelegenheit, einen Fünftonner zu verladen. Zumal Gajendra rückwärts in den Container müsse, um vorwärts wieder raus zu kommen. Zur Sicherheit aller werde das Tier vorher leicht sediert, sagt Tierarzt Flügger. Mit Ketten an den Hinterbeinen soll der Bulle dann in die Kiste bewegt werden.
Im Hamburger Tierpark wird die bullenlose Zeit genutzt, um das Gehege-Separee für die einzelgängerisch lebenden Männchen umzubauen. Etwa ein bis zwei Jahre, je nach Baufortschritt, wird es deshalb voraussichtlich keinen erwachsenen Bullen bei Hagenbeck geben. „Wir richten uns beim Umbau nach den gestiegenen Flächenansprüchen von männlichen Elefanten“, sagt Tierarzt Flügger. Auch ein Teich soll im Neubau Platz finden. Das alte Bullenhaus im Tierpark ist fast 30 Jahre alt.
In den vergangenen vier Jahren gleich drei Jungtiere
Wie es mit der Zucht von Hagenbecks Asiatischen Elefanten weitergeht, liegt in den Händen des Zuchtkoordinators im Europäischen Erhaltungszuchtprogramms (EEP). Er sitzt im Zoo von Rotterdam und entscheidet, welcher Bulle genetisch am besten zu den Kühen aus der Hamburger Herde passt. Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse haben dabei ergeben, dass es sinnvoller ist, die Bullen von Zeit zu Zeit auszutauschen, um Inzucht zu vermeiden, statt die Gruppe aus weiblichen Tieren auseinanderzureißen. „Deshalb können wir uns auch vorstellen, bei Bullen mit anderen deutschen Zoos zu kooperieren“, sagt Michael Flügger, „die Tiere regelmäßig zu tauschen“. Elefanten-Sharing quasi. Vorteil: Die Pfleger könnten die männlichen Tiere einschätzen, würden seine sonstigen Bezugspersonen und Verhaltensweisen kennen.
„Bisher hatten wir immer Glück mit unseren Bullen“, sagt Tierpfleger Thorsten Köhrmann. Schon Gajendras Vorgänger Hussein, der vor vier Jahren 40-jährig bei Hagenbeck gestorben war, sei eine Seele von Elefant gewesen. „Aber mal sehen, vielleicht wird der Neue zur Abwechslung mal elefantisch drauf sein.“
Mit elf Tieren gehört die Hamburger Herde schon jetzt zu einer der größten in europäischen Zoos. In den vergangenen vier Jahren gab es mit Assam (4 Jahre), Anjuli (1) sowie Kanja (fast 1) gleich drei Jungtiere. Und das Vermächtnis von Elefantenbulle Gajendra ist auch über seinen Verbleib hinaus vielversprechend: Im Sommer 2017 wird sein drittes Kind erwartet. „Bei zwei weiteren Kühen sind wir uns noch nicht sicher“, sagt Thorsten Köhrmann. Bei einer Tragzeit von 22 Monaten herrscht aber auch keine Eile im Elefantenhaus.