Bergedorf. Der 18-Jährige will es Max Verstappen und Sebastian Vettel gleich tun. Die schafften es aus dem Red-Bull-Nachwuchsteam in die Formel 1.
In dieser Woche weilt das Bergedorfer Motorsport-Talent Tim Tramnitz zu Tests im britischen Silverstone. Rennfahrer-Alltag. Doch wenn der Formel-3-Pilot am 16. November seinen 19. Geburtstag feiert, wartet nach Wochen der Hektik ein Augenblick der Ruhe. „Endlich kann ich mal wieder zu Hause mit Freunden feiern, nachdem ich in den vergangenen Jahren an meinem Geburtstag stets unterwegs war“, freut er sich schon auf die stillen Tage im Hamburger Osten.
Besondere Wünsche für seinen Ehrentag hat er keine. Denn sein größter Wunsch, der ist längst in Erfüllung gegangen. Der österreichische Rennstall Red Bull Racing hat Tramnitz als Nachwuchsfahrer in sein Junior-Team aufgenommen. Für die Österreicher wird er im nächsten Jahr in der FIA Formel 3 an den Start gehen. Von dort aus soll sein Weg in den kommenden Jahren dann möglichst bis in die Formel 1 führen, so wie bei seinem großen Vorbild Sebastian Vettel oder dem aktuellen Weltmeister Max Verstappen, die früher ebenfalls zum Red-Bull-Förderkader gehörten.
Tim Tramnitz fährt künftig für das Nachwuchs-Team des Rennstalls Red Bull Racing
Beide legten einst einen kometenhaften Aufstieg in der Motorsport-Szene hin. Vettel kam 2006 als Formel-3-Pilot als Testfahrer in die Formel 1, gewann sofort ein Training und rückte 2007 ins Renncockpit auf, nachdem ein Teamkollege einen Unfall hatte. Drei Jahre später war er Weltmeister. Max Verstappen wurde 2014 als 16-Jähriger ins Förderprogramm von Red Bull aufgenommen, bestritt noch im selben Jahr erste Testfahrten in der Formel 1, fuhr mit 17 dort seine ersten Rennen und wurde von 2021 bis 2023 dreimal hintereinander Weltmeister.
Und nun also bald ein Formel-1-Pilot Tim Tramnitz aus Bergedorf? „Die Zeiten sind heute andere. So wie früher funktioniert das heute nicht mehr“, tritt Tramnitz hart auf die Euphoriebremse. 2016 hat die Fédération Internationale des l‘Automobile die Regeln für den Erwerb der Superlizenz verschärft. Sie ist die Voraussetzung dafür, in der Formel 1 an den Start gehen zu dürfen. Zum einen wurde nach der Causa Verstappen das Mindestalter auf 18 Jahre heraufgesetzt, zum anderen müssen die Piloten nun mindestens zwei komplette Saisons lang Punkte in den Nachwuchsklassen gesammelt haben, um die Superlizenz zu erhalten.
In der FIA Formel 3 sind die Autos auf der Geraden bis zu 310 Kilometer pro Stunde schnell
Für Tim Tramnitz bedeutet das: Im kommenden Jahr startet er in der FIA Formel 3. Dort sind die Autos mit 380 PS und einer Spitzengeschwindigkeit von 310 Kilometern pro Stunde noch einmal deutlich leistungsstärker als in der Formel-3-Variante Formula Regional European Championship by Alpine (FRECA), in der er in diesem Jahr Dritter der Gesamtwertung unter 42 Fahrern war – als einziger Deutscher im Wettbewerb.
Es war ein dramatisches Jahr, das ihm alles abverlangte. Im Juli löste ein Dreher von Tramnitz auf der Rennstrecke in Spa-Francorchamps (Belgien) eine Massenkarambolage aus, in der ein niederländischer Fahrer starb. „Vier Tage später wieder ins Auto steigen zu müssen, war hart“, sagte er damals. Doch Tramnitz schaffte es, den Vorfall mental hinter sich zu lassen, fuhr sofort wieder vorne mit und gewann im Oktober das Rennen auf dem Hockenheimring.
