Stefan H., der mehrere Kinder sexuell missbraucht hat, erhält kein Berufsverbot. Der Richter sagte: „Die Kinder waren Ihnen ausgeliefert.“

Hamburg. Die Mädchen und Jungen waren klein, sie waren hilflos – und sie haben ihm vertraut. Dieses Vertrauen hat Erzieher Stefan H. auf perfide Weise ausgenutzt und sich an den Kindern vergangen, immer wieder. Jetzt muss der 30-Jährige für seine Verbrechen ins Gefängnis: Das Landgericht verurteilte den Mann zu fünf Jahren und zwei Monaten Haft unter anderem wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern. „Der Angeklagte hat schwer wiegende Taten begangen und schweres Leid über die Kinder und ihre Familien gebracht“, sagte der Vorsitzende Richter in der Urteilsbegründung. Das Gericht hoffe, dass die Opfer eines Tages „ihre Unbeschwertheit zurück bekommen“.

Es scheint, als habe der Angeklagte einen emotionalen Schutzwall um sich errichtet. Keine Regung, keine noch so feine Nuance in seiner Mimik ist bei Stefan H. zu erkennen, während er den Worten des Richters lauscht. Wenn betont wird, dass die Opfer dem Täter „ausgeliefert waren“. Wenn geschildert wird, wie die Kinder durch den Missbrauch gelitten haben, wie ein Mädchen sogar vor Schmerzen weinte und der 30-Jährige ihr dann den Mund zuhielt, um ihre Klagelaute zu ersticken. Unter anderem hatte der Erzieher, der in einer Kita in Schnelsen arbeitete, Fotos von nackten kleinen Mädchen und Jungen gemacht, sie an ihren Geschlechtsteilen berührt und sich im sogenannten „Gruselkeller“ der Einrichtung an den Opfern vergangen. Von „Ameisen und Spinnen“, die im Dunkeln an seinem ganzen Körper herumgekrabbelt seien, hatte etwa ein kleiner Junge berichtet.

Am schwersten hatte es eine Vierjährige getroffen, die von ihrer Mutter dem Erzieher übers Wochenende zur Betreuung anvertraut worden war und von der er versprach, gut für das Mädchen zu sorgen. Doch tatsächlich verging er sich mehrfach brutal an dem kleinen Mädchen. Wie sehr die Kinder unter den Übergriffen leiden, haben deren Mütter im Prozess geschildert. Die Opfer durchleben Ängste und Albträume, sind aggressiv und traumatisiert. Ein Mädchen etwa kann Männer nicht mehr ertragen. „Sie läuft dann schreiend raus“, schilderte eine Mutter dem Gericht. Ein Junge ist durch die Übergriffe so schwer verstört, dass er „total den Halt verloren“ habe, sagte seine Mutter. „Er hat ein Selbstbild, dass er schlecht und dumm sei“. Für die diversen Therapien, die der Neunjährige jetzt durchlaufen muss in der Hoffnung, dass er wieder Halt bekommt, müsse er „fast seine ganze Freizeit opfern“. „Unsere ganze Familie ist ziemlich zerstört“, erzählte eine weitere Mutter. Diese Aussagen schienen den Angeklagten, der bis dahin eher kurz angebunden und geradezu unberührt schien, erschüttert zu haben. „Wenn ich höre, wie es Ihnen und Ihren Kindern geht, dann tut mir das wahnsinnig leid“, hatte er unter Tränen gesagt.

„Eltern vertrauen darauf, dass das Liebste, was sie haben, liebevoll umsorgt wird“, sagte der Vorsitzende Richter. Dieses Vertrauen habe Erzieher Stefan H. durch seine Taten missbraucht und zerstört. „Wir dürfen aber nicht Kitas oder männliche Erzieher unter Generalverdacht stellen“, warnte der Kammervorsitzende. „Gott sei Dank handelt es sich hier um einen Ausnahmefall.“ Er müsse aber für Eltern und insgesamt Familien zum Anlass genommen werden, „wachsam zu sein und zuzuhören“, wenn ihr Kind etwa plötzlich nicht mehr die Kita wolle.

Ein lebenslanges Berufsverbot, wie es die Anwälte der Opferfamilien gefordert haben, verhängte die Kammer indes nicht. Das Gesetz und insbesondere die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs habe in einem sehr vergleichbaren Fall die Verhängung eines Berufsverbots ausgeschlossen, erklärte der Vorsitzende Richter. „Wir sind daran gebunden und halten uns daran.“

Stefan H. hatte zu Prozessbeginn den Missbrauch der Mädchen und Jungen gestanden und ihnen damit eine Aussage vor Gericht erspart, die sie womöglich retraumatisiert hätte. „Ja, ich bin pädophil“, hatte er schließlich eingeräumt. Doch sein Geständnis war zögerlich gekommen, es war ihm sichtlich schwer gefallen, sich zu den Verbrechen zu bekennen, dann verfiel der 30-Jährige in einen sachlichen, fast schon trotzigen Tonfall. „Etwas mehr Demut wäre angebracht gewesen“, meinte dazu der Vorsitzende Richter. Die „ruppige und schnodderige Art“ des Angeklagten habe vor allem die Eltern der Opfer irritiert und wütend gemacht. Am Ende des Prozesses, als Stefan H. an Handschellen über den Flur zurück in seine Zelle im Untersuchungsgefängnis geführt wird, schreien zwei Mütter ihre Wut und Verzweiflung über das Furchtbare, was der 30-Jährige ihren Kindern angetan hat, heraus: „Ich wünsche Dir viel Spinnen“, ruft eine. Und die andere ergänzt: „Und einen riesigen Ameisenhaufen. Und viel Angst!“ Stefan H. scheint sich weg zu ducken, das Gesicht unter einer Kapuze verborgen, den Kopf gesenkt. Mit schnellen Schritten entfernt er sich.