Hamburg. Serie Teil 6: Brigitte und Achim Landvogt geben in ihren zwei Freizeitcentern Menschen mit ungewöhnlichen Lebensläufen eine Chance.

Dieses Jahr haben sie das erste Mal getrennt Urlaub gemacht. Er ist per Schiff in die Arktis gereist. Tiere gucken und fotografieren. Sie besuchte vier Wochen lang Freunde an der Elfenbeinküste. Nicht, um Ferien zu machen, sondern um in Afrika beim Aufbau zu helfen. Um persönlich zu erleben, wo die Flüchtlinge herkommen, die in Jesteburg untergebracht wurden und um die sie sich wie viele andere Bewohner des Ortes kümmert. „Ich habe mich ins afrikanische Leben gestürzt“, sagt Brigitte Landvogt (53). Außerdem war sie neugierig zu sehen, was aus ihren Schützlingen und deren Geschäftsideen geworden ist.

Im Indoorspielplatz Rabatzz an der Kieler Straße, den sie seit 2004 gemeinsam mit ihrem Mann Achim (56) führt, finden Migranten und Flüchtlinge schon lange Arbeit und Arbeitsplätze. Die Landvogts machen nicht viel Tamtam um ihr Engagement. „Wir können hier leichtgängig Leute integrieren“, sagt sie. Im Bistro und im Spielbetrieb können die Hilfskräfte unkompliziert mitarbeiten. Vor allem, weil die fest angestellten Mitarbeiter mitziehen.

Schwarzlicht-Erlebniswelt mit Minigolf

Aber natürlich sind die Landvogts nicht nur Unternehmer mit Gemeinsinn. Seit sie 2007 mit dem Gründerpreis für ihren überdachten Spielplatz in Stellingen ausgezeichnet wurden, ist viel passiert. Ein zweites Unternehmen wurde nicht minder erfolgreich am Markt platziert. 2009 eröffnete das Unternehmerpaar quasi um die Ecke eine Schwarzlicht-Erlebniswelt, diesmal mit der gesamten Familie als Zielgruppe. Auf mehr als 1000 Quadratmetern können die Besucher Minigolfen, Laserstrahlgefechte erleben oder sich einfach nur im Dunklen durch ein Haus und seine Räume tasten. Schwarzlicht, die flu­oreszierende UV-Strahlung, macht es möglich. Angeschlossen ist ein Restaurant mit 60 Plätzen.

Und ebenso wie beim Rabatzz war schnell der Break Even erreicht. „Im zweiten Geschäftsjahr waren wir profitabel“, sagt Achim Landvogt. Die Finanzierung war ein Kinderspiel. 450.000 Euro wurden als Investition gebraucht. „Das hat die Bank einfach durchgewinkt.“ Erfolg macht vertrauenswürdig.

Stationen in Amerika, Italien, England und Mexiko

Der Geschäftssinn kommt nicht von ungefähr. Beide sind Agrar-Ingenieure, beider Schwerpunkt war im naturwissenschaftlichen Studium damals beim Kennenlernen 1982 in Stuttgart die Lebensmitteltechnologie. „Ein bunter Strauß verschiedenster Richtungen“, sagt sie. Und fügt mit einem ironischen Lächeln hinzu: „Mein Titel Diplom-Ingenieurin ist kein Bologna-Downgrade. Ich hab noch was gewusst.“ Ein kleiner Seitenhieb auf die Einführung der Studienabschlüsse Bachelor und Master, die von Kritikern als nicht gleichwertig mit dem früher vergebenen Diplom eingestuft werden.

Die Landvogts machten erst einmal im selben Unternehmen, aber in getrennten Abteilungen Karriere bei Nestlé in Schweden. Danach folgten Stationen in Amerika, Italien, England und Mexiko für den US-Konzern Procter & Gamble. Produktentwicklung war beider Profession. Doch nach elf Umzügen in 20 Jahren und mittlerweile zwei Kindern mit den beziehungsvollen Namen Ronja (Astrid Lindgren: „Ronja Räubertochter“) und Janosch, dem berühmten Kinderbuch-Illustrator und Figuren­erfinder, beschlossen sie, dass es nun gut sei mit der internationalen Karriere und dem Nomadenleben. Etwas Sesshaftes mit Vision sollte her.

