Hamburg. Menschen aus dem Landgebiet erinnern sich an die Sturmflut im Jahr 1962. Die Vollmondnacht hinterließ unterschiedliche Spuren.
Eine Katastrophe ungeahnten Ausmaßes erschütterte Hamburg vor 60 Jahren: In der Nacht von Freitag, 16. Februar, zum Sonnabend, 17. Februar, brachen 1962 bei einer schweren Sturmflut an mehreren Stellen die Deiche. Auch Teile von Ochsenwerder, Billwerder, Allermöhe und Moorfleet wurden überflutet. In Hamburg starben 315 Menschen, die meisten von ihnen im besonders schwer betroffenen Wilhelmsburg. In den Vier- und Marschlanden und im Verbreitungsgebiet unserer Zeitung leben noch zahlreiche Zeitzeugen der Katastrophe, die in einer Serie von ihren Erinnerungen berichten.
Bernd Jacubczik aus Ochsenwerder erzählt: „Die Flutnacht habe ich als 13-Jähriger miterlebt. Damals wohnte ich mit meiner Familie am Spadenländer Elbdeich 34. Am Abend des 16. Februar haben wir meines Vaters Geburtstag gefeiert. Wir hörten die
Warndurchsagen von der bevorstehenden Flut im Radio. Auch Böllerschüsse konnte man hören. Gegen 23 Uhr bin ich zum Deich gegangen, um zu sehen, wie hoch das Wasser stand. Da stand es bereits bis oben an der Deichkrone. Fast so hoch wie unsere Zimmerdecke im Wohnzimmer in unserem alten Reetdachhaus. Ich bin dann auf dem Deich stadteinwärts gegangen.
Wasser lief über den Deich, Versorgungsleitungen hingen in der Luft
Es war Vollmond und daher sehr hell. Etwa 200 Meter weiter lief das Wasser bereits über den Deich. Hier war der Deich schon von hinten weggespült und nur noch 50 bis 80 Zentimeter breit. Die Versorgungsleitungen hingen in der Luft. Zu der Zeit hatten wir noch Hausschlachtung. Im Februar waren schon neue Ferkel im Stall. Als ich wieder im Haus war, hatte mein Vater bereits die Ferkel auf den Heuboden gebracht. Danach sind wir alle zum Nachbarhaus gegangen.“
Als 347 Hamburger in den Fluten starben
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Annegret Peters aus Fünfhausen erinnert sich an die Flutnacht
„Ich war nicht ganz acht Jahre alt als die Sturmflut kam. Ich lebte am Süderquerweg/Howe. Mein Vater kam an diesem Abend von der Chorprobe heim. Er hatte noch das Wasser am Deich gesehen, was aber nicht unbedingt unüblich war und ging darum schlafen. Gegen frühen Morgen wurden meine Eltern durch einen Peterwagen geweckt, der alle Bürger aufforderte, sich in Sicherheit zu bringen, da der Deich kurz davor war zu brechen.
„Ich habe mich immer wieder umgedreht und geguckt, ob das Wasser schon kommt“
Ich musste mehrere Schichten Zeug anziehen, darunter auch die verhassten Strumpfhosen. Wir hatten kein Telefon und kein Auto. Fast alle Nachbarn hatten schon ihre Häuser verlassen. Die Eltern meiner Schulfreundin hatten ein Telefon und von dort haben wir meinen Onkel aus Lohbrügge angerufen, der uns abholen sollte. Der Papa meiner Freundin hat uns mit dem Auto bis zur Kreuzung Landweg/Kirchwerder Hausdeich gefahren. Von dort aus sind wir meinem Onkel entgegen gegangen. Ich habe mich immer wieder umgedreht und geguckt, ob das Wasser schon kommt.
Sandsäcke gaben dem Deich etwas Stabilität
Wir haben dann ein oder zwei Tage dort verbracht und konnten dann wieder zurück. Der Deich an der Ecke Landweg/Kirchwerder Elbdeich war kurz vorm Durchbruch. Wasser sickerte schon durch und nur die Sandsäcke gaben ihm etwas Stabilität. Dadurch, dass der Deich in Wilhelmsburg brach, gab es Entlastung. Später konnten wir Kinder die geleerten und getrockneten Säcke gegen kleines Geld abgeben und haben uns somit noch ein Taschengeld erarbeitet. Trotzdem liebe ich die Elbe, den Geruch, die Wellen und bin gerne an den letzten verbliebenen Sandstränden.“