Bergedorf. Die Jungtiere wären bei der Grasmahd den scharfen Messern der Mähwerke zum Opfer gefallen. Wie Jäger und Helfer dagegen vorgehen.
Fährt ein Landwirt mit einem Traktor mit Mähwerk übers Feld, gibt es immer wieder Tote. Denn erst wenige Wochen alte Rehkitze laufen nicht weg, wenn sie die Maschine sehen oder hören. Sie machen sich klein, bleiben eingerollt im Gras liegen. Doch die Zahl der zerstückelten Rehkitze in den Vier- und Marschlanden ist deutlich gesunken. Jäger spüren die Tiere mit Drohnen auf und retten sie vor den Scheren des Mähwerks. 65 Kitze haben sie bisher an zwölf Einsatz-Tagen gerettet.
Schon in den vergangenen zwei Jahren waren Jäger in den Vier- und Marschlanden wie auch anderswo im Frühjahr, der Zeit der Grasmahd, mit Drohnen im Einsatz, um Kitze aufzuspüren. Doch in dieser Saison wurden und werden im Bezirk Bergedorf besonders viele Felder abgesucht. Der Hegering Vier- und Marschlande (Zusammenschluss der Jäger) verfügt nun über eine eigene Drohne.
Mit Drohnen-Einsätzen vor der Grasmahd Rehkitze retten
Die Anschaffung des Fluggeräts, das mit Ausrüstung rund 8500 Euro kostet, wurde vom Bezirksamt und vom Landwirtschaftsministerium bezuschusst, berichtet Torsten Riecken (49), Jäger aus Kirchwerder. „Außerdem gab es eine Spende von der Vierländer Volksbank, alles zusammen mehrere Tausend Euro.“ Eine weitere Drohne, die derzeit für die Aufspüraktionen eingesetzt wird, gehört Jagdpächter Holger Ewers. „Wir sind fünf ausgebildete Drohnenpiloten, haben alle die erforderlichen Führerscheine“, sagt Gerd Großweischede (40), Jäger und Drohnenpilot aus Kirchwerder.
Die Arbeit beginnt um 4.30 Uhr, wenn Gras und Boden noch kühl sind und nicht infolge der Sonneneinstrahlung als massiver weißer Punkt auf dem ansonsten dunklen Übersichtsbild die tatsächlich gesuchten Rehe verdecken. Oft tauchten Hasen und Fasane, aber auch Steine Maulwurfhügel oder Baumstümpfe als weiße Punkte auf. Selbst aus der Nähe seien sie nicht immer von der Drohne, die dann aus 50, 60 Metern Standardflughöhe zur genaueren Erkundung bis zu zwei Meter nah an die Ziele heran fliegt, zu erkennen. Deshalb legten die Läufer im Laufe des Morgens weite Wege zurück. Das reine Abfliegen gehe hingegen schnell: „Für ein etwa vier Hektar großes Feld benötigen wir etwa viereinhalb Minuten“, sagt Großweischede.
Jedes Team besteht aus einem Piloten, einem Helfer am Bildschirm und zwei bis drei Läufern, die zu den aufgespürten Tieren laufen, sie mit Keschern einfangen und behutsam in eine große Plastikbox setzen. Dabei tragen sie Handschuhe und packen sich, als Puffer, Gras in die Hände. Die Tiere dürfen nicht den Geruch von Menschen an sich tragen. Dann würde die Ricke sie verstoßen.
Weit mehr als 1000 Hektar Feld werden abgeflogen – mehr als 200 Felder
Etwa 850 Hektar sind die Jäger bereits abgeflogen. Allein am Freitag, 26. Mai, haben sie zwölf Kitze aufgespürt und gerettet. „Fast alle Landwirte sind dabei, haben von ihren Kollegen, von den zuständigen Jagdpächtern oder über die Berufsverbände von unserem Angebot erfahren“, sagt Riecken, der die Anrufe der Bauern entgegennimmt, notiert, wann gemäht werden soll, und die Einsätze der Jäger koordiniert. Der logistische Aufwand ist immens und wird – wie auch die Einsätze auf den Feldern – von den Jägern und ihren Helfern ehrenamtlich geleistet.
Mindestens weitere 100 Hektar sollen noch abgeflogen werden – Felder, auf denen der erste Grasschnitt in diesem Jahr erfolgt. „Mit 950 Hektar werden wir dann einen Großteil aller Felder kontrolliert haben.“ Doch weil die Jäger viele trächtige Ricken gesehen haben, deren Nachwuchs erst in den kommenden Wochen geboren wird, wollen sie viele Felder vor dem zweiten Schnitt erneut kontrollieren. „Wir sind wohl bis Mitte Juni unterwegs, werden insgesamt mehr als 200 Felder mit einer Größe von weit mehr als 1000 Hektar kontrollieren.“ Der Jäger geht davon aus, dass am Ende die Zahl der geretteten Kitze knapp dreistellig sein wird.
- Störche im Landgebiet: Die ersten Paare sind schon vereint
- Schule Hamburg: Neue Stadtteilschule Kirchwerder nimmt immer mehr Form an
- Gefährliche Plage: Bergedorf gibt Nutrias zum Abschuss frei
„Ich frage bei allen Landwirten nach, ob nach unseren Drohnenflügen noch Tiere auf dem Feld waren“, sagt Riecken. „Das ist zum Glück sehr selten.“ Die Landwirte säßen deshalb „entspannter auf dem Trecker“, sind zudem rechtlich abgesichert. Denn sie sind in der Pflicht, die Felder vor der Mahd nach Tieren abzusuchen. Tun sie dies nicht und stirbt ein Tier beim Mähen, verstoßen sie gegen das Tierschutzgesetz und begehen eine Straftat.
Landwirte können die Drohnen-Crew anrufen
Die Kitzretter engagieren sich auf Spendenbasis. „Das Geld der Landwirte investieren wir in neue Ausrüstung für die Drohne oder machen wir uns einen schönen Grillabend“, sagt Riecken. Landwirte, die ihre Felder kontrollieren lassen wollen, oder Tierfreunde, die helfen möchten, erreichen die Drohnen-Crew unter Telefon 0162/236 63 72.