Forscher präsentieren neue Ansätze zur Prävention und Therapie von neurologischen Erkrankungen
Berlin. Einen verblüffenden Ansatz zur Behandlung und Prävention von neurologischen Erkrankungen wie Schizophrenie oder Alzheimer stellte die US-Forscherin Prof. Sophia Vinogradov auf der „Falling Walls Conference“ in Berlin vor. 20 Spitzenforscher aus aller Welt präsentierten dort der Öffentlichkeit in jeweils 15 Minuten die Ergebnisse ihrer Arbeit. Dieses ungewöhnliche Konferenzformat fand zum fünften Mal am 9. November statt, dem Tag des Berliner Mauerfalls. Forschung reißt Mauern des Denkens ein: Dogmen können fallen, Paradigmenwechsel den Blick für neue Wissenschaft, Technologien oder Therapien frei machen.
Sophia Vinogradov von der Universität von Kalifornien (San Francisco) setzt die sogenannte Plastizität des Gehirns, bei der spezielle Aufgaben bestimmte Areale im Gehirn stimulieren und die neuronalen Strukturen verändern, gezielt zur Therapie ein. Mithilfe von Tierexperimenten hat sie herausgefunden, wie man beispielsweise jene Regionen im Gehirn aktivieren kann, die bei Schizophrenie nachweislich geschwächt sind. Auf dieser Basis hat sie „Videospiele“ entwickelt, die offenbar von therapeutischem Nutzen sind.
Dass die Wirkung tatsächlich auf das ganz spezielle Design der Aufgaben zurückzuführen ist, überprüfte Vinogradov mit einer Kontrollgruppe, die handelsübliche Computerspiele nutzte – die Symptome dieser Probanden wurden nicht gelindert. Ob es zu plastischen Umbauten im Gehirn gekommen ist, lasse sich, so Vinogradov, anhand des sogenannten Brain Derived Neurotropic Factor (BDNF) im Blutserum kontrollieren. Bei erfolgreich Behandelten sei BDNF nachzuweisen, bei den Probanden der Kontrollgruppe nicht.
Bei der Behandlung von Alzheimerpatienten sind es andere „Computerspiele“, die Linderung bringen können. Beispiel: Auf dem Monitor wird kurz das Gesicht eines Menschen gezeigt. Wenig später sind dann vier verschiedene Gesichter zu sehen, von denen eines das zuvor gezeigte ist. Dieses soll der Alzheimerpatient erkennen. Dabei kann das Bild auch gespiegelt sein oder eine leicht andere Perspektive haben. Gesunde Gehirne kommen damit problemlos klar. Alzheimerpatienten fällt das schwer, die Übungen bauen jedoch entsprechende neuronale Strukturen wieder auf.
Vinogradov betonte, dass sich derartige Übungen insbesondere gut zur Prävention eignen. Daher seien frühe Diagnosen neurologischer Erkrankungen wichtig. Wenn es bei einem noch relativ jungen Menschen allererste Anzeichen für Schizophrenie oder Alzheimer gäbe, sei ein vorbeugendes Gehirntraining per Computer oder Tablet in jedem Fall eine sinnvolle Sache – und hat im Gegensatz zu Medikamenten keine Nebenwirkungen.
Vor neurologischen Erkrankungen schützt nicht nur Training, sondern auch ein starkes Immunsystem. Das berichtete Prof. Michal Schwartz vom Weizmann-Institut im israelischen Rehovot auf der Falling Walls Conference. Sie konnte nachweisen, dass Immunzellen Schäden im Gehirn reparieren können. Zumindest im Tierversuch ließ sich belegen, dass eine gezielte Stärkung des Immunsystems die Symptome einer Alzheimererkrankung lindert. Es spreche viel dafür, dass dies auch bei Menschen der Fall sein könnte, sagte Schwartz.