Hamburg. Deutlich weniger Kunden bei der Solidarischen Landwirtschaft. Woran das liegt und was die Anteile kosten.
Erstmals in der mehr als fünfjährigen Geschichte der Solidarischen Landwirtschaft (SoLawi) Vierlande sind im April noch nicht alle Ernteanteile vergeben. Nach der jüngsten Bietrunde im Februar blieb der Verein, der in Neuengamme und Kirchwerder Bio-Gemüse anbaut, das von den Mitgliedern regelmäßig aus Depots abgeholt werden kann, auf rund 20 ganzen Anteilen sitzen. Eine Warteliste wie in den Vorjahren gibt es aktuell nicht.
Interessierte können also sofort Mitglied werden und frisch angebautes Bio-Gemüse beziehen. Ein großer Anteil kostet 125 Euro im Monat, ein halber Anteil 62,50 Euro. Wer nun einsteigt, ist bis Februar 2024 dabei. Dann wird es eine neue Bietrunde geben.
Solidarische Landwirtschaft Vierlande baut regional Bio-Gemüse an
Sollten die restlichen Anteile nicht an neue Mitglieder gehen, droht der SoLawi Vierlande ein großes Minus. „Wir können auch nur sehr schwer Geld einsparen, da wir eh schon zurückhaltend wirtschaften“, sagt SoLawi-Gärtner Steffen Brauer (33).
Vieles werde von den vier angestellten Gärtnern in Handarbeit geleistet, da der Verein neben einem alten Trecker kaum über größere landwirtschaftliche Maschinen verfügt. Doch Investitionen, etwa in neue Arbeitsgeräte, müssten nun aufgrund der unsicheren Finanzlage zurückgestellt werden, berichten die Gärtner. Es würden inzwischen auch weniger und seltener Mini-Jobber beschäftigt.
Gehälter der Gärtner gegenüber dem Vorjahr um zwei Prozent erhöht
Die Preise für die Ernteanteile sollen aber nicht erhöht werden, zumindest nicht vor der nächsten Bietrunde. Und auch dann wären große Preissprünge kaum möglich, weil das Bio-Gemüse auch für solche Mitglieder bezahlbar bleiben soll, die wenig Geld haben. Sie können schon jetzt nur dabei sein, weil andere Mitglieder freiwillig mehr zahlen und dadurch das finanzielle Defizit ausgleichen.
Die Gehälter der Gärtner seien um zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr erhöht worden, „wurden also nicht in vollem Umfang der Inflation angepasst“, berichtet Gärtner Jakob Steinert (30). Dabei hätten sich die Vereinsmitglieder, also die Anteilseigner, bei der Bietrunde im Februar „sehr solidarisch“ gezeigt, betont Steffen Brauer: „Sie wollten unsere Gehälter deutlich verbessern und haben deswegen mehr geboten.“ Dadurch sei der Preis der Anteile im Vergleich zum Vorjahr um 6,8 Prozent gestiegen. Brauer: „Doch wegen der Anteile, die nicht vergeben werden konnten, hat das mit der ordentlichen Gehaltserhöhung leider nicht geklappt.“
Vereinsmitglieder konnten nicht wie sonst im Wochen-Takt Gemüse beziehen
Die Gärtner vermuten, dass der Grund für die zu geringen Anteilsverkäufe die enormen Preissteigerungen in zahlreichen Lebensbereichen seien. Dadurch hätten immer weniger Menschen Geld für hochwertiges, regional erzeugtes Bio-Gemüse. Erschwerend kommt hinzu, dass die Ernte im vergangenen Jahr wegen des Wetters nicht die beste war: Deshalb konnten die Vereinsmitglieder in den vergangenen Wochen nicht wie sonst durchgehend im Wochen-Takt Gemüse beziehen, sondern mussten sich häufiger zwei Wochen gedulden, bis die Depots wieder aufgefüllt worden waren.
„Nun sind wir wieder im Ein-Wochen-Rhythmus und hoffen, den stringent einhalten zu können“, sagt Jakob Steinert. Natürlich sei „niemand so richtig happy“ (Brauer), wenn nicht jede Woche geliefert werden könne, weder die Kunden noch die Gärtner. Doch die meisten Vereinsmitglieder würden Verständnis dafür haben. „Dem regionalen Bio-Anbau geht das leider nicht anders“, sagt Steinert und fügt hinzu: „Wir können nicht Gemüse hinzukaufen, so wie es die großen Gärtnereien tun, die ihre Kunden mit Abo-Kisten beliefern.“
Aktuell werden verschiedene Salatsorten und Porree geerntet
- Für die Kunden starte nun die interessanteste Zeit, weil sie im Frühjahr und im Sommer von Gemüse in großer Vielfalt profitieren. Die Gärtner haben nun wiederum besonders viel zu tun. Sie säen und pflanzen auf der einen Seite und ernten auf der anderen. Dieser Tage ernten sie auf den Solawi-Freiflächen und in den -Gewächshäusern am Neuengammer Hinterdeich verschiedene Salatsorten und Porree. „Vergangene Woche gab es sogar noch einen Rest Grünkohl“, sagt Brauer.
- Ein edler „Gemüse-Laster“ für Vierlandens SoLawi
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- Saisonstart für das frische Bio-Gemüse aus der Region
Gepflanzt werden nun unter anderem weitere Salate, Fenchel und – sobald in den Gewächshäusern geerntet wurde, um Platz zu schaffen – Tomaten. Zwei Hektar Ackerboden werden bald bearbeitet. „Nun ist er trocken genug, um ihn zu lockern“, sagt Steinert. Dann sollen dort wieder Karotten, Rote Bete, Kohlrabi und Kürbisse gepflanzt werden. Im gekühlten Lager gibt es sogar noch Möhren und Rote Bete, die im Herbst 2022 geerntet worden sind.
Weitere Ackerflächen des Vereins sind auf dem Hof Eggers in der Ohe (Kirchwerder). Sie befinden sich derzeit in Gründüngung, damit sich der Boden erholen kann. „Das dort wachsende Kleegras hält die Nährstoffe im Boden, reichert sie sogar an“, weiß Steinert. Das Kleegras wird von den Gärtnern angetrocknet und als Mulch für andere Kulturen genutzt. Im Frühjahr 2024 soll in der Ohe wieder gepflanzt werden. „Dann wird der Acker am Neuengammer Hinterdeich drei Jahre lang geschont“, sagt Brauer. Wer Ernteanteile erwerben oder sich über das Projekt eingehender informieren möchte, der klickt im Internet auf solawi-vierlan.de.