Hamburg. Die Wurfsportart aus Russland ist bei Spätaussiedlern beliebt. Atlantik 97 richtete die 3. Deutschen Meisterschaften aus.

Gorodki (sprich: „Garadkij“), das ist Russisch und heißt „Städtchen“ oder „Stadtbezirk“. Die Gorodki sind fünf kleine Holzstäbchen, die mit einem Wurfstab, dem „Bit“, möglichst mit einem Wurf abgeräumt werden müssen. Dieses Spiel, das leicht zu erlernen und schwer zu beherrschen ist, fasziniert schon seit Generationen die Menschen, die in Russland und den angrenzenden Ländern verwurzelt sind.

Der Nationaldichter Alexander Puschkin (1799-1837), der zur Zeit der Zarenherrschaft von einer besseren Welt träumte, entspannte sich gerne beim Gorodki. Ebenso wie Leo Tolstoi (1828-1910), der Autor des monumentalen Historiengemäldes „Krieg und Frieden“. Es gibt ein Foto von Tolstoi, das ihn 80-jährig mit langem, weißen Rauschebart auf seinem Landgut Jasnaja Poljana beim Werfen des Stabs zeigt.

3. Deutsche Meisterschaften: Je zweimal Silber und Bronze gab es für Atlantik 97

Gorodki ist also ein Spiel für jedes Alter, und so ist es nur konsequent, dass bei den 3. Deutschen Meisterschaften auf Betreiben des Gastgebers BFSV Atlantik 97 neben Damen, Herren und Mix-Team erstmals auch ein Senioren-Wettbewerb mit ins Programm aufgenommen wurde. Das hatten die Hausherren natürlich nicht ohne Hintergedanken gemacht, gehören doch mit Karl Schreiner und Alexander Kisner zwei „Oldies“ des Vereins zu den Besten im Land. Während Schreiner am zweiten der drei Wettkampftage kaum etwas traf und am Ende Achter wurde, nutzte Kisner die Gunst der Stunde. Mit einer ausgeglichenen Serie sicherte er sich die Bronzemedaille.

Glänzend schlugen sich die Neuallermöher Damen. Die Weltmeisterschafts-Dritte Tetiana Pervushin gewann Silber, ihre Vereinskameradin Natalja Rommel Bronze. Eine Klasse für sich war die deutsche Rekordhalterin Diana Krivoscheev (Tostedt), die satte 33 Punkte zwischen sich und die Konkurrenz legte.

Der Wurfstab (Bit) trifft die Holzstäbchen (Gorodki).
Der Wurfstab (Bit) trifft die Holzstäbchen (Gorodki). © Volker Koch | Volker Koch

Mehr als eine Hand am Gold hatten Tetiana und Sergey Pervushin dann im Mix-Team-Wettbewerb. Nach 40 von 80 Würfen führten sie bereits mit 24 Punkten Vorsprung die Konkurrenz an. Das bedeutete, dass ihre großen Konkurrenten, Diana und Konstantin Krivoscheev, bei den zweiten 40 Wurf 24 Hölzchen mehr treffen mussten als die Pervushins. Doch die Neuallermöher verspielten diese komfortable Führung noch und mussten sich mit Silber begnügen. Zu allem Überfluss verpassten Natalja und Vitali Rommel von Atlantik 97 die Bronzemedaille um winzige drei Hölzchen. „Das lag an mir“, gab Vitali freimütig zu. „Ich hätte mit dem vorletzten Wurf die Figur abräumen müssen, doch ich habe beide Würfe dafür gebraucht.“

Das Wohl und Wehe hängt manchmal an einem Hölzchen

Das ist das Perfide bei diesem Sport: Das Wohl und Wehe eines Aktiven hängt manchmal an einem einzigen Hölzchen. Die fünf Gorodki werden nach und nach zu insgesamt 15 verschiedenen Figuren aufgebaut. Erst wenn eine Figur komplett abgeräumt ist, kommt die nächste dran. Manchmal jedoch bleibt ein einzelnes Hölzchen in dem 2x2 Meter großen Spielbereich liegen. Es dann aus einer Entfernung von 13 Metern (Männer) beziehungsweise 6,5 Metern (Frauen, Senioren) zu treffen, stellt eine große Herausforderung da. So erging es auch dem jüngsten DM-Starter, dem 16-jährigen Alexander Dejneko (Atlantik 97), der für ein einzelnes Hölzchen zahllose Würfe verbrannte und im Hinterfeld landete.

Doch vor allem geht es den Spätaussiedlern ja darum, in schwierigen Zeiten ein Stück heimatlicher Kultur zu bewahren. Wenn auch in entschärfter Form. „In Russland werfen sie mit Stäben aus Holz und Eisen, die sind drei oder vier Kilo schwer. Da würde bei mir der Arm abfliegen“, schildert Vitali Rommel, der Vereinsvorsitzende des Breiten- und Freizeitsportvereins Atlantik 97. In Deutschland sind wegen des Lärmschutzes nur Kunststoffstäbe erlaubt. Mit Sand gefüllt wiegen die gerade mal ein bis zwei Kilo und haben weniger Wumms. Doch nach Heimat fühlen auch sie sich an.

Ergebnisse der DM

HERREN EINZEL

1. Raimund Scheifel (Karlsruhe) 370

2. Konstantin Krivosheev (Tostedt) 366

3. Alexander Fischer (Reutlingen) 339

4. Sergey Pervushin (Atlantik 97) 332

...9. Jakob Halle (Atlantik 97) 290

...10. Valerij Dejneko (Atlantik 97) 285

DAMEN EINZEL

1. Diana Krivoscheev (Tostedt)429

2. Tetiana Pervushin (Atlantik 97) 398

3. Natalja Rommel (Atlantik 97) 367

… 5. Galina Koop (Atlantik 97) 343

SENIOREN EINZEL

1. Wladimir Shukovski (Dinklage) 394

2. Samuel Kraft (Dinklage) 372

3. Alexander Kisner (Atlantik 97) 358

… 8. Karl Schreiner (Atlantik 97) 270

MIX TEAM

1. Diana/Konstantin Krivoscheev 265

2. Tetiana/Sergey Pervushin 263

3. Anna/Raimund Scheifel 214

4. Natalja/Vitali Rommel (Atlantik)211

...7. Galina Koop/Andreas Dejneko193

...8. Olga Becker/Valerij Deneko 176