Hamburg. Die Landfrauen verlieren Mitglieder. Dabei haben sie einiges zu bieten. Eine Gruppe im Verein wächst – mit ungewöhnlichen Angeboten.
Die Hamburger Landfrauen haben ein Problem: Sie fühlen sich unterschätzt. Ihnen hafte ein verstaubtes Image an, das der altbackenen Bauersfrau, die sich um Hof, Kinder und Küche zu kümmern habe, kritisiert der Vorstand. „Dabei stellen wir viel mehr dar, engagiert sich der Verband in vielen Bereichen – auch politisch“, sagt Barbara Froh (64), Vorsitzende des Landesverbands Hamburg.
Die Außenwirkung ist für den Landfrauenverband enorm wichtig, denn er leidet, wie andere Vereine auch, unter Nachwuchssorgen. Besonders schwierig: Der Verband finanziert sich ausschließlich durch Mitgliedsbeiträge (je nach Ortsverein durchschnittlich 50 Euro im Jahr). Betrug die Zahl der Mitglieder vor 15 Jahren noch etwa 1600, sind es heute nur noch 1000 Frauen. „Trotzdem sind wir nach wie vor der größte Frauenverband Hamburgs“, sagt die in Allermöhe lebende Vorsitzende.
Hamburger Landfrauen: Junge Generation trifft sich zum Stand-up-Paddling
Eine Gruppe innerhalb des Verbandes sind die Jungen Landfrauen, die derzeit rund 100 Mitglieder zählen, Tendenz steigend. Sie treffen sich – im Unterschied zu den älteren Mitstreiterinnen – eher an den Wochenenden, verbringen gemeinsam Zeit mit „exotischen“ Projekten wie Online-Kochen und Stand-up-Paddling.
Doch auch die „normalen“ Landfrauen hätten heute andere Ansprüche als vor einigen Jahrzehnten, betont Geschäftsführerin Imke Kuhlmann aus Wentorf: „Wir sind heute mobiler und digitaler.“ Früher sei es für die Frauen auf dem Land schwierig bis unmöglich gewesen, in die Stadt zu gelangen, weiß Barbara Froh, „deshalb war unser Verband so eine Art Volkshochschule, die ins Dorf kam, wo dann Vorträge angeboten wurden“.
Doch schon damals sei es nicht immer um landwirtschaftliche Themen gegangen, „auch um Rhetorik und andere Bildungsthemen“, ergänzt Imke Kuhlmann. Sogar in der Satzung sei ein Bildungsauftrag verankert. Es gehe darum, Tradition zu bewahren, aber Modernem gegenüber aufgeschlossen zu sein, fassen es die Frauen zusammen.
Landfrauen sind in Berlin in Ausschüssen vertreten
Der Deutsche Landfrauenverband (dlv) mische auch in der Berliner Politik mit „und ist dort in Ausschüssen vertreten“, betont Barbara Froh. „Unter anderem setzt sich der Verband für Renten ein. Frauen sollen etwa die Zeit, in der sie Familienmitglieder pflegen oder Ehrenämter ausüben, angerechnet bekommen.“ Die Landfrauen würden ihre Fühler noch viel weiter ausstrecken, verrät die Vorsitzende: „Der Verband engagiert sich auch für Frauenprojekte in Ghana und Uganda.“
Der dlv ist der bundesweit größte Verband für Frauen auf dem Land und deren Familien. Ziel ist, die Lebensqualität, die Arbeitsbedingungen und die gesellschaftliche Teilhabe im ländlichen Raum zu verbessern. Der dlv vertritt die politischen Interessen aller Frauen in ländlichen Regionen und den Berufsstand der Bäuerinnen. 400 Kreis- und Bezirksverbände, 12.000 Ortsvereine und 22 Landesverbände bilden ein Netzwerk mit bundesweit 450.000 Frauen.
Landfrauenverband Hamburg feiert 2023 sein 75-jähriges Bestehen
Am 18. November 1948 wurde der Landfrauenverband Hamburg mit 35 Mitgliedern gegründet. Es war eine Bündelung der Kräfte von Frauen nach dem Krieg. Als die Wirtschaft wieder stabiler war, gab der Landfrauenverband Frauen die Legitimation, allein zu Veranstaltungen zu gehen und an Bildungsthemen teilzuhaben. Heute besteht der Hamburger Verband aus zehn Ortsvereinen (davon sechs in den Vier- und Marschlanden) mit rund 1000 Mitgliedern. Zu den Inhalten zählen immer noch Bildungsveranstaltungen, Lobbyarbeit für Frauen, aber auch generationsübergreifende, gesellschaftliche Aspekte werden aufgegriffen.
In den Ortsvereinen sind Frauen aller Generationen und unterschiedlicher Berufe vertreten. Nur 30 Prozent der Mitglieder sind noch in der Landwirtschaft und im Gartenbau tätig. Was alle Frauen vereint, ist das Leben auf dem Land. Die Landfrauenvereine bieten Vielfalt, organisieren etwa Vorträge zu Themen wie Kultur- und Gesellschaftspolitik, Ernährung und Gesundheit. Ein besonderes Anliegen des Verbandes ist, das Selbstbewusstsein der Frauen durch Bildungsmaßnahmen zu stärken, sie zu unterstützen, damit sie die verschiedenen Lebenssituationen in Betrieb, Haushalt und Familie bewältigen können.
Im Förderkreis der Landfrauen sind auch Männer vertreten
Zwei Studienreisen runden das jährliche Programm ab. Beim Projekt „Gartenzwerge“ besuchen Landfrauen Kindertagesstätten, um den Kleinen die Natur näher zu bringen und eine Wertschätzung für diese zu erzeugen. Zweimal im Jahr bringt der Landfrauenverband eine Zeitung heraus, die nicht im Handel zu erwerben ist. Aktuelle Informationen, wichtige Termine und Beschlüsse erreichen so die Mitglieder direkt.
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2013 wurde der Förderkreis des Landfrauenverbandes Hamburg gegründet. Er zählt 40 Mitglieder, darunter Verbände und Unternehmen, also auch Männer. Der Förderkreis engagiert sich auch sozial. 2017 hat der Hamburger Landesverband die Qualifizierungsmaßnahme zur Büroagrarfachfrau zusammen mit der Landwirtschaftskammer Hamburg und der Wirtschaftsbehörde ins Leben gerufen.