Bergedorf. Bei Sturmflut und Starkregen droht Überflutung der Vier-und Marschlande. Zeitplan für Bau von Schöpfwerken sorgt deswegen für Frust.
Der Bau von Schöpfwerken, die die Entwässerung der Vier- und Marschlande nach Starkregenereignissen entscheidend verbessern sollen, ist bereits seit Jahrzehnten geplant. Als das Landgebiet vor einem Jahr nach langanhaltenden Regenfällen und einer gleichzeitigen Sturmflut in der Stromelbe unterzugehen drohte, wurde den Menschen in den Vier- und Marschlanden die Dringlichkeit dieses Vorhabens vor Augen geführt.
Um so enttäuschter waren die Mitglieder des Regionalausschusses, als ein für die Dezember-Sitzung angekündigter Referent der Umweltbehörde nicht erschienen war. In der jüngsten Sitzung im Bergedorfer Rathaus stand Olaf Simon vom Referat für Hochwasserschutz in der Umweltbehörde den Volksvertretern nun mit zweimonatiger Verspätung Rede und Antwort. Doch was er zu berichten hatte, kam nicht gut an.
Hochwasserschutz in Hamburg: Verbesserung dringend notwendig
Die Beinahe-Überflutung des Landgebietes habe die dringende Notwendigkeit gezeigt, dass die geplanten drei Schöpfwerke entlang der Stromelbe sofort gebaut werden müssen, so die Fraktionen im Regionalausschuss, die im Herbst 2022 einen interfraktionellen Antrag zum Binnenhochwasserschutz auf den Weg gebracht haben.
Gescheitert ist der Bau bislang am missglückten Ankauf von Grundstücken in Neuengamme. Dort soll das größte der drei Schöpfwerke entstehen. Zwei kleinere sind in Zollenspieker und in Neudorf (Ochsenwerder) geplant. Der Grunderwerb für das Schöpfwerk Dove-Elbe sei noch immer nicht abgeschlossen, berichtete Simon im Ausschuss. Er gehe jedoch davon aus, dass sämtliche „Schlüsselgrundstücke“ aus privater Hand, also jene, die für das Vorhaben unbedingt benötigt werden, bis zum Mai im Besitz der Stadt Hamburg sind.
In Neudorf ist laut Simon alles geklärt
Er habe, was die Verhandlungen betrifft, „ein gutes Gefühl“, sagt Simon. Die weiteren Grundstücke seien zweitrangig, würden lediglich den Verlauf des Zulaufs zum Schöpfwerk betreffen. Dafür seien bereits alternative Varianten erarbeitet worden. In Zollenspieker sei man mit dem Grunderwerb „etwas weiter“, in Neudorf sei alles geklärt.
„Die Grundstück-Einkäufe ziehen sich seit mehr als zehn Jahren hin“, kritisierte Jörg Froh (CDU). Man habe das Thema Grunderwerb noch vor fünf Jahren unterschätzt, gestand Simon ein. Der Zeitplan, den er an die Wand werfen ließ, kam entsprechend überhaupt nicht gut an: Bis 2025 seien die Behörden mit einer „Planänderung der Planfeststellung“ beschäftigt, auch weil sie ja erst ab voraussichtlich Mai wüssten, welche Grundstücke zur Verfügung stehen. Dann, 2026 bis 2029, werde das große Schöpfwerk gebaut. Von 2029 bis 2031 soll in Zollenspieker gebaut werden, anschließend bis 2032 in Neudorf.
Steuerung per Künstlicher Intelligenz
Weitere Maßnahmen im Zuge des Projekts sind die Ertüchtigung des Tatenberger Deichsiels und der Krapphofschleuse. In der Schleuse soll der Abfluss des Wassers vom Norden in den Westen optimiert werden, an beiden Bauwerken sollen die digitale Infrastruktur inklusive Messsystemen („Künstliche Intelligenz“) optimiert werden. In Tatenberg sei bereits mit den Arbeiten begonnen worden. Sie sollen bis Ende kommenden Jahres abgeschlossen werden. Die Krapphofschleuse soll von 2026 bis 2028 umgebaut werden. Die Planungen würden nun starten.
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Oberdeichwart Werner Jacobsen, der die Sitzung als Gast verfolgte, war erstaunt: „Man braucht drei Jahre, um den Umbau der Krapphofschleuse zu planen?“ Wenn es schneller ginge, würde das getan, beteuerte Simon an dem Abend mehrfach und auch mit Bezug auf die weiteren Bausteine: „Wir haben keinen Grund, länger zu warten.“ Doch so leicht gaben sich auch die Politiker nicht zufrieden: Harald Martens (SPD) wunderte sich über die Formulierung „Planungsaufnahme Schöpfwerke“ auf einer dargestellten Grafik: „Wie lange hat die Planung denn geruht? Die Pläne waren doch vor zehn Jahren schon sehr konkret.“
Bau und Planung der Schöpfwerke wird 21 Millionen Euro kosten
„Was ist in dieser ganzen Zeit passiert? Was gibt uns die Sicherheit, dass Sie nicht in zwei Jahren wieder hier sitzen und erneut über die Grundstücksaufkäufe berichten?“, wollte Martens Parteifreund Heinz Jarchow wissen. Man solle lieber „über Alternativen nachdenken statt auf Schlüsselgrundstücke zu setzen“, forderte der SPD-Mann. Man habe die Planungen nicht schneller vorantreiben können, sagte Simon. Nun seien Umplanungen notwendig. „Das geht erst, wenn wir die Grundstücke haben.“
Die Kosten für das Gesamtprojekt würden rund 21 Millionen Euro betragen. Für das Schöpfwerk Dove-Elbe werden 9 Millionen Euro kalkuliert, für die beiden kleineren jeweils 3 Millionen Euro. Für die Krapphofschleuse werden 2 Millionen Euro veranschlagt, für das Deichsiel 4 Millionen Euro.
Zehn Jahre auf schönes Wetter warten?
Ein Besucher, der selbst beruflich in der Wasserwirtschaft tätig war, hinterfragte die geplante Variante der Schöpfwerke: „Wir brauchen Sturmflutschöpfwerke, die während einer Sturmflut eingesetzt werden können.“ Die bisher geplanten Standardschöpfwerke würden in so einem kritischen Fall nichts nützen. Simon antwortete mit einem „Jein“. Zwar könnten die geplanten Bauwerke tatsächlich nicht während einer Sturmflut pumpen, aber eben davor, „immer dann, wenn die Deichsiele nicht ausreichen“. Und dies sei eine entscheidende, ausreichende Verbesserung der Situation. Es solle präventiv gearbeitet werden – „und nicht erst, wenn die Pegel steigen“.
Laura Wohnrath (SPD) sprach aus, was viele der Anwesenden gedacht haben mögen, und erntete Applaus aus den Zuschauerrängen: „Die Stadt Hamburg wird ihrer Verantwortung nicht gerecht. Was soll ich den Menschen in meinem Wahlkreis nun dazu sagen? Dass wir in den kommenden zehn Jahren auf schönes Wetter hoffen müssen?“