Hamburg. Teil 4 der Serie: Andreas Bartmann ist der einzige von einst vier Inhabern, der noch beim Hamburger Outdoor-Ausrüster tätig ist.
Sein bester Freund und Schwager hat sich im vergangenen Jahr in Kanada ein Seegrundstück gekauft und ein Haus gebaut – die Erfüllung eines Lebenstraums. Nach 35 Jahren im Unternehmen hatte Globetrotter-Urgestein Thomas Lipke seine Arbeit als Geschäftsführer beim Outdoor-Ausrüster aufgegeben. Sein langjähriger Kollege und Weggefährte Andreas Bartmann (57) aber blieb im Unternehmen. „Als letzter Mohikaner“, wie Bartmann sagt. Er fühle sich „wie von einem Ehepartner verlassen“.
Ehefrau Dorith wird ihm die Formulierung verzeihen. Wie sie seit 30 Jahren damit lebt und akzeptiert, dass sich der Ehemann in jungen Jahren mehrmals pro Jahr und nun, im gesetzteren Alter, meistens mindestens noch einmal im Jahr auf Expeditionen in unbekannte Welten begibt. Inzwischen sind seine Reisen in die Wildnis online zu verfolgen, ein sogenannter Tracker sendet regelmäßig Bartmanns Standortdaten. Das trägt zur Beruhigung bei. „Früher, ohne Handy, waren die Daheimgebliebenen froh, wenn sie alle paar Wochen ein Lebenszeichen erhielten“, sagt er.
Sein Büro im großen Globetrotter-Haus am Wiesendamm – für professionelle Draußensportfans, Abenteurer, Möchtegern-Camper oder einfach nur Regenjacken-Käufer ein Shoppingparadies –, und mit Kältekammer, Kletterwand und einer Ameisenstraße fast auch ein Erlebnispark, – ist eng und vollgestellt. „Mehr Platz brauche ich nicht“, sagt Bartmann, der mit seiner wuchtigen Statur und 1,99 Meter Körpergröße den Raum gut ausfüllt.
"Wir wollen das Unternehmen fit machen für die Zukunft"
Er ist zurzeit der einzige verbliebene deutsche Geschäftsführer des Unternehmens, das 1979 als Nischenanbieter für Outdoor-Bedarf in Hamburg gegründet wurde. Der Ingenieur und Extremreisen-Fan Bartmann und sein Freund Lipke stiegen dort zehn Jahre in Leitungsfunktionen auf und wurden zudem Mitinhaber. In den Jahren davor hatten beide – zunächst als Aushilfskräfte – den Laden von der Pike auf durchlaufen und gelernt, wie das Einzelhandelsgeschäft mit Outdoor-Artikeln funktioniert. 2004 erhielten beide Männer neben Firmengründern Klaus Denart und Peter Lechhart für ihre unternehmerische Leistung den Preis als „Aufsteiger des Jahres“.
Zwölf Jahre ist das her, und seither hat sich die Unternehmenswelt für Globetrotter gedreht. Nicht nur, dass die ursprünglichen Gründer das Unternehmen ein Jahr nach der Auszeichnung verließen, seit 2015 gehört der Spezialausrüster für Expeditionen, Safaris, Survival und Trekking zu 100 Prozent der Fenix Outdoor International AG, einem schwedischen Unternehmen. „Ein notwendiger Schritt“, sagt Bartmann. „Wir wollten das Unternehmen fit machen für die Zukunft.“
Nach mehr als 30 Jahren erfolgreichen Handelns und schnellen Wachstums war Globetrotter in die Krise geraten. Das viele Jahre lange boomende Massengeschäft mit praktischen Schuhen und Jacken stagnierte plötzlich. Der Markt war gesättigt. Hinzu kam der harte Preiskampf mit den neuen Anbietern im Internet und mit einer wachsenden Zahl von Spezialanbietern.
Die zwölf deutschen Globetrotter-Filialen und auch der Online-Shop gerieten in die Krise. Von 2012 machte das Unternehmen Verluste. Auch die starke Expansion zuvor trug dazu bei. „Wir waren zu immer mehr Risiken und Verpflichtungen gezwungen“, sagt Bartmann.