Bei Red Bull arbeitet der Bergedorfer mit den Konstrukteuren des Formel-1-Rennwagens zusammen
Nun werden die Fahrzeuge noch einmal schneller. Doch auch fahrtaktisch kommen ganz neue Anforderungen auf den Bergedorfer zu. „In der FIA Formel 3 gibt es zum Beispiel ein Drag Reduction System“, erläutert Tramnitz. „Das ist ein verstellbarer Heckflügel. Wenn man auf die Gerade kommt und nur knapp hinter dem Vordermann liegt, kann man den Flügel gerade stellen. Die Luft hat dann weniger Widerstand, das erhöht den Topspeed für das Überholmanöver. Sobald man vor der Kurve die Bremse berührt, klappt der Flügel zurück, und der Anpressdruck erhöht sich.“
Solche Hilfsmittel im richtigen Moment einzusetzen, dieses Know-how muss sich der Bergedorfer in den kommenden Monaten erarbeiten, bevor am 2. März mit dem ersten Rennen in Bahrain die Saison beginnt. „Bei den Tests arbeite ich auch mit den Konstrukteuren zusammen, die für Red Bull das Formel-1-Auto entwickelt haben. Die haben natürlich jede Menge Erfahrung“, schwärmt Tramnitz.
Auf Du und Du mit den Formel-1-Stars am Rande der Rennen in aller Welt
Auch den Stars der Formel 1 wird der Bergedorfer im kommenden Jahr ganz nahe kommen, denn der Rennplan der FIA Formel 3 ist an die Formel 1 gekoppelt. Die Piloten laufen sich also zwangsläufig über den Weg. „Red Bull ist das sehr offen“, lobt Tramnitz. „Wir dürfen zum Beispiel ins Paddock, das ist der abgetrennte Bereich für die Fahrer, in denen sich die Formel-1-Piloten während der Rennwochenenden aufhalten.“
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Bei dem ganzen Drumherum nicht die Konzentration auf die eigenen Rennen zu verlieren, die im Rahmenprogramm der Formel 1 ausgetragen werden, das wird eine große Herausforderung für den 18-Jährigen sein. Spätestens im zweiten Rennjahr wird von den Nachwuchs-Piloten erwartet, dass sie in der Lage sind, um die vorderen Ränge in der Gesamtwertung mitzufahren. „Letztlich helfen mir nur Siege“, ist sich Tramnitz bewusst. „Aber ich spüre keinen Druck. Gewinnen muss ich ja sowieso immer.“
In der Formel 3 sind alle Fahrzeuge baugleich, damit es nur auf das Können der Fahrer ankommt
Einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz hat Tramnitz als Red-Bull-Pilot übrigens nicht. Denn alle Fahrzeuge in den Nachwuchsklassen sind baugleich, es kommt also ganz allein auf das Können des Fahrers an. Läuft es 2024 gut, könnte sich Tramnitz für einen Aufstieg in die Formel 2 empfehlen und damit seinem großen Ziel, der Formel 1 ein gutes Stück näher kommen.
Sein großes Vorbild Sebastian Vettel hat er auch schon einmal getroffen. „Das war 2013 in Hamburg“, erinnert der 18-Jährige sich. „Aber das ging ganz schnell. Ein Bild, ein Autogramm, das war‘s.“ Nun will er ihm weiter nacheifern. Aber erst einmal warten in Bergedorf noch ganz andere Herausforderungen: Führerschein-Besitzer Tim Tramnitz ist nämlich noch in der Probezeit. „Deshalb fahre ich auf der Straße natürlich immer ganz vorschriftsmäßig, will nichts riskieren“, sagt er. „Aber manchmal, wenn dann einer vor mir allzu verträumt durch die Gegend fährt, fällt mir das schon schwer.“
Der Rennkalender 2024 der FIA Formel 3 mit Tim Tramnitz: 2. März: Bahrain, 24. März: Melbourne, 19. Mai: Imola, 26. Mai: Monaco, 23. Juni: Barcelona, 30. Juni: Spielberg, 7. Juli: Silverstone, 21 Juli: Hungaroring, 28. Juli: Spa-Francorchamps, 1. September: Monza.