Hamburg. Die Baseball-Simulation zweier Hamburger hat eine große amerikanische Fangemeinde und erwirbt die Lizenz der Profiliga.
Zur Entspannung leitet der US-Amerikaner Curt Schilling ein Baseball-Team. Nicht in echt. Der berühmte, ehemalige Werfer der Boston Red Sox hat seine Karriere bereits vor knapp sechs Jahren beendet. Aber in einem Computerspiel ist Schilling sogar Baseball-Manager in der Profiliga. Und jedesmal, wenn er den Knopf an seinem Rechner zu Hause in Massachusetts drückt und das Spiel hochlädt, denkt er an die „verrückten Boys aus Germany“, die ihm das Spiel verkauft haben. Die Boys heißen Markus Heinsohn und Andreas Raht, sind 38 und 51 Jahre alt und haben das Baseball-Managerspiel erfunden.
Zehntausende US-Amerikaner und Kanadier spielen mit ihrem Produkt, und ihre Firma Out oft the Park (OOTP) Developments ist jenseits des großen Teichs unter Baseball-Fans beinahe schon legendär. Nur, dass diese Firma nicht in New York, Los Angeles oder Chicago sitzt, sondern in Eimsbüttel und in Hollern-Twielenfleth bei Stade, ist für die Kunden gewöhnungsbedürftig.
Nicht nur für die Kunden. Auch für die Chefs der mächtigen amerikanischen Baseball-Liga MLB (Major League Baseball). „Hollern-What?“, fragten sie, als sie das erste Mal nach dem Firmensitz suchten. Die MLB hatte Wind davon bekommen, dass sich eine große Spielegemeinschaft im Internet gefunden hat, die – wenn auch fiktiv – mit Spielern und Mannschaften handelten, die eigentlich bei der Vereinigung unter Vertrag stehen. Dazu muss man wissen, dass die MLB mit ihren Lizenzgenehmigungen etwa so restriktiv umgeht wie die Deutsche Fußballliga mit den Senderechten der Bundesliga. Als die amerikanische Profiliga von dem Erfolg der beiden Norddeutschen hörte, schickte sie Heinsohn und Raht eine Heerschar von Anwälten auf den Hals, um über eine Kooperation zu verhandeln.
Diese steht jetzt. OOTP-Baseball ist von der MLB offiziell lizensiert, das Logo der berühmten Liga zu verwenden. Im Gegenzug wirbt die MLB auf ihrer Internetseite sogar für das Spiel. „Das hat den Verkauf ungemein beschleunigt“, sagt Heinsohn. In Kürze wollen er und Raht den 100.000sten Kunden begrüßen. Im kommenden Jahr erwarten sie einen siebenstelligen Umsatz. „95 Prozent unserer Kunden sind Amerikaner. Zweitgrößter Absatzmarkt ist Südkorea, wo vor allem die Smartphone-Version des Managerspiels gekauft wird“, sagt Heinsohn.
Beim Baseball-Managerspiel geht es nicht darum mittels einer Spielkonsole Baseball zu spielen. Es geht eher um das drumherum, Aufstellung des Teams, Training, Festlegung der Strategie und des Finanzrahmens eines Vereins, das Management eben. Schon der ungewöhnliche Firmenname weist darauf hin. Out of the Park Developments (zu deutsch: Entwicklungen außerhalb des Parks) ist ein Fachausdruck des Baseballs für die Situation, dass ein Spieler den Ball mit seinem Schläger so gut trifft, dass dieser außerhalb des Spielfeldes landet.
„Im Übrigen weist der Name darauf hin, dass wir eigentlich ein Nischenanbieter sind“, erklärt Heinsohn. Als sie nämlich vor mehr als zehn Jahren mit der ersten Version ihres Spiels auf den US-Markt kamen, gab es nichts Vergleichbares. „In den USA waren und sind Computerspiele unglaublich beliebt, aber Sport-Strategie-Spiele praktisch gar nicht bekannt.“
So war schon der Vorläufer des heutigen Spiels, das Heinsohn 1999 noch als Student zum Verkauf anbot, bereits so erfolgreich, dass er sein Studium schmiss. Als Ausgleich machte er eine Ausbildung zum Informatiker bei einem IT-Dienstleistungsunternehmen in Stade. Zusammen mit Raht, einem der damaligen Geschäftsführer des Unternehmens, entwickelte Heinsohn sein Spiel weiter. Als seine Ausbildung abgeschlossen war, machte er sich mit Raht selbstständig. „Es war immer mein Wunsch, für ein eigenes Produkt verantwortlich zu sein“, sagt Raht. Er ist heute so etwas wie der Chefprogrammierer, obgleich er mit Baseball eigentlich gar nichts am Hut hat. „Ich bin begeisterter Sportschütze.“ Den Sachverstand für das Spiel bringt Heinsohn mit, der als Jugendlicher in Stade das erste Mal zum Schläger griff. „Ohne jemanden, der das Spiel kennt und lebt, wäre es auch gar nicht so lebendig programmierbar“, sagt Raht.
Unterstützt werden die beiden von einem festen und zahlreichen freien Programmierern, die überwiegend in den USA sitzen und selbst Baseball-Fans sind. Ein- bis zweimal im Jahr trifft sich die Belegschaft, entweder in den USA oder eben in Eimsbüttel, für größere Aussprachen, der Rest läuft über E-Mail-Korrespondenz.
Das Spiel kostet 39,99 US-Dollar. Den Vertrieb organisieren die beiden Hamburger nicht selbst. Sie verkaufen ihr Spiel über große Internet-Anbieter, die die Abrechnung übernehmen und für jedes verkaufte Spiel 30 Prozent Gebühr einbehalten. Jährlich bringen die Entwickler eine neue Version auf den Markt, mit aktuellen Daten und verbesserten Spielmöglichkeiten. Der Erfolg hat OOTP Developments mutig gemacht. Seit einem Jahr gibt die Firma auch ein Managerspiel für Eishockey heraus. Ende dieses Jahres soll eines für Football folgen.