Neuengamme. Beim Untergang des Schiffes starben Tausende Häftlinge. Eine neue Ausstellung in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme zeigt ihr Schicksal.
Schüler aller Schulen in Neustadt in Holstein entwickelten gemeinsam mit Wilhelm Lange, dem ehemaligen Leiter des Museums Cap Arcona, eine Ausstellung, die vom 22. April bis zum 20. August im Foyer der KZ-Gedenkstätte Neuengamme am Jean-Dolidier-Weg 75 zu sehen ist. Die Ausstellung „Cap Arcona – Erinnern an ein Verbrechen“ berichtet von den dramatischen Ereignissen in der Lübecker Bucht am 3. Mai 1945.
Im April 1945 wurde das Konzentrationslager Neuengamme geräumt. Da keine Ausweichlager mehr zur Verfügung standen, beschlagnahmte der NSDAP-Gauleiter von Hamburg, Karl Kaufmann, drei Schiffe in der Lübecker Bucht, die mit mehr als 9000 KZ-Häftlingen beladen wurden, darunter 4200 Häftlinge aus dem Konzentrationslager Neuengamme, die auf das ehemalige Passagier- und Lazarettschiff „Cap Arcona“ gebracht wurden.
„Cap Arcona“: KZ-Gedenkstätte Neuengamme erinnert mit Ausstellung
Zusammengedrängt in den Laderäumen litten die Häftlinge an Hunger, Durst und Krankheiten, viele starben. Bei einem britischen Luftangriff am 3. Mai 1945, der Absetzbewegungen deutscher Truppenteile über die Ostsee verhindern sollte, gerieten die beiden vor Neustadt liegenden Schiffe „Cap Arcona“ und „Thielbek“ in Brand. Nahezu 7000 Häftlinge verbrannten, ertranken oder wurden beim Versuch, sich zu retten, erschossen; nur 450 überlebten. Geheimdienstinformationen, wonach es sich um KZ-Schiffe handelte, erreichten die Befehlshaber wohl zu spät. Gegen einen britischen Major lief später ein Militärermittlungsverfahren.
Das KZ Neuengamme sollte vermutlich geräumt werden, um Gefangene und SS-Mannschaften loszuwerden. Beide Gruppen hätten die kampflose Übergabe der Stadt an die Briten gefährden können. Die Gefangenen hätten sogleich die Nazi-Verbrechen offenbart, die SS-Einheiten hätten möglicherweise gekämpft.
Dem Begriff „Befreiung“ des KZ Neuengamme haftet eine gewisse Ambivalenz an, denn in den letzten Wochen des Krieges starb ungefähr die Hälfte der mehr als 40.000 Häftlinge in Neuengamme und seinen Außenlagern. Tausende kamen bei Todesmärschen nach Wöbbelin bei Ludwigslust, Sandbostel bei Rotenburg/Wümme oder Bergen-Belsen nahe Hannover ums Leben. Allein 1000 Häftlinge verbrannten in einer Scheune bei Gardelegen (Sachsen-Anhalt).
Überlebende Häftlinge befürchteten, ermordet zu werden
Tatsächlich sind am 3. Mai 1945 aber auch mehrere Tausend Gefangene befreit worden: Rund 2000 Menschen befanden sich auf dem ehemaligen Frachter „Athen“. Kurz vor dem Luftangriff der Briten war er in den Hafen von Neustadt gefahren, um noch mehr Häftlinge, die aus dem KZ Stutthof bei Danzig über die Ostsee gebracht wurden, an Bord zu nehmen. Damit entging er dem Luftangriff.
Was die SS mit den Gefangenen auf den Schiffen vorhatte, ist unklar. Überlebende Häftlinge berichteten, dass sie befürchteten, ermordet zu werden. Gauleiter Kaufmann hatte später behauptet, die SS habe die Gefangenen an das Rote Kreuz übergeben wollen. Vermutlich war es eine Schutzbehauptung. Denn anders als bei der Übergabe von skandinavischen Gefangenen im März und April 1945 an das schwedische Rote Kreuz, gab es keinen Versuch der Kontaktaufnahme mit der Hilfsorganisation.
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Die kampflose Übergabe Hamburgs gelang. Am Nachmittag des 3. Mai 1945 fuhren britische Panzer von Harburg über die Elbbrücken bis zum Rathaus, berichtet Autor Uwe Bahnsen in seinem Buch „Hanseaten unter dem Hakenkreuz“. Am Vortag hatte ein Erkundungstrupp der Briten das KZ Neuengamme erreicht. Es war komplett geräumt. Nur Stunden zuvor waren die letzten Gefangenen weggebracht worden. Das Restkommando hatte alle Spuren der Verbrechen und Akten beseitigen sollen.
Ausstellung widmet sich auch der Erinnerungskultur
Die Wanderausstellung in der KZ-Gedenkstätte thematisiert prägnant und leicht verständlich die Versenkung der Häftlingsflotte um die „Cap Arcona“ sowie die Morde an Häftlingen des Konzentrationslagers Stutthof am Strand zwischen Neustadt in Holstein und Pelzerhaken am Morgen des gleichen Tages.
Die Häftlinge waren in ungeeigneten Schuten von Stutthof nach Neustadt gebracht worden und sollten von dort an Bord der „Cap Arcona“ kommen. Die Anbordnahme wurde von der Besatzung des früheren Luxusdampfers aufgrund des völlig überfüllten Schiffes abgelehnt. Nachdem die SS mit den Schleppern abgelaufen war, um in Neustadt Quartier zu nehmen, trieben die Schuten mit den Häftlingen in der Nacht an Land.
Eröffnung im Rahmen der „Langen Nacht der Museen“
Am Morgen des 3. Mai 1945 wurden die Häftlinge am Strand entdeckt und während eines Todesmarschs in Richtung Hafen mehr als 200 von ihnen ermordet. Neben diesen Ereignissen werden sowohl die Ursachen der Katastrophe als auch die Erinnerungskultur in Neustadt in Holstein ausführlich dargestellt. Ergänzt wird die Ausstellung durch biografisches Material zu Häftlingen des KZ Neuengamme, die die Schiffskatastrophe überlebten.
Die Organisatoren empfehlen die Wanderausstellung auch Jugendlichen ab 15 Jahren. Der Eintritt ist frei. Geöffnet ist die Ausstellung montags bis freitags von 9.30 bis 16 Uhr sowie sonnabends, sonntags und feiertags von 10 bis 17 Uhr.
Am Sonnabend, 22. April, 18 Uhr, eröffnet der Leiter des Museum zeiTTor in Neustadt/Holstein, Dr. Frank Wilschewski, die Ausstellung im Rahmen der „Langen Nacht der Museen“. Dr. Reimer Möller, Archivar der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, bietet im Anschluss an die Eröffnung Kurzführungen durch die Ausstellung an.