Hamburg. Der Tag des Niederdeutschen weckte bei vielen Teilnehmern Kindheitserinnerungen. Für manches gibt es aber doch nur hochdeutsche Namen.

Zum lockeren Reinkommen gibt’s erst mal einen „Büddel“ zum Anfassen. Und während die Leute den Jutesack abtasten, ohne reinschauen zu dürfen, sabbelt sich Plattsnackerin Keike Johannsen vor Hagenbecks Elefantenhalle warm. Vertellt Geschichten aus der Zooschule, erklärt, dass sie von Föhr kommt, später an die „Schlie“ übersiedelte und deshalb in die norddeutsche Mundart hineingeboren wurde. „Platt ist meine Muttersprache“, stellt sie abschließend fest. So, fertig, genug getastet. Was war drin im Beutel? „Een Elefantentehn aus Elfenbeen!“ Goldrichtig. Und Musik in den Ohren der Umstehenden.

Platt klingt einfach cool

Etwa 25 Besucher haben sich beim ersten Hamburger Plattdeutschtag für die Führung op Platt durch den Tierpark Hagenbeck entschieden. Andernorts in der Stadt werden Vorträge gehalten, Lesungen veranstaltet und Theaterstücke in niederdeutscher Sprache aufgeführt. Bei Hagenbeck führt Gymnasiallehrerin Keike Johannsen, 63, zu ausgewählten Exemplaren des Tierparks. Und die Leute sind begeistert.

Vorm „ollen Tor“, dem alten
Haupteingang, ging es zu den Bären
Vorm „ollen Tor“, dem alten Haupteingang, ging es zu den Bären © HA | Andreas Laible

„Platt klingt einfach cool. Selbst Beleidigungen haben noch etwas Nettes. Ich höre das einfach total gern“, sagt etwa Sandra Kornau, als sich die Gruppe Richtung Giraffengehege bewegt. Die 47-Jährige hat jüngst sogar einen Volkshochschulkurs belegt, um Platt zu lernen. „Verstehen klappt auch ganz gut. Aber ich möchte es auch sprechen können.“ Laut einer Umfrage des Instituts für Niederdeutsche Sprache in Bremen beherrschen mehr als 100.000 Hamburger Plattdeutsch. Und noch mehr Menschen geht es wie Sandra Kornau: Sie verstehen es. Bei der Tierparkführung kommt erleichternd hinzu, dass exotische Tiernamen nicht ins Plattdeutsche übersetzt werden können – sie waren im Sprachraum nicht existent. Dennoch wird teils sogar auf Platt nachgefragt, etwa, wie der Pinguin seinen Fisch zu fressen pflegt. Klar: „Mit’m Kopp toeerst.“

Taufe des jüngsten Hagenbeck-Elefanten

Der Arzt Wilfried Fehrle und seine Frau May Shaana sind die Taufpaten von Kanja
Der Arzt Wilfried Fehrle und seine Frau May Shaana sind die Taufpaten von Kanja © dpa | Axel Heimken
Der kleine Bulle Kanja (l.) spielt in seinem Gehege mit dem Elefantenjungen Anjuli
Der kleine Bulle Kanja (l.) spielt in seinem Gehege mit dem Elefantenjungen Anjuli © dpa | Axel Heimken
Gut drauf: Elefantenbaby Kanja nimmt den Rummel rund um seine Taufe gelassen
Gut drauf: Elefantenbaby Kanja nimmt den Rummel rund um seine Taufe gelassen © dpa | Axel Heimken
Ein paar Spritzer Kokosnussmilch, fertig ist die Taufe: Wilfried Fehrle durfte auf Tuchfühlung mit dem Elefantennachwuchs gehen
Ein paar Spritzer Kokosnussmilch, fertig ist die Taufe: Wilfried Fehrle durfte auf Tuchfühlung mit dem Elefantennachwuchs gehen © dpa | Axel Heimken
Der kleine Elefantenbulle Kanja wurde am 11. Januar bei Hagenbeck geboren
Der kleine Elefantenbulle Kanja wurde am 11. Januar bei Hagenbeck geboren © dpa | Axel Heimken
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Insgesamt gab es am Plattdeutschtag 30 Möglichkeiten, die niederdeutsche Sprache in Hamburg zu erleben. Wissenschaftssenatorin und Schirmherrin Katharina Fegebank höchstselbst verteilte an der Alster 500 Lebkuchenherzen mit dem Slogan „Platt för de Stadt“ und stellte bei der Gelegenheit fest: „Platt ist ein Identifikationsanker für alle Hamburgerinnen und Hamburger. Ein ‚Moin, Moin‘ oder ein ‚Dat löppt!‘ gibt uns das Gefühl, zu Hause zu sein.“ Und dass so viele Leute begeistert von der Idee eines Plattdeutschtages seien, zeige, dass die Sprache wieder „in“ ist.

Andererseits weckt Platt Kindheitserinnerungen: Bei Hagenbeck jedenfalls fühlt sich Heike Hameister beim Singsang des Niederdeutschen in die Vergangenheit versetzt: „Meine Großeltern haben Platt gesprochen. Und jetzt, mit zunehmendem Alter weiß ich das wieder zu schätzen.“ Sie höre gern Nachrichten oder Wettervorhersagen auf Plattdeutsch. „Eine Führung durch den Tierpark ist da natürlich auch spannend.“

Fressen gern „Fleesch“: die hier
faulenzenden Löwen
Fressen gern „Fleesch“: die hier faulenzenden Löwen © HA | Andreas Laible

Zumal Plattsnackerin Keike Johannsen, die in Diensten des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung auch Leiterin der Zooschule ist, interessante Sachen zu erzählen hatte. Etwa, dass den Flamingos zeitweise Paprika ins Futter gemischt wurde, um den rosa Farbstoff ihrer Federn zu erhalten. Und natürlich die eindrucksvolle Geschichte des in Ebenen aufgebauten Afrika-Panoramas, das erstmals weltweit ermöglichte, mehrere Tierarten ohne Zäune zu präsentieren.

Für Claudia Dabelstein, die selbst kein Platt spricht, es aber verstehen kann, ein kurzweiliger Rundgang: „Ich komme aus Schleswig-Holstein und bin mit der Sprache aufgewachsen. Aber seit die Großeltern nicht mehr leben, spricht keiner mehr Platt.“ Umso mehr freue sie sich, Information und Mundart aus einer Hand zu bekommen.

Dabei ging es nicht nur um den Spaß an der Freude. „Mit dem Platt­düütsch Dag und der Vielfalt des Angebots gibt Hamburg ein Beispiel dafür, wie die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen mit Leben erfüllt werden kann“, sagt Peer-Marten Scheller, Sprecher des Plattdeutschen Rat Hamburg. In 23 Artikeln würden sich etwa die Vertragsstaaten der EU verpflichten, die Rechte der Angehörigen der nationalen Minderheiten zu achten, zu schützen und zu fördern. Ausdruck dessen ist in Hamburg beispielsweise, dass an zehn Grundschulen in den Vier- und Marschlanden Niederdeutsch als Wahlfach angeboten, wird. Auch an der Universität gibt es ganzjährig Forschungsprojekte und Lehrveranstaltungen.

Nach anderthalb viel zu schnell vergangenen Stunden komprimierter Heimatpflege wünschen sich bei Hagenbeck viele eine Neuauflage eines Plattdeutschtages im nächsten Jahr. Ob es den gibt, ist laut Wissenschaftsbehörde noch unklar. Somit bleibt vorerst nur der Klang von all den schönen Wörtern – von ausklamüsern bis tüffelig.