Hamburg. Deiche brechen, Kinder laufen auf Überflutungsflächen Schlittschuh und die Verkehrsverbindung in die Stadt ist abgeschnitten.

In der Nacht vom 16. auf den 17. Februar hat unser Nachbar heftig ans Fenster unserer Schlafstube am Moorfleeter Deich 359 geklopft und gerufen: „In Moorfleet ist der Deich gebrochen.“ Meine Eltern und ich standen auf und haben mit Taschenlampen hinter der Scheune ins Feld geleuchtet, um das Wasser beobachten zu können. Noch war nichts zu sehen.

Sturmflut in Hamburg: Werner Sannmann aus Ochsenwerder blickt zurück

Mit dem Tagesanbruch konnte man sehen, wie sich das Mondlicht im blanken Wasser spiegelte. Pläne wurden besprochen, wie die Stalltüren abgedichtet werden können. Hinter der Scheune wurde der Wasserpegel markiert und beobachtet. Unsere Familie brachte die Kälber aus der Scheune ins Haupthaus. Die Schweine im Haupthaus wurden in einer Seitenstube untergebracht, während das Wasser bis zum Nachmittag weiter anstieg. Da der Wohnteil noch mit Einzelöfen ausgestattet war, wurde aus der Scheune Brennholz ins Haupthaus zum Heizen und Kochen geholt. Kerzen und Petroleumlampen wurden bereitgelegt.

Einige Tage später wurde der Moorfleeter Deich in Höhe des Pumpwerks aufgegraben, damit das Wasser ablaufen konnte. Nun wurde es sehr kalt. Auf den Überflutungsflächen bildete sich eine dicke Eisschicht. Wir Kinder konnten darauf super Schlittschuh laufen. Als das Wasser abgelaufen und die Felder getrocknet waren, fanden wir im Feld an einer Baumreihe die komplette Verschalung der Brückenpfeiler von der Brennerhofbrücke über die Autobahn. Es hat lange gedauert, bis die Felder wieder bearbeitet werden konnten. Heinrich „Heini“ Meyer, der Vater meiner Frau Marita, war damals als Bereichsführer der Marschländer Feuerwehr mit seinem Dienstwagen, einem Käfer, an der Sandwisch im Einsatz, als es zu dem Deichbruch bei der Autobahnbaustelle kam. Er konnte sich gerade noch aus dem Auto retten.

Werner Sannmann, Ochsenwerder

Zeitzeuge aus Billwerder: Das Wasser kam aus Moorfleet

Der morgen des 16. Februar 1962 begann bei uns am Allermöher Deich ganz unspektakulär. Es war stürmisch und regnete. Aus diesem Grund bat mein Bruder, der auf dem Weg zum Hansa-Gymnasium in Bergedorf war, meinen Vater, ihn mit dem Auto zum S-Bahnhof Mittlerer Landweg zu fahren. Nach kurzer Zeit waren beide wieder zurück, da am Mittleren Landweg alles überflutet war.

Erst da wurde uns bewusst, dass die Sturmflut auch uns betraf. Insofern überraschend, da das Wasser von „hinten“, also aus Moorfleet, kam und nicht von der Dove-Elbe. Die hatte zwar einen höheren Wasserstand, stand aber weit unterhalb der Deichkante. Am Ende hatten wir Glück. Das Wasser kam hinter unserer Scheune zum Stehen, da die alten Höfe auf Warften angelegt waren. Wohn- und Wirtschaftsgebäude wurden nicht überflutet.

Karsten Schütt, Allermöhe

Sturmflut vor 60 Jahren: Ein Barsbütteler war mittendrin


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  • Verkehrsverbindung in die Stadt war durch das Wasser abgeschnitten

    Meine Familie wohnte in den ersten Häusern in der ehemaligen Bille-Siedlung in Moorfleet an der Tatenberger Schleuse. Das Gelände lag auf dem Höhenniveau des Moorfleeter Deiches, also erheblich höher als die umliegende Fläche der Moorfleeter Wanne und die anderen Teile der Marschlande.

    Am Abend des 16. Februar, einem Freitag, unternahmen mein Vater, mein Bruder und ich trotz des stürmischen Windes einen Spaziergang zur Tatenberger Schleuse, um den Wasserstand zu beobachten. An der Schleuse gab es keine Auffälligkeiten, abgesehen vom hohen Wasserstand beim Wehr. Wir hörten allerdings Kanonenschüsse (Böller) aus dem Hamburger Hafen, die eine Sturmflutwarnung bedeuteten. In den abendlichen Radionachrichten gab es eine Sturmflutwarnung für die Nordseeküste. Wir gingen beruhigt schlafen.

    Hans-Heinrich Busse aus Billwerder erkundete die Lage am Moorfleeter Deich

    Am Sonnabend wollten wir in die Stadt fahren, denn es gab noch Schulunterricht am Sonnabendmorgen. Wir gingen wie üblich um 7 Uhr zur Bushaltestelle am Tatenberger Weg. Von dort kamen uns bereits andere Kinder entgegen und berichteten, dass kein Bus Richtung Stadt fahre, weil die Straße Brennerhof und die Moorfleeter Wanne überflutet seien. Wir gingen bis zur Kreuzung am Brennerhof und sahen wie die Wassermassen in stetigem Strom in Richtung Billwerder zogen. Zur Stadt gab es keine Verkehrsverbindung mehr.

    Mit dem Fahrrad erkundete ich die Lage am Moorfleeter Deich bei der Baustelle für die Umgehungsautobahn. Die betonierte Brücke und zugleich Unterführung war von den aus dem Holzhafen kommenden Wassermassen umgekippt worden. Der dort bereits aufgegrabene Moorfleeter Deich war weggespült worden und aus dem Holzhafen floss ungehindert jede Menge Wasser in die Marschlande.

    Hans-Heinrich Busse, Billwerder