Hamburg ist für die Landvogts der ideale Lebensmittelpunkt

Da traf es sich gut, dass beider elterlicher Hintergrund von Unternehmertum geprägt war. Ihre Familie kam aus dem Tabakwaren-, seine aus dem Brennstoff-Großhandel. „Als es um den Generationenübergang ging, waren wir Anfang 40“, sagt er. „Die Branchen, in denen unsere Eltern tätig waren, schienen wenig vielversprechend. Also lösten wir die elterlichen Geschäfte auf und versuchten etwas Neues.“

Den Norden kannten sie aus ihren Skandinavienzeiten, Hamburg erschien als neuer Lebens- und vor allem Arbeitsmittelpunkt ideal. Per Zufall entdeckten sie bei einem Fußballspiel ihres Sohnes die Spiel- und Sportscheune Fuxis in Neu Wulmstorf. „Das wär doch auch für uns eine Idee“, hieß es am Abendbrottisch. Aber nur nachmachen war ihre Sache nicht. „Wir sind Entwickler“, betont Achim Landvogt, der in dieser Ehepaar-Konstellation für die technische Realisierung zuständig ist. Sie kümmert sich ums Personal, die operativen Angelegenheiten. „Und natürlich war ich vor allem für unsere Kinder da.“

Bis zu 170.000 Besucher im Jahr

Zwei Jahre lang entwickelten sie ihre Vorstellungen von der sicheren Kindertobe-Einrichtung bis zur Praxisreife, schauten sich intensiv bei der damals noch überschaubaren Konkurrenz um, besuchten Messen, blickten in Nachbarländer und stellten sich bei potenziellen Kreditgebern vor. Die Reaktionen bei Banken und Beratern waren vielfältig. „Ich fand am lustigsten eine 23-Jährige, die mir ernsthaft sagte: ,Ihnen traue ich die Doppelbelastung Kinder und Job nicht zu.‘“ Brigitte Landvogt amüsiert sich sichtlich über so viel Menschenkenntnis. Inzwischen managt sie 60 bis 70 Minijobber, 20 Vollzeit- und etwa zehn Teilzeitkräfte. „Wir beschäftigen Menschen mit ungewöhnlichen Lebensläufen“, sagt sie. „Die richtigen herauszufiltern lernt man nicht. Das ist Gefühlssache.“

Doch die Zeiten, in denen sie wegen der 1,5-Millionen-Investition, abgesichert mit dem Häuschen der Eltern als Bürgschaft, nicht schlafen konnten, sind vorbei. Die Landvogts sind nach eigener Aussage schuldenfrei. 50.000 bis 60.000 Euro pro Jahr werden in die Instandhaltung des Rabatzz reinvestiert. 170.000 Besucher im gleichen Zeitraum hinterlassen Spuren. „Die gigantische Abnutzung unserer Spielgeräte haben wir anfangs unterschätzt“, sagt er. Neu hinzugekommen sei eine bisweilen blindwütige Zerstörungswut jugend­licher Besucher. „Da hat sich etwas verändert“, sagt Achim Landvogt.

24 Stunden gemeinsam leben und arbeiten

Bei den Herstellern der Spielgeräte hat er sein Know-how als Stratege, Planer, Marketingfachmann und vor allem Entwickler in so manche Konstruktion eingebracht. Die Hüpfburg beispielsweise ist für gewöhnlich vom schnellen Verfall bedroht. „Unsere hält ewig“, sagt Achim Landvogt. Warum, ist natürlich ein Betriebsgeheimnis.

Damit die Symbiose Privatleben und gemeinsame Arbeit funktioniert, holen sich die Landvogts punktuell professionelle Hilfe. 24 Stunden gemeinsam leben und arbeiten ist nicht immer einfach. „Moderation ist manchmal notwendig“, sagt er. Im übervollen Alltag kommt irgendetwas immer zu kurz. Ohnehin habe man lernen müssen, die geschäftlichen Themen vor der Haustür zu lassen. Schon der Kinder wegen.

Ob Ronja und Janosch einmal das elterliche Erbe als Unternehmer antreten, ist ungewiss. Der 20-jährige Sohn ist momentan fasziniert von der Welt der Medien. Seine zwei Jahre ältere Schwester Ronja studiert in Wien Agrarwissenschaften. Und das scheint ja eine sehr gute Voraussetzung für eine Karriere in Hamburger Erlebniswelten zu sein.