Spätestens im Geschäftsjahr 2013/2014 war allen Beteiligten klar, dass etwas passieren musste. Der Umsatz betrug noch 194,2 Millionen Euro und war gegenüber dem Vorjahr erneut um sechs Prozent zurückgegangen.
Arbeitsplätze mussten abgebaut werden
Erstmals in der 35-jährigen Unternehmensgeschichte mussten Arbeitsplätze abgebaut werden – es waren mehr als 100. Im Januar 2014 beteiligte sich die Fenix Outdoor International AG mit 20 Prozent an Globetrotter, die Geschäfte liefen wieder etwas besser. Doch die schwedischen Manager zeigten Ungeduld, die Entwicklung betreffend. „Wir waren mal jahrelang zweistellig gewachsen“, sagt Bartmann. „Da ist es schwer, mit ein bis drei Prozent Wachstum zufrieden zu sein.“ Die Alt-Inhaber hätten das vielleicht akzeptiert, doch den neuen Miteigentümern genügte das nicht. Am Ende übernahmen sie Globetrotter zu hundert Prozent und fusionierten das Hamburger Unternehmen mit der schwedischen Naturkompaniet und der finnischen Partioaitta zur Frilufts Retail Europe AB, einer Tochtergesellschaft von Fenix Outdoor International. Geschäftsführer neben Bartmann sind Ulf Gustafsson und Henrik Hoffmann aus dem schwedischen Konzern.
Die neuen Besitzverhältnisse veränderten auch die Unternehmenskultur. Die gemeinsame Sprache ist nun Englisch. Bedenken, eine eher deutsche Art der Problemlösungsbetrachtung, gelten als Hindernis. Try and Error, Versuch und Irrtum, nach diesem Prinzip funktioniert schwedisches Business. „Da müssen sich die kleinen grauen Zellen noch mal wieder anstrengen“, scherzt Bartmann. Nicht jeder Mitarbeiter findet derlei Veränderungsprozesse gut. Manchem machen sie sogar Angst. Sie dennoch auf den Weg mitzunehmen, hält Bartmann auch für seine Aufgabe.
2017 will Globetrotter einen Shop in der City eröffnen
Und warum ist er mit Ende 50 nicht gegangen wie der Freund? Bartmann lehnt sich zurück, denkt kurz nach. „Der Handel ist eine riesige Herausforderung, die mir immer noch Spaß macht. Außerdem erfordern die neuen Strukturen jemanden wie mich mit mehr als 30 Jahren Erfahrung“, sagt er. „Ich halte es für meine Aufgabe, eine neue Generation für Globetrotter aufzubauen.“
Seit einem halben Jahr hat er sich aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen. „Ich berate, plane Strategien.“ Schließlich soll Globetrotter nun wieder stark wachsen, der Umsatz um 20 Prozent gesteigert werden. Und in Hamburg will das Unternehmen in die Innenstadt. Dort, wo die Hersteller Jack Wolfskin und Mammut bereits mit eigenen Läden präsent sind, will auch Globetrotter im kommenden Jahr einen neuen Shop eröffnen. „Es gibt viel zu tun.“
Als ob es ihm daran mangeln würde. Denn nebenbei bekleidet Andreas Bartmann eine ganze Reihe von Ehrenämtern und ist ein wichtiger Mann in vielen Gremien. Er ist Vize-Präses der Handelskammer, Mitglied des Präsidiums des deutschen Bundesverbandes der Textilindustrie und gehört diversen weiteren Ausschüssen, Stiftungen, Aufsichts- und Beiräten an. „Andere gehen kegeln oder zur freiwilligen Feuerwehr, ich engagiere mich gern“, sagt er. „Unser Gemeinwesen würde sonst doch nicht funktionieren.“
Trotz heiler Welt vermisst er manchmal den alten Weggefährten Lipke. „Ich kenne ihn länger als meine Frau. Ihn zu verlieren, auch als Konterpart im Job, war ein großer Einschnitt.“ Jenseits von Globetrotter geht es für die beiden Männer wie gewohnt weiter. Die nächste gemeinsame Abenteuerreise ist längst geplant.