Hamburg. Die ehemalige Vorsitzende der Hamburger Landfrauen starb nach einem erfüllten Leben im Alter von 99 Jahren. Ein Nachruf.
Ein großes Herz schlägt nicht mehr: Ellen Rademacher, engagierte Landfrau, die auch für die Neuengammer Kirchengemeinde einsame Senioren besuchte, als Schöffin arbeitete oder Handarbeiten für den Weihnachtsbasar der Kirche fertigte, ist gestorben. Sie wäre im Dezember 100 Jahre alt geworden. Ellen Rademacher ist nach einem langen, erfüllten Leben friedlich und sanft bereits am 3. August eingeschlafen, berichtet ihre Tochter Ilse Westermann (64).
Die Seniorin war Ehrenmitglied des Landfrauenvereins Curslack-Neuengamme, den sie von 1971 bis 1979 leitete. In den Jahren 1971 bis 1987 stand sie zudem als Vorsitzende an der Spitze des Hamburger Landfrauenverbandes. „Schon damals ging es uns darum, mit der Zeit zu gehen und gut informiert zu sein“, sagte Ellen Rademacher im Dezember 2012 unserer Zeitung, als ein Artikel anlässlich ihres 90. Geburtstags erschien. 1980, als der erste Weltkongress der Landfrauen in Hamburg im CCH über die Bühne ging, hatte die Neuengammerin besonders viel zu tun. „Es gab sehr viel zu organisieren. Die Gäste kamen aus Ländern wie Indien, Australien oder Ghana“, erinnerte sich die frühere Chefin der Landfrauen vor zehn Jahren.
16 Jahre lang stand sie an der Spitze des Landfrauenverbandes
In den Landfrauenverband ist Ellen Rademacher bereits 1948 eingetreten, direkt nach dessen Neustart nach dem Zweiten Weltkrieg. Für ihr außergewöhnliches Engagement wurde sie später mit der Goldenen Biene durch den Deutschen Landfrauenverband geehrt. Ellen Rademacher engagierte sich aber nicht nur für die Landfrauen, sondern auch in der Kirche. Unter anderem leistete sie einsamen Senioren Gesellschaft, half Angehörigen von Patienten des Boberger Unfallkrankenhauses, denen sie kostenlose Übernachtungsmöglichkeiten in ihrem großen Haus anbot.
Auch in ihrem Privatleben musste sich Ellen Rademacher einigen Herausforderungen stellen: Bereits 1961 starb ihr Ehemann August Rademacher. Die Witwe zog die beiden Kinder alleine groß und ging in ihrem restlichen Leben keine neue Bindung ein. Den Bauernhof führte sie nun allein. Vor fünf Jahren starb ihr Sohn Dieter Rademacher im Alter von 66 Jahren.
Bis in die 80er-Jahre hinein hatte Ellen Rademacher 1000 Hühner
Ellen Rademacher wurde in Hannover als Ellen Rindfleisch geboren. Anfang der 1950er-Jahre musste ihre Familie den dortigen Bauernhof aufgeben, weil er dem Bau neuer Straßen im Weg war. Zusammen mit ihrem Mann suchte sie in Norddeutschland nach einer neuen, geeigneten Hofstelle und fanden sie schließlich am Neuengammer Hausdeich.
„Meine Mutter wollte wieder einen Hof in Stadtnähe haben, wie es schon in Hannover der Fall war“, sagt Ilse Westermann. Wenige Jahre nach dem Tod ihres Mannes sattelte Ellen Rademacher auf den Verkauf von Hühnereiern um. „Ich hatte 1000 Hühner, bis in die 80er-Jahre“, erzählte sie in dem Gespräch zu ihrem 90. Geburtstag.
100 Jahre alt zu werden war nie das Ziel der engagierten Frau
Als ihre Kinder aus dem Haus waren, verkaufte Ellen Rademacher ihr großes Haus und bezog eine Doppelhaushälfte im hinteren Bereich des großen Grundstücks. Dort lebte sie bis zuletzt Tür an Tür mit ihrer Tochter und deren Mann. „Dort konnte meine Mutter endlich den Blick aufs Feld in Richtung Süden genießen. Das ging erst in dem Neubau und war ihr wichtig“, sagt ihre Tochter. Ellen Rademacher hatte stets ein gutes Verhältnis zu ihren Nachbarn, „die waren ihr immer wichtig“, weiß ihre Tochter und fügt hinzu: „Sie sagte häufig: Freunde suchst du dir aus, aber Nachbarn sind dir von Gott geschenkt.“
Zu ihrer Tochter sagte sie, dass sie gar nicht 100 Jahre alt werden wolle. Das sei ja nur eine Eins mit zwei Nullen. 99 hingegen seien zwei Luftballons mit Bändern dran, fand Ellen Rademacher, deren letzter Wunsch erfüllt wurde. Die engagierte Frau, die bis zu ihrem Lebensende geistig fit und rüstig war, wurde auf dem Neuengammer Friedhof beigesetzt.